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Er lebte mitten unter Bären – jetzt ist er tot

Heute Redaktion
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Der kanadische Bärenforscher Charlie Russell starb am 7. Mai 2018 in Calgary im Alter von 76 Jahren aufgrund von Komplikationen nach einer Operation.
Der kanadische Bärenforscher Charlie Russell starb am 7. Mai 2018 in Calgary im Alter von 76 Jahren aufgrund von Komplikationen nach einer Operation.
Bild: gofundme.com/Maureen Enns Studio Ltd

Der Kanadier Charlie Russell war der Meinung, dass die Menschen Bären missverstehen – was nicht allen gefiel. Jetzt ist der "beste Freund der Bären" 76-jährig gestorben.

Charlie Russell erforschte das Leben der Bären, indem er Monate unter ihnen verbrachte. Der kanadische Naturforscher vertrat die Ansicht, der Mensch solle neben den Tieren und nicht in Angst vor ihnen leben.

Der «Bären bester Freund», so nannte ihn seine Familie, starb am 7. Mai in Calgary im Spital aufgrund von Komplikationen nach einer Operation, wie sein Bruder Gordon mitteilte. Charlie Russell wurde 76 Jahre alt.

"Völlig missverstanden"

Russell hielt das Bild, das viele Menschen – darunter auch Forscherkollegen – von Bären haben, für falsch. "Ich glaube, es ist ein intelligentes, soziales Tier, das völlig missverstanden wird", sagte er in einer Dokumentation über seine Arbeit.

Um dies zu beweisen, verbrachten er und seine damalige Partnerin, die Fotografin und Künstlerin Maureen Enns, über ein Jahrzehnt lang jedes Jahr mehrere Monate mitten unter Bären in einer abgelegenen Region im Osten Russlands. Über ihre Erfahrungen schrieben sie mehrere Bücher, über die beiden sind zahlreiche Dokumentationen und Artikel erschienen.

Kritik von Kollegen, Konflikt mit Wilderern

Russells Auffassung vom Leben unter Bären war in seinen Kreisen allerdings auch umstritten. Einige Naturforscher kritisierten, seine Aussagen könnte Menschen dazu verleiten, sich zu unbedarft unter wilden Tieren zu bewegen. "Er lehrt Menschen, wie man zerfleischt wird", lautete etwa ein Vorwurf.

In Russland, wo er und Enn immer wieder über Monate lebten, wurde Russell auch mit kriminellen Machenschaften konfrontiert, erlebte etwa korrupte, in Bären-Wilderei verwickelte Politiker, wie die "New York Times" schreibt.

Brutales Ende der Forschungsarbeit

Das Experiment des Paars endete jäh im Sommer 2003, als sie für die neue Saison auf die Halbinsel Kamtschatka, seit 1996 Unesco-Weltnaturerbe, zurückkehrten. Fast alle Bären, die sie bis dahin kennen gelernt hatten, waren verschwunden - vermutlich gewildert.

Wie als Warnung war eine Bärengallenblase an die Wand ihrer Holzhütte genagelt worden. Wilderer begehren diese, denn in manchen Ländern gilt sie als Aphrodisiakum und allgemeines Heilmittel und kann teuer verkauft werden.

"Die Bären wurden getötet, damit wir nach Hause gehen", sagte Russell damals. "Es ist ein brutales Ende unserer Forschungsarbeit." Nach dem schmerzhaften Erlebnis machte er sich auch Vorwürfe, die Bären Vertrauen zu Menschen gelehrt zu haben.

"Bahnbrechende Arbeit"

Nichtsdestotrotz vertrat er seine Ansichten weiterhin öffentlich und beeinflusste damit den Umgang mit Bären in Regionen, in denen der Mensch auf sie trifft. "Seine Arbeit mit Bären war bahnbrechend", zitiert die "Times" Kevin Van Tighem, einen einstigen Aufseher des Banff-Nationalparks in Kanada. Russell habe die Bären als seine Lehrer und nicht als wissenschaftliche Objekte betrachtet.

Die Liebe zur Natur und zu den Bären wurde ihm schon früh vermittelt. Sein Vater Andy, ein Farmer und bekannter Naturschützer, nahm seine Söhne auf weite Streifzüge mit, um Bären zu beobachten und zu filmen. "Das war ein großes Abenteuer für mich", sagte Russell einst darüber.

Sie seien irgendwann zum Schluss gekommen, dass die Bären spürten, dass sie keine Bedrohung für sie darstellten, sagte Russell – wenn man keine Waffe bei sich trage. Die Passion für Bären und das Bedürfnis, mehr über sie zu erfahren, indem er mit ihnen lebte, beherrschte fortan sein Leben. (kko)