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"Epidemie ist schlimmer als wir uns das vorstellten"

Heute Redaktion
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Das neue Coronavirus breitet sich immer weiter aus. Am Freitag wurden die ersten Infizierten in Europa bestätigt. In China wird vor dem Ausmaß gewarnt.

Bisher starben 56 Menschen am Virus, Hunderte Menschen sind weltweit daran erkrankt. Aufgetaucht ist die Lungenerkrankung erstmals in der chinesischen Millionenstadt Wuhan, die mittlerweile hermetisch abgeriegelt wurde. Das medizinische Personal kommt in Wuhan an seine Grenzen. Weil die Spitäler der mittlerweile abgeschotteten Stadt überfüllt seien, würden Patienten abgewiesen, meldet das "Wall Street Journal".

Das gelte auch für Krankenhäuser in der gesamten Provinz Hubei, wo die Mehrheit der bestätigten Krankheitsfälle herkomme. Es fehle an Medikamenten und Schutzausrüstung. Auch die lokalen Gesundheitsbehörden bestätigten, dass es lange Schlangen und Wartezeiten für Patienten gebe. Die Regierung ist daran, in Wuhan ein eigenes Spital für Infizierte und Verdachtsfälle zu bauen. In sechs Tagen soll es komplett fertig erstellt sein.

"Niemand kümmert sich um Leichen"

Derweil geben Videos aus den chinesischen sozialen Netzwerken zu reden. Eine Aufnahme zeigt das Innere eines Spitals in Wuhan. Die Frau, die das Video aufnahm, gibt an, Krankenschwester zu sein und berichtet: "Medizinisches Personal und Patienten sind zusammen mit drei Verstorbenen auf dem Spitalkorridor zusammengepfercht. Niemand ist da, um sich um die Leichen zu kümmern." Das Video und Aussagen lassen sich nicht einwandfrei verifizieren.

Beunruhigend, aber ebenfalls nicht einwandfrei verifizierbar, ist auch das Video eines Mannes vor einem Spital in Wuhan. Er filmt eine Reihe weißer Zelte auf einem Vorplatz des Spitals. "Wenn ihr Kinder habt, kommt nicht hierher", sagt er auf chinesisch. "Diese Epidemie ist schlimmer als wir uns das vorstellten. Es ist real, es ist sehr, sehr ernst."

Hat China zu spät informiert?

Dutzende Menschen waren in China schon Mitte Dezember erkrankt, das Corona-Virus bereits über die Landesgrenze verschleppt, als Peking die Welt im Januar über die mysteriöse Lungenkrankheit informierte. Das habe aber weniger damit zu tun, dass man in China die rasante Verbreitung des Virus geheimhalten oder unterschlagen wollte, schreibt die "New York Times".

Tatsächlich habe Peking seit dem Ausbruch von Sars 2002/03 dazugelernt. Damals hatte die Regierung keine Details zu der ebenfalls durch ein Coronavirus übertragenen Krankheit öffentlich gemacht. In der Folge kam es zu Panik in der Bevölkerung, viele flüchteten aus den Städten und trugen dadurch potenziell zur schnelleren Ausbreitung des Virus bei.

Gefährliche Mängel in der Krise

Heute hat man zwar transparenter und schneller informiert und rigoros durchgegriffen: 13 Städte mit insgesamt 36 Millionen Einwohnern stehen unter Quarantäne und der öffentliche Verkehr in diesen Städten komplett gestoppt. Dennoch machen Beobachter gefährliche Mängel in der Handhabung mit der Virus-Krise aus. Einer der Hauptgründe sei im chinesischem System zu verorten, so die New York Times: "Die streng hierarchische Bürokratie ermutigt lokale Beamte nicht dazu, sich mit schlechten Nachrichten an ihre Vorgesetzen in den Zentralen außerhalb zu wenden", schreibt die Zeitung.

"Das unterbindet den Austausch zwischen den Behörden, so dass das Ausmaß einer Krise erst spät und nur schwer einzuschätzen ist." Das habe auch bei Sars 2002 eine Rolle gespielt. Erste Berichte wurden damals von den Behörden kleingeredet. Aber nicht, weil man eine Massenpanik befüchtete, sondern "weil chinesische Beamte Angst davor hatten, sich mit ihren Vorgesetzten anzulegen, die ihre Karriere in den Händen hielten." Keiner wolle derjenige sein, der seinem Boss schlechte Nachrichten überbringe, sagt die Politologin Vivienne Shue. "Die Kluft zwischen den lokalen Behörden und den Führern in Peking ist das zentrale Rätsel, wie dieses System funktioniert."