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Entlarvendes Telefonat belastet Kapitän schwer

Heute Redaktion
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Immer unglaublichere Details zur Flucht des Kapitäns der "Costa Concordia" werden jetzt bekannt. Drei Tage nach der Schiffskatastrophe der "Costa Concordia" wurde nun die Blackbox des Kreuzfahrtschiffes ausgewertet. Mitgeschnittene Telefonate belasten den Kapitän der Toskana-Titanic schwer. Obwohl Hafenmitarbeiter ihm sagten, er solle zurück auf sein Schiff gehen, blieb der Mann der Rettungsaktion fern.

Immer unglaublichere Details zur Flucht des Kapitäns der "Costa Concordia" werden jetzt bekannt. Drei Tage nach der Schiffskatastrophe der "Costa Concordia" wurde nun die Blackbox des Kreuzfahrtschiffes ausgewertet. Mitgeschnittene Telefonate belasten den Kapitän der Toskana-Titanic schwer (s. Punkt 7). Obwohl Hafenmitarbeiter ihm nach dem vorzeitigen Verlassen des Unglücksschiffes aufforderten, er solle zurück auf sein Schiff gehen, blieb der Mann der Rettungsaktion fern.

Der 52-Jährige aus der süditalienischen Meeresstadt Sorrento an der Amalfiküste, der von seinen Kollegen als "egozentrisch und schwierig" bezeichnet wird, dürfte sich gleich in mehreren Punkten schuldig gemacht haben. Schettino verhielt sich, als würde er "nicht einen Luxusdampfer, sondern einen Ferrari fahren", berichtete ein Kollege:

1. Fehlender Abstand, zu schnell

Schettino ließ die "Costa Concordia" nur 150 Meter von der Küste entfernt (statt vorgeschriebener 3 Kilometer!) vorbeifahren, das Schiff war mit 15 Knoten zudem viel zu schnell. Laut Experten wählte er die falsche Route, weil er den Eltern eines Crew-Mitglieds (und den Passagieren) mit einer "Parade" (nahes Heranfahren, Signalhörner) imponieren wollte.
2. Falsches Manöver

Der Kapitän soll auch nach dem Kentern des Schiffes die "Costa Concordia" weiter Richtung Küste gelenkt haben - ein falsches Manöver, wie sich später herausstellte. Denn wäre er im tieferen Gewässer verblieben, wäre der Rettungseinsatz leichter gewesen.

3. Kein Notruf, Lügen

Nach der Katastrophe setzte der Kommandant keinen Notruf ab. Eine Passagierin alarmierte per Handy schließlich ihre Tochter. Als das Schiff kontaktiert wurde, erklärte Schettino, an Bord sei "alles in Ordnung", man habe "lediglich eine Panne"!

4. Falsche Befehle, falsche Infos

Zuerst forderte der Kapitän ein Schiff zum Abschleppen an ("Als ob man mit einer Ameise einen Elefanten ziehen wollte!"), erst nach langen 20 Minuten ließ er evakuieren. Dem Hafenamt erzählte er, es seien nur noch 200 bis 300 Menschen an Bord, während es in Wirklichkeit an die 4.000 waren.

5. Chaos bei Evakuierung

Eine Wiener Reisebegleiterin klagt an: Die Reisenden seien zunächst zurück in die Kabinen geschickt worden. Dadurch sei eine „kolossale Panik“ entstanden. Außerdem habe es bei mindestens 60 Nationen an Bord Sprachschwierigkeiten gegeben.
6. Fehlerhafte Passagierliste

Die restliche Mannschaft dürfte sich am mutmaßlich fahrlässigen Kapitän ein Beispiel genommen haben. Die Passagierlisten wurden nicht sorgfältig genug geführt, weshalb man erst am Montag bemerkte, dass weit mehr Leute als befürchtet abgängig sind. Deshalb .

7. Lügengeschichten

Lüge 1: Um 01.42 Uhr sagte der Kapitän in einem Telefonat mit der Hafenmeisterei: "Wir können nicht mehr an Bord des Schiffes gehen, weil es zur Heckseite kippt." Der Offizier völlig überrascht: "Kommandant, haben Sie das Schiff verlassen?" Der Kapitän darauf: "Nein, nein, natürlich nicht!"

Lüge 2: Ein Hafen-Offizier rief Kapitän Schettino um 1.46 Uhr auf dem Handy an und forderte vom Kapitän: "Jetzt begeben Sie sich zum Bug, Sie klettern die Rettungsleiter hoch und leiten die Evakuierung!" Und weiter: "Sie müssen uns sagen, wie viele Leute da noch sind, Kinder, Frauen, Passagiere, die genauen Zahlen in jeder Kategorie!"

"Was machen Sie? Geben Sie die Rettung auf?", wollte der immer ungehaltenere Offizier wissen. "Nein, nein, ich bin da, ich koordiniere die Rettung", antwortete Schettino, der von den Zeugen allerdings . Der Offizier sagte, es gebe "bereits Leichen". "Wie viele?", fragte Schettino zurück. Der Offizier darauf: "Das müssen doch Sie mir sagen! Was machen Sie? - Jetzt kehren Sie nach da oben zurück und sagen Sie uns, was wir machen können!"

8. Meuterei an Bord

Der Kapitän habe nach dem Zusammstoß ständig telefoniert und seinem Team keine Befehle erteilt. Ratlosigkeit und Verzweiflung habe sich breit gemacht. Italienische Medien berichten gar von einer Meuterei gegen den Kapitän.

Schließlich hätte sich die Mannschaft selbstständig dazu entschieden, das Schiff zu evakuieren und Hilfe zu leisten. Andere Mitarbeiter ergriffen einfach die Flucht.

9. Rettungsboote knallvoll

Eine Wiener Begleiterin klagt an: , teilweise seien die Passagiere auch in der Mitte gestanden. Zum Schluss bin ich selbst schon gut fünf Zentimeter im Wasser gestanden. Das Schiff war bereits so in Schräglage, dass sich alle gegenseitig gehalten haben, um nicht über Bord zu gehen", schilderte die Österreicherin. "Ich war eine der letzten, die das Deck verlassen haben."

10. Il Capitano flüchtet!

Er ging als einer der Ersten von Bord, düste im Taxi ("Bringen Sie mich weit weg!") davon. «Ich kann Sie zu mir bringen», antwortet der Taxler. Kurz darauf sitzt Schettino zu Hause beim Taxifahrer und lässt sich Kaffee servieren.

Die Hafenkommandatur ruft ihn an. Mehrfach. «Ich bin nicht dort, und ich komme auch nicht dorthin zurück», sagt Schettino. Zu diesem Zeitpunkt waren noch Hunderte Menschen an Bord des Kreuzfahrtschiffs. Um fünf Uhr morgens ruft er seine Mutter Rosa (80) an. «Keine Sorge, Mamma», sagt er ihr, «es ist ein Unglück passiert, aber ich habe alles getan, damit die Passagiere gerettet werden.» Stunden später wird er verhaftet.

Alle Infos zum Schiffsunglück vor Italien:

Kapitän und Offizier in Haft

Kapitän Schettino und sein Erster Offizier wurden  , während die Einsatzkräfte noch immer nach Überlebenden auf der "Costa Concordia" suchen.

7 Todesopfer, 28 noch vermisst

Doch die Chance noch jemanden zu retten schwinden zusehends. Am Mittwoch ist laut Presseberichten ein weiteres Todesopfer geborgen worden. Damit sind bei der Schiffskatastrophe vor der Küste der Toskana bereits sieben Menschen gestorben. , darunter zehn Deutsche.

APA/Red.