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Heldin oder Kriminelle – so tickt Carola Rackete

Eine humanitäre Heldin oder eine kriminelle Schlepperin – wer ist Carola Rackete, Kapitänin des Rettungsschiffes "Sea Watch 3"?

Heute Redaktion
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Hüftlange Dreadlocks, selbstbewusster Blick: Seit Carola Rackete sich entschlossen hat, trotz Verbot ihr Seenotrettungsschiff "Sea-Watch 3" mit 40 Flüchtlingen an Bord in den Hafen der italienischen Insel Lampedusa zu steuern, geht das Bild der 31-Jährigen im schlichten Tanktop um die Welt.

Rackete engagiert sich seit drei Jahren für den deutschen Rettungsverein „Sea Watch". "Sie fährt für uns als Kapitänin seit 2016 und ist eine der erfahrensten, die wir haben", sagt der Pressesprecher der Hilfsorganisation, Ruben Neugebauer. "Carola ist nicht kamerascheu - aber auf keinen Fall eine Selbstdarstellerin. Wir sind sehr stolz auf unsere Kapitänin, wir stehen als Organisation geschlossen hinter ihr."

Viel Erfahrung als Seefahrerin

Die "Sea-Watch"-Kapitänin hat nach Angaben ihres Vaters Ekkehart Rackete bereits viel Erfahrung als Seefahrerin. Sie habe direkt nach der Matura begonnen Nautik zu studieren, sagt der gelernte Elektro-Ingenieur. "Meine Tochter ist zielstrebig und analytisch. Ich hätte sie sehr gern als Offizier in meiner Raketenforschungsabteilung bei der Bundeswehr gehabt", so der Oberstleutnant der Bundeswehr a.D..

Sie wohnt bei ihren Eltern

Rackete wurde im schleswig-holsteinischen Preetz geboren und machte 2007 am Gymnasium in der niedersächsischen Stadt Celle ihre Matura. Das Nautik-Studium an der Jade Hochschule bei Oldenburg schloss sie mit dem Bachelor ab. Zuletzt studierte sie in Liverpool und schaffte dort ihren Master-Abschluss. Sie wohnt bei ihren Eltern in Hambühren bei Celle.

Forschungsfahrten im Polarkreis

Die unverheiratete Kapitänin, die vier Sprachen spricht, hat nach Angaben des Vaters vor und während ihres Studiums als Offizierin auf mehreren Schiffen gearbeitet, unter anderem auf Kreuzfahrtschiffen, Schiffen von "Greenpeace" und Schiffen des britischen Polarforschungsprogramms "British Antarctic Survey". Meistens sei sie jedoch mit den Forschungsschiffen "Polarstern" und "Meteor" des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven unterwegs gewesen. Sie habe bereits auf der Chinesischen Mauer gezeltet und sei durch mehrere Länder in Südamerika getrampt, erzählte ihr Vater. "Sie hat das, was sie für richtig hält, immer sehr konsequent verfolgt."

Heldin oder Schlepperin?

In Deutschland wird Rackete als humanitäre Heldin gefeiert und zu einem modernen weiblichen Robin Hood stilisiert, die gegen dunkle Mächte furchtlos Menschenleben rettet. Prominente sammeln Spenden, Medien werfen sich für sie ins Zeug, vom Außenminister, dem SPD-Politiker Heiko Maas, bis zum Entwicklungshilfeminister Gerd Müller von der CSU - die Politik zeigt sich entrüstet und springt ihr bei.

In Italien zeigt sich ein ganz anderes Bild. Dort wird die deutsche Kapitänin als moralisch eitle Schlepperin und aktivistische Gesetzesbrecherin betrachtet. In der vergangenen Woche sprachen sich in einer Meinungsumfrage nur 33 Prozent für die Aufnahme der "Sea-Watch 3"-Flüchtlinge aus, 61 Prozent waren dagegen. Unter den Wählern der größten Partei, Salvinis rechtspopulistischer Lega, erreicht dieser Wert sogar 93 Prozent. Die "Sea Watch 3" hätte die Geretteten problemlos nach Libyen oder Tunesien bringen können oder aber direkt nach Spanien und Frankreich, glauben viele Italiener.

Das droht Rackete

Am 28. Juni leitete die italienische Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren ein. Der Kapitänin drohen wegen Verstoßes gegen die Sperrung des Hafens von Lampedusa und das Einlaufen in italienische Hoheitsgewässer bis zu 50.000 € Geldstrafe sowie wegen „Gewaltanwendung gegen ein Kriegsschiff" drei bis zehn Jahre. Dazu kommen bis zu zwölf Jahre Haft wegen versuchten Schiffbruchs. Rackete hatte beim Einlaufen ein Boot der Zollbehörden berührt.

Ihre Rechtfertigung

Rackete rechtfertigte ihre Entscheidung, das Anlegen in Lampedusa zu erzwingen, mit der verzweifelten Lage an Bord und der Sorge, dass Migranten über Bord in den Tod springen könnten. (GP)