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"Blutsee" in den Alpen versetzt Wanderer ins Staunen

Die tiefrote Färbung eines Bergsees in den Berner Alpen (CH) sorgt derzeit für Verwunderung. Ein Hydrobiologe erklärt das eindrückliche Naturphänomen.

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Grüne Bergwiesen, roter See: Auf dem Niederhorn bieten sich Wanderern derzeit starke Kontraste.
Grüne Bergwiesen, roter See: Auf dem Niederhorn bieten sich Wanderern derzeit starke Kontraste.
20 Minuten/Walter Fiechter

Rätselhaftes spielt sich derzeit hoch über dem Thunersee ab: Auf dem Niederhorn, 1963 Meter über Meer, dem Hausberg der Gemeinde Beatenberg, hat sich das Wasser eines kleinen Sees blutrot eingefärbt.

"Ich habe so etwas noch nie zuvor gesehen", erzählt Wanderer Walter Fiechter, der am Montagmittag am Tümpel vorbeikam und das Naturschauspiel fotografisch festhielt dem Nachrichtenportal "20 Minuten". "Die Rotfärbung war eindrücklich und passte gut ins Panorama."

Doch was steckt dahinter? An eine Verschmutzung glaubt der 59-Jährige nicht. Vielmehr vermutet er, dass Algen für das Naturschauspiel verantwortlich sind.

Roter Farbstoff als Sonnenschutz

Damit dürfte er richtig liegen. Zwar müsste laut dem pensionierten Hydrobiologen Hans Rudolf Bürgi vom Wasserforschungsinstitut Eawag eine Frischprobe analysiert werden, um abschließend beurteilen zu können, was hinter der Rotfärbung steckt. Bürgi ist sich aber ziemlich sicher: "Normalerweise wird das Phänomen in diesen Höhenlagen verursacht von ungiftigen Grünalgen."

Diese bilden als Sonnenschutz den roten Farbstoff Haematochrom, ein Gemisch aus roten Karotinoiden, die das grüne Chlorophyll verdecken – und so dem See sein rotes Kleid verleihen. "Blutseeli", wie in der Schweiz solche Gewässer auch genannt werden, gebe es immer wieder, sagt Bürgi.

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    Grüne Bergwiesen, roter See: Auf dem Niederhorn bieten sich Wanderern derzeit starke Kontraste.
    Grüne Bergwiesen, roter See: Auf dem Niederhorn bieten sich Wanderern derzeit starke Kontraste.
    20 Minuten/Walter Fiechter

    Andere Algengruppen könnten zwar ebenfalls rötliche Färbungen verursachen. "Sie sind aber selten so intensiv und freischwebend im Wasser", so der pensionierte Algenforscher. Auf Fiechters Bild lasse sich klar erkennen, dass es sich nicht um (beispielsweise auf dem Seegrund) festsitzende Formen handle, sondern um planktisch schwebende.

    "Um im stillen Bergsee zu schweben, müssen die Formen sehr klein oder dann beweglich sein", erklärt Bürgi weitere. Das treffe zum Beispiel auf die zwei Grünalgenarten Haematococcus pluvialis oder Chlamydomonas nivalis zu. "Die Letztere ist bekannt, weil sie auch Schnee rot färben kann." Die aus tieferen Seen bekannten Rotfärbungen durch die Burgunderblutalge können laut Bürgi anhand der Höhenlage ausgeschlossen werden.

    Touristiker hofft auf Regen

    Laut Thomas Tschopp, Geschäftsführer von Beatenberg Tourismus, könnten auch die kargen Böden und der Torfanteil ihren Anteil zur roten Färbung des Seelis auf dem Niederhorn beisteuern. "Dieses ist Teil eines riesigen Moorgebiets, das sich von Beatenberg über Habkern Richtung Osten erstreckt", erklärt er.

    Im Übrigen gebe es sogar drei solcher Gewässer, die sich allesamt auf dem Güggisgrat beim Hohseil befänden. In den letzten Jahren seien sie jedoch fast ausgetrocknet gewesen, weshalb das Naturspektakel ausgeblieben sei. "Je mehr Regen fällt, desto röter sind die Seen", so Tschopp.

    Umso erfreuter ist er über den aktuellen Anblick – und hofft auch künftig auf ein paar Tropfen vom Himmel: "Wenn es weiterhin regnet, bleibt das Phänomen den ganzen Sommer über bestehen."

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