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Dieser IS-Kämpfer war ein dänischer Geheimagent

Ein Däne wird in Spanien wegen seiner Syrienreisen und Kontakten zu jihadistischen Gruppen verurteilt. Nur war vieles nicht so, wie es schien.

Heute Redaktion
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Ahmed Samsam (30), ein Däne mit syrischen Wurzeln, reiste ab 2012 mehrfach nach Syrien zum "Islamischen Staat" (IS). Im Sommer 2019 wurde er in Spanien zu acht Jahren Haft verurteilt. Schon bei seiner Festnahme war der 30-Jährige erstaunlich ruhig geblieben. "Er erwartete, in wenigen Tagen wieder frei zu sein", sagte sein Vater der dänischen Zeitung "Berlinske".

Da täuschte er sich: Er sitzt in Spanien weiter hinter Gittern. Seine anfängliche Zuversicht war dennoch nicht übertrieben. Immerhin hatte er zwischen 2012 und 2015 als Agent für zwei dänische Geheimdienste gearbeitet und war in deren Auftrag immer wieder nach Syrien gereist. Dass diese Dienste ihn dann aber fallen lassen würden, damit rechnete Ahmed Samsam nicht.

"Sie sicherten mir zu, mich niemals zu belangen"

Samsam war 2012 auf eigene Initiative nach Syrien gereist und hatte sich für einige Monate der jihadistischen Gruppierung Kata'ib al-Iman angeschlossen, um gegen den syrischen Machthaber Bashar al-Assad zu kämpfen.

Bei seiner Rückkehr – die Syrienreise war laut dänischem Gesetz nicht strafbar – traten der dänische Inlandsnachrichtendienst PET und der dänische Auslands- und Militärnachrichtendienst FE an ihn heran. Er sollte in Syrien Informationen über dänische Jihad-Reisende sammeln. Der 30-Jährige stimmte zu. "Ich wollte helfen, einen terroristischen Anschlag in Dänemark zu verhindern", sagte er der Zeitung "Berlinske" im spanischen Gefängnis. "Sowohl PET als auch FE sicherten mir zu, dass man mich wegen meiner Tätigkeit und Reisen nach Syrien niemals belangen würde."

Taktische Ausbildung, High-End-Schutzausrüstung, Geld

Im Winter 2012 absolvierte Samsam eine taktische Ausbildung beim dänischen Militärgeheimdienst. Zudem wurde er mit einer High-End-Schutzausrüstung ausgestattet und mit monatlichen Zahlungen unterstützt. Davon kaufte er sich unter anderem einen 4x4-Pick-up-Truck, Schutzwesten, Medikamente, Ferngläser sowie einen voll ausgerüsteten Wohnwagen.

Diese Anschaffungen überließ er später einer jihadistischen Kampfmiliz – eine von Dänemark finanzierte "Eintrittskarte", die ihm den Zugang in die inneren Kreise solcher Gruppen erleichtern sollte.

Ab Oktober 2015 als Agent "liquidiert"

Von Februar 2013 bis im Oktober 2015 pendelte er zwischen Syrien und Dänemark hin und her. Als er aber direkte Kontakte innerhalb des IS knüpfen sollte, weigerte sich Samsam. Das habe schließlich zu seiner "Liquidation" geführt, seine Arbeit als FE-Agent wurde eingestellt.

Samsam ließ sich ab 2015 in Spanien nieder und erschien bald auf dem Radar der Polizei. Diese befürchtete, der Mann, der so oft nach Syrien gereist war, plane einen Anschlag. Als man auf Samsams Telefon dann auch Fotos und Videos aus Syrien fand und die früheren, anonym getätigen Geldtransfers von Dänemark nach Syrien entdeckte, stellte man ihn vor Gericht.

Der Däne wartete vergeblich darauf, dass ihn die dänischen Geheimdienste raushauen würden. Seinen Beteuerungen, er habe als dänischer Agent gearbeitet und was nun gegen ihn verwendet werde, sei tatsächlich Teil seiner Tarnung gewesen, glaubte man nicht. Samsam wurde wegen Mitgliedschaft und Unterstützung einer terroristischen Organisation zu acht Jahren verurteilt.

"Mein Klient hat kein faires Verfahren erhalten"

"Das Gericht, das über den Fall entschied, war von den wichtigsten Informationen abgeschnitten: dass mein Klient ein Agent für PET und FE war und er in ihrem Auftrag immer nach Syrien ging", sagt heute Samsams Anwalt, nachdem die Zeitung "Berlinske" die Hintergründe zu dem Fall ans Licht gebracht hatte. "Da beide Dienste diese Schlüsselinformationen nicht zur Verfügung stellten, hat mein Klient kein faires Verfahren erhalten."

In Dänemark gehen seither die Wogen hoch. Das Parlament ist über das weitere Vorgehen gespalten. Die Sozialdemokraten fordern, dass die Geheimdienste zu Samsam und ihrer Verantwortung stehen müssen und dass der Mann aus dem spanischen Gefängnis geholt werden müsse.

Der PET und der FE haben sich nicht zum Fall geäußert.