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Das Dorf, das ins Meer fiel

Englands Küsten werden vom Meer abgetragen. In Hallsands wurde dieser Prozess von Menschenhand verstärkt.

Heute Redaktion
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Großbritannien wird kleiner: Jedes Jahr wird ein Teil des Festlandes vom Atlantischen Ozean abgetragen. Im Durchschnitt wird die Insel Großbritannien jährlich zwischen 1,5 und 2,4 Meter kleiner. Besonders betroffen ist Holderness, eine östliche Küste Englands.

Von Menschenhand verstärkt

Dieser natürliche Landrückgang ließ seit dem römischen Reich mindestens 23 Dörfer im Meer versinken. Aber auch der Mensch hat einen Einfluss auf die Erosion: Ein extremes Beispiel dafür ist Hallsands, ein Dorf in South Devon. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Hallsands ein Fischerdorf mit ungefähr 40 Häusern und 160 Einwohnern.

Bereits im Jahr 1917 waren nur noch zwei Häuser übrig. Im Gegensatz zu anderen Ortschaften an erodierenden Küsten, die nach und nach versinken, stürzte ein großer Teil von Hallsands während nur eines Sturmes ins Meer. Schuld daran? Kieselsteine. Tonnen von Kieselsteinen.

Hügel abgetragen

Hallsands Standort war einst sicher: Auf einer kleinen Erhöhung, geschützt von mehreren Metern steinigem Strand. Bis 1894: In diesem Jahr begann die Royal Navy mit dem Bau einer neuen Werft. Für die Werft in der Nähe von Plymouth wurden rund 400'000 Kubikmeter Kies benötigt – Kies, wie er an den Stränden vor Hallsands liegt.

Ab 1897 wurden durchschnittlich 1600 Tonnen Kiesel pro Jahr vor Hallsands abgebaut. Schon nach wenigen Jahren waren die Folgen im Dorf spürbar: Der Strand verlor seine Form und ging unter. Die Wellen schienen nun höher und die Flut kam immer näher an die Häuser. Die Bewohner von Hallsands äußersten ihre Bedenken, wurden aber ignoriert.

Abertausende Tonnen Kiesel abgetragen

Niemandem schien damals klar gewesen zu sein, dass die abgetragenen Steine für die Sicherheit Hallsands sorgten. Nun, da der schützende Strand abgetragen wurde, kamen die Wellen immer näher an die Häuser heran, die kleine Erhöhung, auf der die Häuser standen, wurde zunehmend ausgehöhlt. 1900 bekamen die ersten Häuser Risse.

1902, als weitere Fischerdörfer Probleme und Veränderungen feststellten, wurde der Kieselabbau gestoppt. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden angeblich rund 660'000 Tonnen Material abgetragen. In Hallsands stürzte ein Teil des Stadthauses ins Meer, einige Familien zogen fort. Die Bevölkerung reduzierte sich bis 1906 auf 79 Menschen.

Ein Sturm brachte das Ende

Am 26. Januar 1917 wurde die Ostküste von einem starken Sturm heimgesucht. Riesige Wellen donnerten gegen die Küste, kein Strand hielt sie auf. Alle Häuser nahe der Klippe wurden von den Wellen ins Meer gerissen, diejenigen, die stehen geblieben sind, wurden stark beschädigt. Die 79 Bewohner überlebten alle und konnten sich in Sicherheit bringen.

Zwei Tage später brach die Flut den Rest der Klippe ab. Jedes Haus in Hallsands, außer den beiden am weitesten vom Meer entfernten, stürzte ins Meer. Es gab zwar danach eine Ermittlung, allerdings wurde nie jemand verurteilt. In einem Vergleich bekamen die Bewohner der Insel 6000 Pfund für ihre verlorenen Häuser und Besitztümer.

Alles neu

Heute gibt es ein neues Dorf, höher als das alte und mit Blick auf die abgebrochene Klippe. Ein Teil der Ruinen des alten Hallsands sind noch sichtbar.

(20 Min / Meret Steiger)