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Darum macht Dauerstress am Arbeitsplatz dick

Immer öfter verzichten Angestellte auf ihre Essenspausen, um den Anforderungen gerecht zu werden. Eine Rechnung, die nicht immer aufgeht.

Heute Redaktion
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Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass die meisten Mitarbeiter in den Krankenhäusern im Laufe der Zeit immer mehr zunehmen. Krankenschwestern, Rettungssanitäter und Ärzte sehen sich einem immer größer werdenden Druck ausgesetzt. Auf immer mehr Patienten kommt immer weniger Personal. Der psychologische Druck am Arbeitsplatz wird immer größer und der physische Anteil der Arbeit wird oft unterschätzt.

Beispielsweise ist der Kalorienbedarf eines Rettungssanitäters weit über dem eines Büroarbeiters, doch die Möglichkeit, sich zu verpflegen, ist kaum vorhanden. Krankenschwestern legen oft mehr als 20 000 Schritte pro Tag zurück, doch Pausen sind Luxus.

Neue Krankenhäuser werden oft so eingerichtet, dass Verpflegungsmöglichkeiten für das Personal immer schlechter werden. So wurde kürzlich im Bernischen ein Krankenhaus komplett neu umgebaut. Der Pausenraum der Krankenschwestern wurde neu mit Glasscheiben ausgestattet. Die Krankenhausleitung wollte darauf nicht mehr, dass in diesem Raum gegessen wird, die Patienten sollen nicht sehen, wie das Personal sich verpflegt, so die neue Direktive. Die Umkleidekabinen, wo Zwischenmahlzeiten gelagert werden können, sind aber relativ weit entfernt, sodass etwas Sinnvolles zwischendurch immer mehr wegfällt.

Im Durchschnitt sollte eine Krankenschwester sollte pro Tag circa 2500 bis 3000 Kilokalorien zu sich nehmen. Das entspricht rund fünf bis sechs Mahlzeiten in der Kantine! Wenn sie dies nicht über den Tag verteilt isst, sind Lust auf Süßes, Salziges oder Hungerattacken vor allem am Abend stetiger Begleiter. Der Körper regeneriert immer schlechter, baut immer mehr in der Leistung ab.

Schlafstörung, innere Unruhe

Das Resultat ist immer mehr Energielosigkeit, häufig auch Schlafstörungen und innere Unruhe. Dazu kommt, dass sich das Hungergefühl im Verhältnis zum Stoffwechsel verschiebt. Mehr Hunger steht also immer weniger Verbrauch gegenüber. Klar, nimmt man dann zu. Gesundheitsbewusstsein in den Gesundheitsberufen ist oft Fehlanzeige.

Wer schlecht verpflegt ist, hat weniger mentale Energie. Wer aber weniger konzentriert am Arbeitsplatz ist, der macht mehr Fehler. Und dies sollte eine Krankenhausleitung sehr wohl kümmern. Doch hier ist es wie in allen Bereichen der "modernen Berufswelt". Die Zahlen müssen stimmen, ab und zu ein Fehler ist tolerierbar und der Patient dann ein Kollateralschaden.

Solange genügend wenige Mitarbeiter viel zu viele Patienten betreuen und der Cashflow stimmt, ist alles im schwarzen Bereich, zumindest für die Krankenhausleitung. Das Gesundheitssystem verkommt immer mehr zum Krankheitssystem und die Mitarbeiter müssen es ausbaden.

Aber was kann nun ein Mitarbeiter tun? Leider oft recht wenig. Wer viel Energie verbraucht, muss diese zuführen. Drei Mahlzeiten sind bei einem hohen Gesamtverbrauch kaum umsetzbar, weil die Mahlzeiten schlicht zu groß wären. Darum ist es wichtig, kleine Zwischenmahlzeiten zu essen. Doch diese sind oft verboten aus Gründen der Hygiene.

Umdenken ist nötig

Wenn wir nochmals einen Vergleich hinzuziehen: Es wäre das Gleiche, wie wenn ich einem Autofahrer das Tanken verbieten würde, der jeden Tag von Zürich nach Hamburg fährt. Die Hände dürfen ja nicht schmutzig werden. So muss er einfach das Auto stoßen, was mir egal ist, Hauptsache, er kommt an. Wenn er es einmal nicht mehr schaffen sollte, gibt es ja noch andere Autofahrer.

Es wäre ein Umdenken in den Krankenhäusern nötig, die Mitarbeiter sollten als wichtiges Gut anerkannt werden und Prävention ein Teil ihres Alltags sein. Doch in der Diskussion um immer weniger Ausgaben im Gesundheitswesen bleibt der Mitarbeiter auf der Strecke, und das hat für mich Symbolcharakter. Wer rettet, der fettet, ist nur ein Ausdruck dieser Ohnmacht. (seh)