Wien

"Cobra verletzte mich, als sie meinen Bruder suchte"

Tashu A. (16) wurde bei einem Polizei-Einsatz in der Wohnung seiner Mutter verletzt. Er wirft den Beamten unverhältnismäßige Gewalt vor.

Christine Ziechert
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    Tashu A. (16) ist seit einem Panzer-Unfall zu 80 % behindert.
    Tashu A. (16) ist seit einem Panzer-Unfall zu 80 % behindert.
    Helmut Graf

    Tashu A. (16) wurde als Kind in seiner Heimat Tschetschenien von einem Panzer überrollt, musste bisher 54 schmerzhafte Operationen über sich ergehen lassen. Der Jugendliche ist zu 80 % behindert und muss mit Krücken gehen. Seit dem 17. Juni hat Tashu A. verstärkt Schmerzen im Bein, das Gehen fällt ihm noch schwerer als zuvor. An diesem Tag, zwischen 4 und 5 Uhr Früh, stürmte die Cobra die Wohnung seiner Mutter, Zarema S., in der Denisgasse (Brigittenau). Das Zielobjekt war allerdings nicht er, sondern sein Bruder, Mubarik A., der im Zuge von Ermittlungen des Landeskriminalamtes gesucht und festgenommen wurde. 

    Bei diesem Einsatz soll es laut Tashu A. zu unverhältnismäßiger Gewalt gekommen sein: "Ich wurde gewaltsam zu Boden geworfen, und es wurde auf mich eingeschlagen, obwohl ich bereits wehrlos am Boden lag. Dann wurde mein Kopf mit der Hand gegen den Boden und mir mit dem Knie in den Nacken gedrückt. Dadurch konnte ich nur sehr schwer atmen und hatte Angst, dass ich sterben würde. Mein rechter Oberarm und mein Oberschenkel wurden verletzt, meine Handgelenke waren danach noch tagelang angeschwollen. Außerdem hatte ich starke Kopfschmerzen", meint Tashu A.

    Verwechslung mit gesuchtem Bruder

    Laut Einsatzbericht der Cobra soll es zur Verwechslung mit seinem Bruder Mubarik gekommen sein, da das Zimmerlicht nicht funktionierte und es wegen der Uhrzeit noch recht dunkel war: "Man kann uns gut voneinander unterscheiden, weil ich erheblich mehr wiege, zu 80 % behindert bin und mit Krücken gehe. Auch wurde mein Bruder sofort nach Eindringen der Po-lizisten im Wohnzimmer festgenommen, und es erfolgte eine lautstarke Ansprache der Beamten, die für jeden Beteiligten gut zu hören war", erklärt der 16-Jährige.

    Obwohl die Familie die Beamten mehrmals darauf hinwies, dass Tashu eine Behinderung im Bereich des rechten Schienbeins hat, sollen die Polizisten nicht aufgehört haben: "Als meine Mutter für mich um Hilfe rief und den Polizisten gegenüber angab, dass ich behindert sei und sie aufpassen mögen, wurde sie an den Haaren gepackt und durch die Wohnung gezerrt. Sie wurden von den Polizisten mit dem Kopf gegen die Wand gedrückt und leidet seitdem an starken Kopfschmerzen. Auch meine Schwester, Aida, wurde mehrmals herumgestoßen und auf den Boden geworfen", berichtet Tashu.

    Der Einsatz ist in rechtsstaatlicher Hinsicht fraglich - Anwalt Florian Kreiner

    Mit Hilfe von Rechtsanwalt Florian Kreiner brachte Tashu A. Anfang Juli eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft Wien ein: "Gewalt gegen Menschen mit Behinderung ist absolut nicht tolerierbar. Wenn dann noch, wie das Opfer ausführt, Gewalt gegen seine Mutter und seine Schwester angewandt wurde, als diese um Rücksichtnahme auf die Behinderung des Opfers baten, war dieser Einsatz in rechtsstaatlicher Hinsicht mehr als fraglich. Als Strafverteidiger werde ich leider allzu oft mit Fällen von Polizeigewalt konfrontiert, wobei den Opfern in den meisten Fällen kein Glauben geschenkt wird. Man kann nur hoffen, dass die aktuellen Anlassfälle zu einem Umdenken führen und eine konsequente Aufklärung des Sachverhaltes nach sich ziehen", meint Kreiner.

    Auf "Heute"-Nachfrage beim Innenministerium heißt es seitens des zuständigen Ressortsprechers: "Im Zuge des Zugriffs ist es zur Anwendung polizeilicher Zwangsgewalt gekommen – was grundsätzlich nichts Außergewöhnliches ist. Selbstverständlich obliegt es den Betroffenen, im Zuge des Verfahrens Bedenken oder Vorwürfe zu äußern. Diesen Vorwürfen wird in weiterer Folge natürlich nachgegangen."