Wirtschaft

Elektromobilität wird Branche verändern

Heute Redaktion
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In der obersten Etage des höchsten Gebäudes Österreichs debattieren wieder ausgewählte Top-Experten des Landes über Trends und Zukunftschancen. Brennendes Thema der neusten "Heute"-"Gipfelgespräche": Der Wandel in der Automobilbranche.

Sieben Branchenprofis, allesamt aus dem Bereich Automobil, steigende SUV-Verkaufszahlen, dazu mit Klimaschutz und Elektromobilität Themen, die vielen unter den Nägeln brennen. Die Fragen stellte "Heute"-Motor-Ressortleiter Jörg Michner.

Heute: Die Automobilbranche ist derzeit in einem gewissen Wandel. Viele reden von einer Mobilitätswende und die Hersteller setzen mehr und mehr auf Elektro. Wie groß ist da die Nachfrage wirklich?

Gernot Keusch (Auto Stahl): Meine Wahrnehmung ist, dass eben Elektrofahrzeuge ein Thema sind, aber da haben wir im Sommer erstmals einen Rückgang gehabt in der Zulassungsstatistik. Ich glaube, dass sich die politische Situation in Österreich und der Greta-Effekt auch irgendwann wieder

beruhigt, so dass sich der Kunde wieder traut, ein Fahrzeug zu kaufen. Natürlich gibt es eine Kaufzurückhaltung. Außerdem gab es letztes Jahr eine gewisse Überhitzung des Marktes.

Die "Heute"-Gipfelgespräche

"Heute" stellt eine neue Ausgabe der Veranstaltungsreihe "Gipfelgespräche", in der die Top-Experten des Landes zu Wort kommen. Im 57. Stock des Mélia Vienna im DC Tower, dem höchsten Gebäude Österreichs, diskutieren die wichtigsten Branchenvertreter in regelmäßigen Abständen die Topthemen, Zukunftschancen und Trends, um sie mit Ihnen, den "Heute"-Leserinnen und Lesern, zu teilen.

Henrik Starup-Hansen (Wiesenthal): Wir haben bis Mitte des Jahres Verbrenner verkauft, jetzt sind wir auf EQ umgestellt, also auf Elektroauto, und die Nachfrage ist schon weniger als mit Verbrenner. Reichweite, Ladestruktur und Preis sind die 3 Faktoren, die reinspielen. Deutschland ist beispielsweise ein großer Automarkt, da gab es bei Elektrofahrzeugen heuer eine Steigerung von 100 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Man darf nicht unterschätzen, dass die Hersteller viel Geld reinlegen. Also, Volkswagen erwartet einen Umsatz von 15 Prozent vom Gesamtvolumen in Zukunft.

Stefan Hutschinski (Verband öst. Kraftfahrzeugbetriebe): Der Weg ist ein sehr langer für die Elektromobilität. Das wird nur medial sehr angeheizt im Moment, aber es fehlen natürlich noch die notwendigen Produkte und die Infrastruktur. Und es fehlt, wie es so schön heißt auf Neudeutsch, ein Game Changer. Man braucht ein Auto, das halbwegs eine Reichweite und einen Preis hat, der auch entspricht. Es muss auch eine Familie mit 5 Personen transportiert werden können und zwischen 20.000 und 30.000 Euro kosten. Wenn das jemand schafft, diesen Game Changer, dann kann das schon sehr schnell gehen.

Aber wir dürfen nicht vergessen, dass der Produktzyklus ein sehr langer ist. Bei uns ist ein Auto im Schnitt 10 Jahre am Markt. Das dauert einfach, bis sich das umgewälzt hat. Also die mediale und politische Erwartung ist nicht real, um ehrlich zu sein. Da wäre eine Faktendiskussion wesentlich besser.

Renato Eggner (Raiffeisen Leasing): Die Nachfrage insgesamt nach Elektrofahrzeugen – also batterieelektrische Fahrzeuge, wenn wir es konkretisieren – ist derzeit bei 15 Prozent. Bei den Firmen ist der Anteil höher, also 18 Prozent der Firmenkunden fragen nach Elektrofahrzeugen, 5 Prozent der Konsumenten. Diesel ist nach wie vor die Hauptantriebsform bei Firmen mit über 60 Prozent.

Das heißt, man sieht, die Nachfrage ist schon da, sie ist niedrig, sie ist unterschiedlich zwischen Firmen und Konsumenten und was wir natürlich auch sehen, ist, dass diese sehr stark getrieben ist von interessanten Produkten. Also wenn da ein neues Produkt auf den Markt kommt, das sehr sehr interessant ist, vom technischen Konzept, von der Reichweite, vom Preis, dann hat das schon einen großen Hebel bei den niedrigen Zahlen.

Stephanie Ernst (Mazda Rainer): Wir haben eine gute Kundenschicht, die im Umkreis von Wien lebt, die haben eigene Car Ports, die können sie laden, die wollen dabei sein, die wollen bei den First-Movern dabei sein. Mitten im 22. Bezirk, weiß ich jetzt nicht, ob das die perfekte Kundenschicht ist.

Heute: Eine neue Chance - wie ist die Stimmung im Fahrzeughandel?

Burkhard W.R. Ernst (Gremialobmann Fahrzeughandel): Elektromobilität wird in der Branche kritisch gesehen. Der Privatmarkt hat so gut wie kein Interesse an diesen Fahrzeugen, weil es teuer ist und die Reichweiten zu gering sind. Das heißt, kaufen tun diese Fahrzeuge Kommunen und sehr große Firmen, die das natürlich brauchen, um das Image aufzubügeln. Ich habe zum Beispiel letzte Woche einen Vortrag gehört, welche Maßnahmen notwendig sind, um als Werkstätte ein Elektroauto reparieren zu können. Also, es weiß jeder, dass man einen Starkstromtechniker benötigt, wenn man Reifen wechseln will. Es ist einfach notwendig, dass man diese großen Handschuhe tragen muss, um sich nicht zu elektrisieren. Oder wenn zum Beispiel die Rettung bei Unfällen erst dann einen Verletzten aus den Autos holt, wenn die Feuerwehr da war und das Auto freigegeben hat. Und dass ein solches Auto nicht löschbar ist, das wissen wir. Das wird in einem Tauchbecken untergebracht und bleibt dann über eine Woche drinnen. Das sind 17.000 Liter, die damit kontaminiert sind mit schwefeliger Säure. Wenn das Batteriethema nicht wäre, ist die Elektromobilität großartig. Nur, hier wartet man, aus meiner Sicht, auf eine noch durchschlagende Erfindung, ohne Gefahr zu laufen, letztendlich, sagen wir mal, schwer verletzt zu werden.

Heute: Elektromotoren, Elektrofahrzeuge, da entfällt sehr viel bei der Wartung. Herr Matic, wie sehen Sie die Zukunft?

Ossi Matic (Lucky Car): Karrosserie- und Lackreparaturen werden auch bei E-Autos von Bedarf sein. Riesengefahren durch Batterien, aber Gefahren gibt es beim Benziner auch, Wir haben einige Hochvolt-ausgebildete Mitarbeiter und wenn der Mitarbeiter nicht da ist, der diese Ausbildung hat, macht es ein anderer? Wer trägt dann die Verantwortung – der Geschäftsführer?

B. Ernst: Wir betrachten das nur aus der technischen Sicht. Aus der humanistischen Sicht ist das definitiv nicht so einfach lösbar. Und wer trägt da die Verantwortung? Das Thema lässt sich natürlich auf selbstfahrende Autos fortsetzen. Da springt zwischen zwei Autos ein Kind heraus. Jetzt muss das Auto entscheiden, bremse ich, fahr ich in den Gegenverkehr oder fahre ich in den Graben daneben? Wer trifft diese Entscheidung? Der Programmierer, der das seinerzeit programmiert hat?

S. Ernst: Das Elektroauto wird nicht der Todesstein sein, für die Automobilbranche.

Matic: Man wird in Zukunft auch den klassischen Autohändler nicht brauchen, wenn man Amazon & Co beobachtet, wo ich zum Beispiel auf meiner Sitzgarnitur meine Bestellungen aufgebe, weil es einfach einfach ist.

Hutschinski: Da muss ich schon widersprechen. Ich bestelle mir ein Handy, ein Auto ist aber kein Handy. Es gibt immer Produkte, wo ich persönliche Ansprechpartner brauche. Ich kaufe auch viel übers Internet, aber ich würde nie Dinge in diesen Price-Ranges, die mir so wichtig sind, einfach nur so per Mausklick kaufen.

Starup: Ich teile diese Meinung, es ist schwer vorzustellen, dass ein Kunde jedes dritte oder vierte Jahr nicht Zeit hat, 2 Stunden in den Autohandel zu gehen, um ein Auto für 80.000 Euro zu kaufen. Er muss das Ding probieren, er muss einen Kontakt haben.

Matic: Ich hoffe trotzdem, dass wir uns das nicht schön reden. Wenn man Tesla anschaut, da kannst du die Farbe auswählen, die Felgen und das Leder.

B. Ernst: Ich habe kürzlich von OGM eine Studie mit 1.000 Befragten machen lassen, mit der Kernfrage, wollen die Leute weiterhin im Autogeschäft ihr Auto kaufen. Und da kam – für mich teilweise auch überraschend – heraus, dass 70 Prozent das tun wollen. Die wollen jemanden vis a vis sitzen haben und ein Gespräch führen. Und natürlich, was ein nicht unwesentlicher Punkt ist, weil man dann auch über den Preis reden kann. Bei Amazon kann ich wen anschreiben, ich will das billiger haben, der wird darauf nicht reagieren.

S. Ernst: Heute gibt es Auslieferungszentren, um dieses Erlebnis so perfekt zu machen, wie es nur irgendwie geht. Da hat

der Kunde sein volles Erlebnis, hat mit dem Händler dann aber überhaupt nichts mehr zu tun. Also da glaub ich schon, dass das eine große Konkurrenz für uns sein wird, dass er online bestellt, vielleicht ein kleines Auto. Das wird zum Auslieferungszentrum 10 km außerhalb von Wien geliefert. Der Kunde bestellt seine Familie zum Termin dorthin, dann gibt es Fotos und Mittagessen und dann fährt er mit Video und Social Media-Verlinkung wieder raus. Das glaube ich schon, ist eine große Konkurrenz für uns, da liegt es aber an jedem Händler selbst, das jetzt schon bei sich zu tun.

Eggner: Wir brauchen uns nichts mehr vormachen, der Zug Richtung Elektromobilität ist abgefahren. Der fährt und ist

letztendlich nicht mehr zu stoppen. Es ist so viel an politischen Entscheidungen schon passiert, das ist ja nicht nur in Österreich so. Konventionelle Antriebe mit CO2-Emissionen werden immer teurer werden, Elektrofahrzeuge oder CO2-freie Fahrzeuge werden halt entsprechend gefördert. Und dasselbe ist auf europäischer Ebene. Da kommt ein Druck auf die Hersteller, die werden keine konventionellen Fahrzeuge mehr liefern.

S. Ernst: Ich glaube, dass der Konsument jetzt noch nicht bereit ist, zu 100 Prozent auf Elektro umzusteigen. Und dann wird der Gebrauchtwagenmarkt wieder in die Höhe schnellen und die anderen Antriebe mehr gekauft werden.

Hutschinski: Da geht's darum, dass die Hersteller ab nächsten Jahr über ihre ganze Palette diese 95% CO2 erreichen müssen im Schnitt. Wenn nicht, kommen hohe Strafzahlungen Das ist ein großes Thema, das unsere Branche verändern wird, weil das nicht viele Marken und Hersteller schaffen werden.

Eggner: Das ist natürlich auch das Image. Wenn man jetzt Kindern mit einem konventionellen Fahrzeug kommt, oder mit einem Elektrofahrzeug, brauchen wir nicht 2 Mal fragen, was cool ist.

Matic: Wo bleibt die Emotion? Wir reden also, dass das ein Erlebnis für den Kunden sein soll. Ich bin Harley-Fahrer, ich will das hören. Aber wenn das einmal auf Elektro ist, will ich das nicht mehr. Da ist die Emotion für mich weg.

Starup: Aber früher waren Pferde vielleicht auch ein größeres Erlebnis als mit dem Auto zu fahren. Jetzt ist es Elektro.

Heute: Jeder will einen SUV – wie passt Emotion mit Elektromobilität zusammen?

B. Ernst: Kunden haben das Recht, sich das auszusuchen und kaufen zu dürfen, was ihnen gefällt – solange das im legalen Bereich ist. Wenn jemand einen SUV fahren will, dann soll er ihn fahren.

Eggner: Wenn man sich die gesuchten Elektroautos ansieht, dann haben die meist eine SUV Form. Es gibt ja die gleichen Fahrzeuge auch mit Elektroantrieb.

S. Ernst: Ein SUV verleiht Sicherheit und erst im zweiten Schritt wird an die Umwelt gedacht. Dass der SUV als Klimasünder in allen Zeitungen steht, tut ihm auch nicht ganz recht. Da gibt es vielleicht auch Markenunterschiede. Zuerst steht immer der eigenen Mensch und das eigene Sicherheitsbedürfnis und dann erst alles weitere. Daher werden auch SUV weiter gekauft werden.

Keusch: Wir merken schon den Trend zur Ökologisierung. Da geht's in Wahrheit immer um eines: Was kostet es mich und ich möchte Steuer sparen. Das ist der einzige Treiber.

Starup: Wir haben noch nie so viele große und SUV-Fahrzeuge verkauft wie jetzt. Das spricht eigentlich total gegen den Trend.

Hutschinski: Dieses Auto-Bashing, das wir schon die letzten 10 Jahre erleben, kommt überhaupt nicht beim Kunden an. Wenn man das Mikrofon ins Auto hält, dann kann man 30 Mal interviewen und man hat 29 Mal die Meinung, ich brauche das Auto, ich mache das trotzdem mit dem Diesel. Also es kommt überhaupt nicht an bei den Menschen. Von Politik und Medien wird etwas befeuert, was überhaupt nicht Realität ist. Da wäre eine faktenbasierte Diskussion wesentlich hilfreicher, denn wer sind wirklich die CO2-Sünder? Nur 3,5 Prozent CO2 weltweit werden von den Menschen produziert, davon 5 Prozent vom PKW. Kauft man ein modernes Auto, hat man eine moderne Technik. Ein 20 Jahre altes Auto hat natürlich einen anderen Ausstoß als ein modernes.

B. Ernst: Wir kämpfen als Standesvertretung schon seit Jahren für eine Wiederholung der ÖKO-Prämie. Wir haben in Österreich 650.000 Fahrzeuge auf der Straße, die älter als 15 Jahre sind und ein Abgasverhalten von 1 zu 35 haben. Das heißt, ein Auto stößt so viele Schadstoffe aus wie 35 neue Autos. Diese Autos gehören von der Straße. Der Konsument oder die Konsumentin sollte wieder 1.500 Euro bei Kauf eines neuen Autos als Prämie bekommen und das alte Auto in den Hochofen geht. Wir wollen nicht, dass die irgendwo anders auf der Welt herumfahren. Damals war es so, 750 Euro kamen von der Fahrzeugwirtschaft und 750 von der Republik Österreich. Am Ende wurden 145 Millionen an NOVA und Umsatzsteuer eingenommen und 22,5 wurden ausgegeben für die Prämie. Also ein Wahnsinnsgeschäft für die Republik! Letztendlich brauchen wir dafür auch Politiker, die den Mut haben, das durchzusetzen, weil das einen enormen Umwelteffekt bringt.

Heute: Verkaufen sich gebrauchte Elektroautos?

B. Ernst: Das sind wirtschaftliche Totalschäden.

Eggner: Die Leasing-Fahrzeuge haben eine durchschnittliche Vertragsdauer von 4 Jahren. Wenn ich nach 4 Jahren ein Elektroauto zu verkaufen habe, habe ich damit überhaupt kein Problem. Da ist die Nachfrage genauso groß wie nach konventionellen Fahrzeugen. Was entscheidend ist, ist die Garantiedauer für Batterie und Antriebsstrang. Wenn ich darauf nur eine Dauer von 5 oder 6 Jahren habe, dann habe ich natürlich ein Riesenthema.

Keusch: Unserer Erfahrung nach ist es ein Gebrauchtwagenfahrzeug wie jedes andere.

Eggner: Man muss ja auch sehen, eine Batterie ist nie komplett kaputt. Einzelne Zellen zu tauschen ist arbeitsintensiv und braucht hochspezialisierte Leute, ist aber nicht gleich ein wirtschaftlicher Totalschaden.

Keusch: Umweltfreundlich ist ein Elektroauto nicht, das ist Augenauswischerei.

Heute: Vielen Dank für das Gespräch!