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Corona – Schüler müssen ganzen Tag am selben Platz sein

Glattauer gibt Noten. Heute: "Sind zur Steinzeit-Pädagogik verurteilt!" Sehr geehrter Herr Bildungsminister … Und: "Bezug zur Realität verloren …"

Niki Glattauer
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Niki Glattauer war Lehrer und Schuldirektor und vergibt in <em>"Heute"</em> Noten.<br>
Niki Glattauer war Lehrer und Schuldirektor und vergibt in "Heute" Noten.
Sabine Hertel

Die "Sicherheitsphase" an unseren Schulen ist vorbei – trotzdem kein Ende des Quarantäne-Wirrwarrs. Für alle 6- bis 12-Jährigen heißt es also weiter an zwei bzw. drei von fünf Schultagen spülen, gurgeln, spucken, für deren Lehrerinnen weiterhin scannen, codieren, herumtelefonieren. Den geimpften Schülern höherer Klassen erspart man immerhin das Testen, aber sogar die können heimgeschickt werden, wenn sie von der lokalen Gesundheitsbehörde als K1 "enttarnt" werden.

Ein AHS-Schulleiter schreibt mir verärgert: "Damit verurteilt uns die Regierung zu Steinzeit-Pädagogik. Schüler sitzen den ganzen Tag am selben Platz, um nur ja keine wechselnden Kontakte zu haben. Vorn steht der maskierte Professor und hält Frontalunterricht. Andere Arbeits- und Sozialformen wie Kleingruppen sind nicht mehr möglich, wenn nicht die ganze Klasse in K1-Verdacht geraten will. Die Lage ist besch…eiden." Dem ist wenig hinzuzufügen.

Note: Unbefriedigend

Sehr geehrter Herr Bildungsminister, wären …

… Sie Niki Popper, hätte ich Verständnis dafür, dass "Testen, testen, testen" Ihr Credo ist. Sie sind aber nicht Simulationsforscher, sondern Bildungsminister. Daher verstehe ich Sie nicht (mehr). Sie schauen zu, wie unseren Schulen die Pandemiebekämpfung umgehängt wird, nur weil eine feig und inkonsequent agierende Regierung die nötige Impfquote nicht erreicht. Sie schauen zu, wie Schulkinder heimgeschickt werden, nur weil wieder einmal "Infektionsketten" unterbrochen werden müssen. Müssen Sie nicht. Jeder ab 12 kann sich impfen lassen. Wer das nicht tut, ist selber schuld! Ja, Erkrankte gehören nach Hause. Aber alle anderen gehören in die Schule.

Sie haben einen offenen Brief, den ich vor zehn Tagen an Sie gerichtet und vorher mit dem Wiener Bildungsdirektor akkordiert habe, bis jetzt nicht beantwortet. Ich lege nun nach. Lesen Sie bitte die Schlusssätze aus dem Schreiben einer Wiener Lehrerin (Details auf Standard.at).

Note: Nicht genügend

Glattauer gibt Noten
Niki Glattauer war 25 Jahre Lehrer und Schuldirektor in Wien. Er hat bisher 13 Bücher veröffentlicht, alle zum Thema Schule wurden Bestseller. Jeden Montag vergibt er in einer Kolumne für "Heute" Schulnoten.
Alle seine Artikel findest Du hier.

"Jeglichen Bezug zur Realität verloren …"

"Die PCR-Tests kosten die Lehrkräfte extrem viele Stunden, die für den Unterricht fehlen. Wer sich dieses System ausgedacht hat, stand noch nie in einer Klasse. Wer hier zugestimmt hat, ist dem österreichischen Bildungsalltag so fern wie ein Binnensegler einer Atlantiküberquerung. Ja, wir lernen derzeit in der Schule. Dass sich niemand so richtig um die Kinder schert. Dass der Bildungsminister in seinem akademischen Elfenbeinturm jeglichen Bezug zur Realität verloren hat. Und die Kinder lernen auch. Dass ihre Lehrerinnen und Lehrer komplett überfordert, überfragt und ausgelaugt sind. Dass die "von oben" vorgegebenen Konzepte leider nur schwer bis gar nicht realisierbar sind. Was das mit ihnen macht, werden wir in ein paar Jahren sicherlich sehen."

 Sandra R., seit 20 Jahren Lehrerin, seit drei Jahren in einer Wiener Mittelschule

Note: Gut, Frau Kollegin!