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"Chivalry 2" im Test: Ein ritterlicher Multiplayer-Hit

"Chivalry" war 2012 ein Multiplayer-Mega-Hit, nun soll der Nachfolger gleiches schaffen. Und es sieht gut aus: "Chivalry 2" spielt sich fantastisch.

Rene Findenig
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    "Chivalry 2" will den Erfolg des Vorgängers wiederholen, samt Cross-Play-Funktion für PC, PlayStation 4 und 5 sowie Xbox One und Series X/S. Und macht dies auf ganz typische Weise, denn so gut wie alles ist gleich wie im Vorgänger.
    "Chivalry 2" will den Erfolg des Vorgängers wiederholen, samt Cross-Play-Funktion für PC, PlayStation 4 und 5 sowie Xbox One und Series X/S. Und macht dies auf ganz typische Weise, denn so gut wie alles ist gleich wie im Vorgänger.
    Torn Banner Studios

    Das Multiplayer-Actionspiel "Chivalry: Medieval Warfare" war für PC 2012 so erfolgreich, dass es die Torn Banner Studios später auch für Xbox 360 (2014) und PlayStation 3 (2015) sowie Xbox One und PlayStation 4 (Ende 2015) veröffentlichten. Der Erfolg dürfte alle überrascht haben – immerhin ging der Titel aus einer Mod für "Half-Life 2" hervor und bot nicht wirklich eine aufregende Story. Umso aufregender war allerdings das Gameplay des Actionspiels.

    Schon in Teil 1 ging es darum, dass sich im Mittelalter zwei verfeindete Fraktionen – die Königstruppen auf der einen und die Aufständischen auf der anderen Seite – mit allerlei Waffen auf dem Kriegsfeld beharken. Während große Schlachten in einem modernen "Battlefield" schon Standard sind, waren sie zum Erscheinen von "Chivalry" noch fast ein Novum: In Teams wurden gigantische Belagerungsschlachten mit bis zu 64 Spielern geführt, die so richtig Lust auf mehr machten.

    Stärken und Schwächen übernommen

    "Chivalry 2" will diesen Erfolg nun wiederholen, samt Cross-Play-Funktion für PC, PlayStation 4 und 5 sowie Xbox One und Series X/S. Und macht dies auf ganz typische Weise, denn so gut wie alles ist gleich wie im Vorgänger. Wieder stürzt man sich in der Ego- und Third-Person-Perspektive auf die Schlachtfelder der Spielwelt Agatha, wieder gibt es Dutzende verschiedene Waffen und einen extrem hohen Gewaltgrad, und wieder hapert es dem Spiel an einer Handlung, die man verfolgen könnte. Man kann sagen: "Chivalry 2" hat die Stärken und Schwächen seines Vorgängers übernommen.

    Zwar lernt man wiederum die Rebellen namens "Mason Order" und die König-treuen "Agathian Knights" sowie die Spielwelt Agatha kennen und erfährt, dass die zwei Fraktionen noch immer im Krieg stehen. Auf Handlungsstränge und Videosequenzen mit Fortdauer der Schlachten wartet man aber vergebens und bekommt nur ein paar Infohäppchen im Spielmenü zu lesen. Heißt auch: Wieder gibt es keine Einzelspieler-Kampagne, sondern nur Mehrspieler-Modi, die man aber teils nicht nur mit menschlichen Mitspielern, sondern auch mit KI-Kämpfern bestreiten kann.

    Nichts für Haudrauf-Spieler

    Was sich aber getan hat, ist einiges beim Gameplay. Deswegen ist es auch dringend notwendig, das sehr ausführlich geratene Tutorial am Beginn des Spiels zu absolvieren. Anders, als viele Trailer und Let's-Plays sowie der Name "Multiplayer-Ego-Slasher" vermuten lassen, kommt man nämlich mit Button-Smashing nicht allzu weit. Das Spiel bietet nun ein noch verfeinertes System aus Angriffen, Blocks, Kontern und Kombos. Es gilt, geduldig innerhalb des eigenen Teams zu agieren, die Feinde genau zu beobachten und auf jede Bewegung richtig zu reagieren, sonst fliegt schnell der virtuelle Kopf davon.

    Komplexer macht das Spiel auch, dass jede spielbare Klasse über unterschiedliche Stärken und Schwächen verfügt und sich auch komplett unterschiedlich spielt. Während Bogenschützen etwa im Fernkampf unachtsame Spieler sofort auslöschen können, haben sie im Nahkampf ungeschützt kaum eine Chance. Als Standard-Klasse gilt der Ritter, der hart zuschlagen, gut blocken und schnell kontern kann. Er kann aber wiederum gegen flinke oder Langwaffen-tragende Feinde schwer wehren. Man liest es heraus: Siegreich im Krieg werden Teams sein, die alle Klassen und Waffen nutzen und zusammenarbeiten.

    Trotz weniger Klassen viele Spielweisen

    Jede einzelne der bisher vier spielbaren Klassen (Bogenschütze, Fußsoldat, Vorhut, Ritter) kann durch die Waffenwahl weiter spezialisiert werden, was trotz der geringen Klassenanzahl für eine relativ große Auswahl an Spielweisen sorgt. Alle Klassen- und Waffen-Entscheidungen wirken sich zudem auf Bewegungsgeschwindigkeit, Rüstung und Reichweite der eigenen Spielfigur aus, weshalb man gerne experimentiert, um seinen eigenen Wunsch-Kämpfer zusammenzustellen. Ist die Wahl gefallen, kann es in die Schlachten gehen.

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    Wie aus großen Multiplayer-Hits gewohnt steigt mit jedem Kampf der Rang des Spielers, der daraufhin Belohnungen wie neue Waffen und Ausrüstungen bekommt, die er dann mit in den nächsten Kampf nehmen darf. In den Gefechten selbst funktioniert das im Vorgänger etwas fummelige Blocken nun perfekt – so gut, dass man wirklich nach einer Lücke in der Abwehr der Feinde suchen muss. Aus Ausdauerbalken begrenzt dabei aber die Möglichkeit des Block-Einsatzes. Wer dies perfekt beherrscht, wehrt Angriffe ab und setzt gleichzeitig zum tödlichen Konter-Stoß an. 

    Das Blut fließt ohne Unterlass

    Bis Konter, Ausweichen, Paraden und Co. ins Blut übergehen, vergehen allerdings einige Spielstunden. Zwar sind die Befehle selbst schnell erlernt, allerdings muss das Timing teils perfekt sein, um etwas ausrichten zu können. Dennoch macht es irre viel Spaß, die Manöver zu üben, denn Erfolge werden schnell sichtbar und führen teils zu sehenswerten Kämpfen. Das Geheimnis zum Erfolg liegt aber auch im Teamplay: Je nachdem, ob man eine Festung erstürmen oder sie verteidigen soll, müssen kleine Grüppchen strategisch auf neuralgische Punkte eingesetzt werden. Einzelkämpfer haben keine Chance.

    Extrem hoch ist wieder der Grad der Gewaltdarstellung: Literweise Blut ist sowieso Normalität, abgehackte Arme und Beine sowie umherfliegende Köpfe schwer verdaulich. So spektakulär und flüssig animiert auch die neue Grafik ist – so sehr verschärft sie Brutalität auch noch. Trennen Schwerter Hände von ihren Besitzern, sieht man das bis ins kleineste Detail mit allen Blut-Spritzern und Schmerzensschreien. Ja, auch beim Sound und den Effekten hat man ordentlich draufgelegt. Die Mittelalter-Kampfmusik ist große Klasse, Schreie, Schwertgeklirre und surrende Pfeile verstärken die Atmosphäre noch.

    Viel spielerische Abwechslung

    Bis zu 64 Spieler lässt "Chivalry 2" im größten der Modi aufeinandertreffen, daneben werden noch 40-Spieler-Teamkämpfe und "Jeder gegen jeden"-Matches geboten. Zur Auswahl stehen dabei acht Karten, was wenig wirkt, sich aber dennoch abwechslungsreich spielt. Der Grund: Die Karten sind in verschiedene Abschnitte geteilt, die jeweils mit Szenarien verbunden sind. Wurde etwa ein Burgtor gestürmt, geht der Kampf innerhalb der Mauern weiter, hält das Tor, wird dagegen entlang der Außenmauern gekämpft und ein anderer Durchgang gesucht. Was dieses Mal ebenso neu ist: Mehr Verstecke für Fernkampf.

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    Fantastische Grafik, superflüssige Animationen, extremer Gewaltgrad, abwechslungsreiche Karten und viel spielerische Freiheit durch die Waffen- und Klassenwahl. "Chivalry 2" ist ein Multiplayer-Mittelalter-Hit, der neben einer tiefgehenden Handlung eine Einzelspieler-Kampagne vermissen lässt. Zwar lässt sich auch mit Bots kämpfen, das macht aber nur den halben Spaß. Geht es aber alleine um den Multiplayer-Aspekt und die gigantischen Schlachten, steckt "Chivalry 2" streckenweise Bombast-Titel wie die neuesten "Battlefield"-Games locker in die Tasche.