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Das heikle Comeback alter Antibiotika

Heute Redaktion
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Um Resistenzen gegen neuere Antibiotika zu verhindern, verschreiben Ärzte wieder vermehrt ältere Präparate. Bei Harnwegsinfekten ist das problematisch.

Moderne Antibiotika wirken sowohl bei lebensgefährlichen Infektionen als auch bei harmloseren wie beispielsweise einer Blasenentzündung (Cystitis). Allerdings entwickeln die Bakterien immer mehr Resistenzen gegen diese Medikamente.

Davon betroffen ist unter anderem das hochwirksame Breitband-Antibiotikum Ciprofloxacin. "Laut Schätzungen sind bereits bis zu 20 Prozent der Bakterienpopulation, die für Harnwegsinfekte verantwortlich sind, gegen Ciprofloxacin resistent", warnt Angela Huttner, die an der Universität Genf zu Infektionskrankheiten forscht. Dementsprechend sei es entscheidend, dieses Präparat nur in schweren Fällen einzusetzen.

Resistenzen – und heftige Nebenwirkungen

Hinzu kommt, dass Ciprofloxacin – genauso wie die anderen Antibiotika aus der Gruppe der sogenannten Fluorchinolone – im Verdacht steht, schwerwiegende und dauerhafte Nebenwirkungen zu haben.

Aus diesem Grund kommt Ciprofloxacin seit 2011 bei harmloseren Blasenentzündungen eher nicht mehr zum Einsatz. Mediziner verschreiben dagegen die älteren Antibiotika Nitrofurantoin und Fosfomycin, die 1953 und 1971 zugelassen wurden.

Weniger strenge Zulassungsverfahren

"Der Einsatz dieser alten Medikamente hat sich verfünffacht, ohne dass wir wissen, wie wirksam und wie sicher sie genau sind", wird Huttner in einer Mitteilung der Uni Genf und der HUG vom Montag zitiert. Laut der Forscherin waren die Beurteilungs- und Zulassungsverfahren damals noch nicht so streng wie heute.

Die zurzeit am häufigsten bei Blasenentzündung verschriebene Substanz ist Fosfomycin, wohl auch, weil ein Einzeldosis-Sachet genügt. Nitrofurantoin-Tabletten hingegen müssen während fünf Tagen dreimal täglich eingenommen werden.

Fosfomycin wenig wirksam

Die Forscher der Uni Genf und der HUG untersuchten die Wirkung der beiden Medikamente in einer Studie mit 513 Frauen aus Genf, Tel Aviv (Israel) und Lodz (Polen), die an Blasenentzündung litten. Diese erhielten nach Zufallsprinzip entweder eine Therapie mit Fosfomycin oder Nitrofurantoin verschrieben.

Es zeigte sich, dass 70 Prozent der Patientinnen, die Nitrofurantoin eingenommen hatten, nach der Behandlung symptomfrei waren. Bei 74 Prozent waren die Bakterien aus dem Urin verschwunden. Die Frauen mit einer Fosfomycin-Therapie waren nur zu 58 Prozent symptomfrei und nur bei 63 Prozent wurden die Bakterien eliminiert.

"Wenn man bedenkt, dass eine Frau eine Chance von 33 Prozent hat, von einer Blasenentzündung zu genesen, ohne Antibiotika einzunehmen, zeigen die Resultate, dass Fosfomycin wenig Wirkung entfaltet", so Huttner. Über ihre Befunde berichteten die Forschenden im Fachjournal "Jama".

Deutlich besser wirksam

Da die Wirkung von Nitrofurantoin hingegen vergleichbar mit anderen Antibiotika ist, sehen die Forscher es als geeigneten Ersatz für moderne Präparate an, zumal das Risiko von Nebenwirkungen (Durchfall, Kopfschmerzen und Bauchkrämpfe) bei den beiden untersuchten Präparaten sowie dem modernen Ciprofloxacin ähnlich ausfällt.

Die Wissenschaftler bestreiten nicht per se die Rückkehr zu älteren Antibiotika als Strategie gegen die Resistenzen. Aber sie fordern, die Wirksamkeit der Medikamente zu überprüfen, damit nur solche verschrieben werden, die auch tatsächlich helfen und auf die jeweilige Infektion zugeschnitten sind. Denn auch wenn Fosfomycin nicht die optimale Behandlung bei Blasenentzündung darstellt, könnte es bei anderen Infekten durchaus wirksam sein. (Red)

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