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Boris boxte sich durch: Johnson ist neuer Premier

Der neue britische Premier heißt Boris Johnson. Die konservative Tory-Partei wählte ihn mit großer Mehrheit.

Heute Redaktion
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Alexander Boris de Pfeffel Johnson (55) ist der neue Premierminister Großbritanniens. Der umstrittene Tory-Politiker galt schon lange als haushoher Favorit für die Nachfolge von Theresa May. Seinem einzigen Konkurrenten, Außenminister Jeremy Hunt, wurden von Anfang an nur geringe Chancen eingeräumt. Von rund 160.000 Tory-Mitgliedern wurde Johnson mit 92.153 gewählt. Hunt erhielt 46.600 Stimmen.

Wer ist dieser neue Premier? Johnson ist ein Exzentriker, der es mit der Wahrheit oft nicht so genau nimmt. Seine Statur und die lange Zeit wilde Frisur sollen zu seinem Spitznamen "Yeti" in Schulzeiten beigetragen haben. Zwar war der bullige Ex-Bürgermeister von London bei den Parteimitgliedern schon immer sehr beliebt - auf Parteitagen rockte der verwuschelte Blonde regelmäßig die Hallen.

Der Mundwerksbursch

Doch in der Fraktion hatte er lange Zeit zu viele Gegner. Sie sahen in ihm einen flotten Mundwerksburschen, dem man besser kein wichtiges Amt anvertrauen sollte. "Boris ist das Leben und die Seele jeder Party", sagte etwa 2016 die heutige Arbeitsministerin Amber Rudd. "Aber nicht der Mann, von dem man am Ende des Abends nach Hause gefahren werden möchte."

Als junger Korrespondent der "Times" in Brüssel schüttete Johnson regelmäßig Gift und Galle über der EU-Bürokratie aus. Die Zeitung schmiss ihn dann allerdings raus, weil viele Zitate, mit denen er seine Artikel aufzwirbelte, frei erfunden waren. Vor dem Referendum versprach die Aufschrift auf dem roten Bus, mit dem Johnson durchs Land fuhr, man könne 350 Millionen Pfund pro Woche durch den Austritt aus der EU sparen und stattdessen in britische Krankenhäuser investieren. Die Zahl stimmte nicht.

Elite-Internat Eton

Der im Elite-Internat Eton erzogene Sohn eines früheren konservativen Abgeordneten des EU-Parlaments und Weltbank-Mitarbeiters war bereits auf der Universität in Oxford als Großmaul aufgefallen. Später, als sich Barack Obama vor dem Referendum für den Verbleib Großbritanniens einsetzte, tat Johnson das mit dem Hinweis ab, der US-Präsident sei ja Halb-Kenianer und deshalb den Briten nicht wohlgesonnen.

Die Fettnäpfchen

Trotzdem holte Theresa May den Unruhestifter als Außenminister ins Kabinett. Sie wollte ihn dadurch in die Kabinettsdisziplin einbinden, was nicht wirklich gelang - Johnson ließ auf diplomatischem Parkett so gut wie kein Fettnäpfchen aus. Ein Highlight: Der Mann sprach ausgerechnet in einem Tempel der abstinenten Sikh über Whisky-Exporte nach Indien.

Oder seine Wahlwerbung für seine Torys: „Die Konservativen zu wählen, wird deiner Frau größere Brüste beschaffen und deine Chancen erhöhen, einen BMW M3 zu besitzen. "

Oder über Drogen-Konsum: „Ich glaube, mir wurde einmal Kokain gegeben, aber ich musste niesen und es stieg deshalb nicht meine Nase hoch. Auch möglich, dass es einfach nur Puderzucker war."

Oder sein Limerick über den türkischen Präsidenten Erdogan: Johnson schrieb über den jungen Kerl aus Ankara, der sich mit einer Ziege die Hörner abstieß:

There was a young fellow from Ankara

Who was a terrific wankerer

Till he sowed his wild oats

With the help of a goat

But he didn't even stop to thankera.

(Das übersetzen wir jetzt nicht, sonst sind Erdogan-Fans böse, Red.)

Vor einem Jahr trat er als Außenminister zurück. Zwischenzeitlich füllten seine polizeibekannten Streitereien mit Freundin Carrie Symonds (31) die Schlagzeilen.

No Deal-Brexit versprochen

Brexit-Hardliner Johnson will Großbritannien am 31. Oktober aus der Europäischen Union herausführen - notfalls auch ohne Abkommen. Ein solcher No Deal würde vor allem für die Wirtschaft unangenehme Konsequenzen haben, da es zu einer Wiedereinführung von Zöllen kommen könnte. Johnson will den Austrittsvertrag neu verhandeln.

EU bleibt gelassen

In Brüssel übt man sich in Gelassenheit. "Wir werden jeden Premierminister respektieren und zu ihm Arbeitsbeziehungen aufbauen", hieß es aus der EU-Kommission. Dazu wird betont, dass man das mit May ausgehandelte Austrittsabkommen nicht mehr ändern werde und lediglich noch Modifikationen an der begleitenden politischen Erklärung möglich seien.

Auf den No-Deal-Fall hat sich die EU in den vergangenen Monaten intensiv vorbereitet. Wenn es nicht anders geht, sind wir bereit, lautet das Motto.

(GP)