Wirtschaft

Digitalisierung treibt die Innovation voran

Heute Redaktion
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von Wolfgang Beigl - Auf dem Weg in die Top-Liga mit schnellem 5G-Ausbau und digitalen Marktplätzen: Gemeinsam mit der Digitalisierungsministerin geben 11 Top-Manager im neuesten "Heute"-Gipfelgespräch Antworten auf die digitalen Trends.

Ob neueste Mobilfunkgeneration, Smart Living oder Behördenwege digital mit eGovernment erledigen, die Digitalisierung betrifft uns alle. In manchen Bereichen ist Österreich Musterschüler, jedoch gibt es noch genug Aufholbedarf, um Klassenbester zu werden, wie die heimische Wirtschaftselite im Talk mit "Heute"-Chefredakteur Christian Nusser konstatiert.

Heute: Man hört über Österreichs Digitalisierungsstrategie verschiedene Dinge, manchmal sind wir spitze, manchmal Schlusslicht und manchmal Durchschnitt. Frau Ministerin, wie sieht es denn aus Ihrer Sicht aus?

Margarete Schramböck (Ministerin für Wirtschaft und Digitalisierung): Das eine ist der Wirtschaftsstand

ort, da geht es gut und der Wirtschaftsmotor ist noch stark. Allerdings gibt es erste weltwirtschaftliche Signale, dass wir hier achtsam sein müssen. Das trifft auch die Digitalisierung. Wir müssen vom Mittelfeld weg, hin in die Top Liga, so wie viele österreichische Unternehmen Hidden Champions sind. Wir sind das bessere Deutschland, weil wir in verschiedensten Themenbereichen wirklich voran sind, wie bei der mobilen Infrastruktur als auch bei digitalen Kompetenzen und e-Government. Die wichtigsten Themen für mich sind Infrastrukturausbau, digitale Kompetenzen und die KMU mitzunehmen in der digitalen Transformation.

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"Heute"-Gipfelgespräche

"Heute" stellt eine neue Ausgabe der Veranstaltungsreihe "Gipfelgespräche" vor, in der die Top-Experten des Landes zu Wort kommen. Im 57. Stock des Mélia Vienna im DC Tower, dem höchsten Gebäude Österreichs, diskutieren die wichtigsten Branchenvertreter in regelmäßigen Abständen die Topthemen, Zukunftschancen und Trends, um sie mit Ihnen, den "Heute"-Leserinnen und Lesern, zu teilen.

Digitale Kompetenzen stärken (v.l.n.r.): Damian Izdebski (Techbold), Reinhold Gütebier (Kika/Leiner), Walter Oblin (Post), Christian Diewald (Bombardier), Thomas Pöchheim (MediaMarkt/Saturn), Dorothee Ritz (Microsoft), Christian Pettauer (Westbahn), Margarete Schramböck (Digitalisierungsministerin), Jan Trionow (Hutchison Drei), Franz Pichler Spusu), Marcus Frantz (ÖBB), Thomas Arnolder (Telekom Austria).

Viele große Online-Händler suchen das stationäre Ladengeschäft

Thomas Arnoldner (Telekom Austria): Was wir sehen ist, dass wir in bestimmten Bereichen hinterherhinken, etwa in der Annahme, also der Nutzung von neuen Services. Das ist ein wichtiger Auftrag, dass wir diese neuen Dienstleistungen auch stärker propagieren. Es ist ganz wichtig, dass wir die Technologieaffinität quer durch die Bevölkerung erhöhen.

Neue Dienstleistungen stärker propagieren

Heute: Bei den mobilen Netzen ist Österreich seit vielen Jahren ganz vorne dabei, der Netzaufbau passiert in Deutschland schneller. Bekommen wir da ein Problem?

Jan Trionow (Hutchison Drei): Das Problem im Wettbewerb um das beste Mobilfunknetz kommt nicht aus Deutschland. Da gibt es dort noch so viel aufzuholen, dass wir uns mit anderen messen sollten. Österreich ist nicht so schlecht unterwegs, etwa als Vizeweltmeister, was die Nutzung pro Sim-Karte beim Datenvolumen betrifft. 4G ist landesweit verfügbar, wir müssen jetzt die nächsten Schritte in die Zukunft machen und über das Thema 5G intensiv reden, und anfangen zu implementieren. Wir befinden uns da auch in einem guten Dialog mit der Politik, weil klar ist, der 5G-Ausbau ist extrem teuer und wir brauchen geänderte Rahmenbedingungen, damit wir als gesamte Branche diese wirtschaftlichen Herausforderungen stemmen können.

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Roundtable mit der Ministerin: Die wichtigsten Branchenprofis redeten Klartext über den Status der Digitalisierung in Österreich. (Foto: Helmut Graf)

Heute: Herr Gütebier, wie erleben Sie Österreich im Vergleich zu Ihrer Heimat Deutschland die Digitalisierung betreffend?

Reinhold Gütebier (Kika/Leiner): Die Möbelbranche hat ja die Digitalisierung, insbesondere das Thema E-Commerce, völlig verschlafen. Da wurde zu einem frühen Zeitpunkt immer gesagt, der Kelch wird an uns vorübergehen, weil der Kunde wird sich doch in eine Polstergarnitur hineinsetzen wollen. Insofern sind wir weit, weit hinterher. Ich bin erst kurz hier, jedoch ist die Bereitschaft bei den Mitarbeitern zu diesem Thema da und es ist viel unkomplizierter hier. Das habe ich in dem Maße in Deutschland in der Möbelbranche nicht erlebt.

60 Prozent der Betriebe sind ohne Digitalstrategie

Thomas Pöchheim (MediaMarktSaturn): Wir haben ja auch lange geglaubt, dass irgend jemand den Stecker finden kann, um das Internet abzustecken. Das ist dann doch nicht eingetreten und wir waren dann vorne mit dabei als Pilot-Land. Mittlerweile dreht es sich und viel große Onliner suchen das stationäre LadenGeschäft. Wir haben vom Start weg auf das Multi-ChannelGeschäft gesetzt und sind damit sehr erfolgreich.

Heute: Frau Ritz, Sie haben beim Forum in Alpbach gesagt, 60 Prozent der Unternehmen haben keine Digitalstrategie. Was ist denn eine Digitalstrategie?

Dorothee Ritz (Microsoft): Das kann den Einsatz im ECommerce bedeuten mit Webseiten für Bestellungen aber auch wie kann ich meine Firma flexibler gestalten, damit ich besser arbeiten kann. Oder wie kann ich meine Fertigungsbereiche so gestalten, dass ich weiß, wann eine Fertigungsmaschine ausfällt und diese entsprechend vorher warten. Weil es wahnsinnig viel kostet, wenn etwas ungeplant ausfällt. Erfolgreich sind Unternehmen, kleine wie große, wenn die Geschäftsleitung sehr klar ist darinnen, was möchte ich in den

nächsten 3 Jahren oder länger mit der Digitalisierung erreichen. Das sollte auf 1 Blatt Papier passen und haben interessanterweise die wenigsten.

Technologischer Wandel der Wertschöpfungsketten

Marcus Frantz (ÖBB): Wir haben seit Ende letzten Jahres eine formal für den ganzen Konzern genehmigte digitale Geschäftsstrategie. Wir reden dabei auch von dem technologischen und kulturellen Wandel unserer Wertschöpfungsketten. Eben unsere Prozesse zu opti

mieren, die Verfügbarkeit der Züge zu erhöhen aber auch kundenbezogene Themen wie die integrierte Mobilität. Von unseren über 40.000 Mitarbeitern sind knapp unter 50 Prozent überhaupt digital angeschlossen. Wir sind gerade dabei, 100 Prozent ‚digital reach' bis Ende 2020 zu realisieren.

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Wünsche der Branche an die Ministerin werden ventiliert. (Foto: Helmut Graf)

Heute: Gibt es bei der Westbahn auch einen Strategieplan?

Christian Pettauer (Westbahn): Wir haben es leichter als die ÖBB, wir haben nicht so viel Vergangenheit. Wir haben 100 Prozent ‚digital reach', von Anfang an, da wir keine Verschieber haben. Wir haben diese Vormeldefunktion an die Werkstatt, sind die ersten 5 Jahre ohne Reserve gefahren und die Wartung hat in der Nacht stattgefunden. Wir haben beispielsweise keine Automaten, haben aber an Spitzentagen eine Quote von 45 Prozent, wo das Ticket digital gekauft wird. Auch der gesamte Verkaufsprozess am Zug war von Anfang an digital.

Heute: Bei der Post verändert sich das Geschäftsfeld, wie reagieren Sie darauf?

Walter Oblin (Post): Zum einen schrumpft unser Geschäftsfeld Brief mit jährlichen Rückgangsraten von 5 Prozent, dafür haben wir Rückenwind in Form des Paketgeschäfts, wo wir viel investieren. Außerdem haben wir mit einem elektronischen Marktplatz gestartet, wo wir den heimischen KMU eine Plattform gegen die großen Giganten bieten wollen. Die digitale Infrastruktur ist nicht der Engpass, sondern qualifizierte Mitarbeiter zu finden.

Leitbetriebe schaffen die digitale Transformation, Kleine hinken nach

Christian Diewald (Bombardier): Digitalisierung treibt Innovation. Die einzige Chance sich gegen den zunehmenden Wettbewerb zu behaupten, ist Innovation. Wir brauchen genau hier Lösungen, um uns von den anderen Herstellern, die in den Markt drängen, abzuheben. Wir haben heute schon Züge, die in der Werkstätte bekanntgeben, was das Problem ist. Das geht sogar soweit, dass sich der Zug ein eigenes Gleis in der Werkstätte anmietet. Es geht aber auch sehr viel in den Bereich Sicherheit, Zuverlässigkeit, autonomes Fahren. In der Fertigungshalle hat das Papier nur noch eine untergeordnete Rolle. Der Mitarbeiter bekommt genau die Pläne auf den Screen für die Teile, die er gerade bearbeitet.

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Auch der Handel stellt sich der digitalen Herausforderung (Foto: Helmut Graf)

Heute: Ist die Digitalisierung für Klein- und Mittelbetriebe eher Segen oder Last?

Damian Izdebski (Techbold): Ich hätte mir das vor 3 Jahren nicht vorstellen können, aber 2 Drittel der KMU haben kein Daten-Back up oder die Hälfte gar keine Fire Wall und ein weiteres Viertel hat eine Fire Wall, die die Standardkonfiguration mit den Zugangsdaten des Herstellers hat. Ich glaube, die KMU betreiben ihre Infrastruktur ein bisschen nach dem Feuerwehrprinzip. Erst wenn es brennt, wird jemand geholt, der das Feuer löscht.

IT-Infrastruktur nach dem Feuerwehrprinzip

Schramböck: Nur 0,2 Prozent der österreichischen Unternehmen haben mehr als 250 Mitarbeiter. Die Leitbetriebe schaffen die Transformation, jedoch können sie dann nicht wachsen, wenn die KMU nicht mithalten können. Deshalb die Initiative ‚KMU Digital', die massiv ausgebaut werden wird. Diese hilft im operativen Geschäft und soll das Mindestmaß an digitaler Ausstattung sicherstellen. Der zweite Schwerpunkt ist die Digitalisierungsagentur, also die innovative Stelle, die zu den Marktthemen wie Blockchain helfen soll. Wie bekomme ich Zugang zu den Innovatoren und wer kann helfen, neue Pro

dukte und Lösungen auf den Markt zu bringen.

Heute: Herr Pichler, wie geht es Ihnen damit?

Franz Pichler (Spusu): Wir sind 2015 gestartet, zu dieser Zeit war klar, dass man online verkauft. Digitalisierung bedeutet in ganz einfachen Worten, das Papier wird weniger und wir alle werden schneller. In der digitalen Welt braucht es Infrastruktur und da hängen wir in Österreich stark hinten nach. 2000 waren wir Spitzenreiter in der EU, heute gehören wir zu den letzten drei, was den Ausbau des Netzes betrifft. Auch in der Ausbildung fehlt es noch sehr stark. Wir selbst beginnen im nächsten Jahr mit einer eigenen Akademie, wo man eine Bachelor-Ausbildung berufsbegleitend machen kann.

Heute: Wird man 2025 noch in einem Shop gehen können oder kaufen wir alles digital?

Pöchheim: Wir glauben an das Multi-Channel-Konzept, die Verschmelzung beider Welten. Wir haben unser Black Friday-Wochenende hinter uns und da war die Abholquote fast 70 Prozent. Was man nicht unterschätzen darf, unser bestes Bezahlmittel im Onlineshop ist das Bezahlen im Markt.

Schramböck: Was sich da widerspiegelt ist einer dieser Megatrends, die Individualisierung. Ich als Bürger oder Kunde möchte selber entscheiden, wie konsumiere ich den Service. Entweder ich nutze ein digitales Amt oder ich gehe auf ein Amt.

Gütebier: Mittlerweile wird die komplexe Warengruppe Küche per Internet bestellt, zum Teil selbst abgeholt. Deshalb glaube ich, es wird grenzenlos werden. Das Entscheidende, der Verbraucher wird auch weiterhin auf der Fläche sein, weil er sucht nicht nur das Schlafzimmer, er sucht die Inszenierung.

Arnoldner: Aus unserer Erfahrung ist das Thema Wahlmöglichkeit zwischen den unterschiedlichen Kanälen entscheidend. Gut 90 Prozent der Kunden, die in den Shop gehen, haben sich vorher online informiert.

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Österreichs Betriebe wollen sich im globalen Wettbewerb behaupten. (Foto: Helmut Graf)

Trionow: Digitalisierung heißt ja nicht, dass wir unser Leben nur noch vor dem Bildschirm verbringen werden, sondern dass die erfolgreichen Anbieter digitale Helfer lückenlos integrieren, um das Leben einfacher zu machen.

Wahlmöglichkeit zwischen den einzelnen Kanälen

Heute: Die führerlose Lok – ist das ein Thema 2025?

Frantz: 2025 wird autonomes Fahren auf den Hauptstrecken noch nicht gängig, das ist noch eine zu große emotionale Hürde in Bezug auf das Thema Sicherheitsempfinden des Reisenden. Interessant, denn im Flugverkehr haben wir damit überhaupt kein Problem. Wir werden es bei Rangiertätigkeiten haben und weniger Personal brauchen. Für uns ist das Thema Digitalisierung eine Möglichkeit, um möglichst wenig nachbesetzen zu müssen, weil wir die benötigten Personen und Fähigkeiten am Markt nicht finden werden.

Verfügbarkeit von 5G wird große Innovationswellen auslösen

Arnoldner: Man muss klar sagen, wir suchen viele Leute, die wir nicht finden. Wir müssen aufpassen, dass wir das Thema Ausbildung für digitale Kompetenz nicht delegieren an die ITLehrer, sondern dass wir die Freude an der Technologie stärker promoten.

Diewald: Wenn wir keine entsprechende Sichtweise über das Ganze haben, werden wir es nicht schaffen. Dann kommen die Nerds heraus, junge Männer zwischen 20 und 40, die im stillen Kämmerchen vor sich hin programmieren. Das heißt aber auch, dass die Künstliche Intelligenz, die hier herauskommt, genauso funktioniert.

Ritz: Die Kinder in einer 3. Klasse haben das Wiener Ring Referat anders gestaltet, in Gruppen die Gebäude aufgezeichnet und in Holz gebaut. Dann haben sie die in Minecraft nachgebaut und 3D gedruckt. Glauben Sie nicht, dass diese Kinder mehr über den Ring wissen als jedes andere Kind, das ein Ring-Referat hält? Es bedarf des Muts des Lehrers zu sagen, ich bin nicht der Pädagoge vorne, sondern dass ich von den Kindern lerne.

Ausbildung für digitale Kompetenz entscheidend

Izdebski: Wir suchen aktuell 10 Techniker, die ich nicht bekomme. Das kostet mir 30 Prozent Wachstum pro Jahr. Deshalb haben wir beschlossen, uns dem Thema Akquisition zu widmen und nach Unternehmen zu suchen, die wir uns leisten können zu übernehmen. Das ist ein Weg, wie wir überhaupt an Techniker kommen können. Das Thema Softwareentwicklung, Coding sehe ich im Schulbetrieb meiner Kinder nicht implementiert.

Frantz: Entstanden aus der Idee eines Lehrlings haben wir in Linz eine 3D-Druckstation, wo wir Ersatzteile für alte Triebfahrzeuge, die wir am Markt nicht mehr beziehen können, selber produzieren und einbauen können. Die Unternehmen müssen auch bereit sein, diese Ideen aufzugreifen.

Pichler: Wo wir schon Probleme haben, Leute zu finden, ist beim Programmieren. Ein Jugendlicher, der sich für Latein entscheidet, kann sich die Schule aussuchen. Für einen Jugendlichen, der richtig programmieren lernen möchte, gibt es in Österreich keine Ausbildung.

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Auf höchstem Niveau wird regelmäßig beim „Heute"-Gipfelgespräch diskutiert. (Foto: Helmut Graf)

Heute: Was bedeutet die Veränderung durch 5G für uns?

Trionow: Bei 5G geht es darum, unser gesamtes Leben mit dem Internet zu verbinden. 5G ist die Infrastruktur dafür, etwa bei Anwendungsfällen, die eine extrem kurze Reaktionszeit benötigen wie automatisiertes Fahren oder bei Herstellungsprozessen. Es geht darum, extrem hohe Datenraten zu übertragen und Virtual Reality zu ermöglichen. Hologramme werden irgendwann eine Rolle spielen und es geht darum, dass eine große Anzahl von Sensoren mit dem Internet verbunden werden können mit einem geringen Energieverbrauch und einer großen Verfügbarkeit, damit auch Prozesse, wo es um Leben und Tod gehen wird, über 5G funktionieren werden. Man erwartet, dass die Verfügbarkeit der 5G-Infrastruktur große Innovationswellen auslösen wird.

5G-Technologie ermöglicht andere Geschwindigkeiten

Oblin: Die Fantasie, wenn es wirklich eine Asset to Asset Kommunikation gibt und wir wissen, ob in den Briefkasten ein Brief eingeworfen wurde, ist die, dass es mit 5G ganz andere Geschwindigkeiten und Kostenbilder ermöglicht.

Heute: Danke für die sehr lebhafte und spannende Diskussion!

(ib)