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"Nach dem Enthauptungs-Video habe ich geheult"

Facebook hat die Türen zum Löschzentrum in Berlin geöffnet. Die Mitarbeiter berichten von ihrem Alltag: Kinderpornos, Mord und Tierquälerei.

Heute Redaktion
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Rund 30 Leute, von Jung bis Alt, manche tätowiert, sitzen in einem Büro in Berlin und starren auf ihre Bildschirme. Sie arbeiten für Facebook und löschen Tag für Tag unerwünschte Inhalte auf dem sozialen Netzwerk. Für eine Gruppe deutscher Journalisten hat der Konzern nun erstmals die Türen zur Löschzentrale geöffnet.

Die Arbeit ist nichts für Leute mit schwachen Nerven: "Ich kann mich noch an mein erstes Enthauptungsvideo erinnern. Nachdem ich das gesehen habe, bin ich raus und habe erst mal geheult", erzählt eine Mitarbeiterin in der "FAZ". Mittlerweile, so die 28-Jährige, habe sie sich so daran gewöhnt, dass es nicht mehr so schlimm sei.

Mord? "Ja"

Insgesamt 650 Menschen arbeiten in dem Büro in Berlin, das von der Firma Arvato im Auftrag von Facebook betrieben wird. Im Mehrschichtbetrieb sichten sie Inhalte und löschen solche, die strafbar sind oder gegen die Regeln von Facebook verstoßen.

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Womit sie schon alles konfrontiert wurden, wollte der "Spiegel" wissen. Kinderpornografie? "Ja". Tierquälerei? "Ja". Tötungen? "Ja, alles", sagt ein 25-jähriger Mann. Den Mitarbeitern stehen auf Wunsch Psychologen zur Verfügung. Der Mann erzählt: Diese Inhalte hätten ihn persönlich nie gestört. Er habe zwar mal kurz beim Psychologen vorbeigeschaut, habe aber nicht das Bedürfnis gehabt, darüber zu sprechen. Der 25-Jährige leitet das türkischsprachige Team. Als Teamleiter erhalte er immer wieder neue Definitionen, wer gerade als "Terrorist" zu löschen sei, erzählt er.

Mehrwöchiges Training

Direkt bei Facebook Alarm schlagen müssen die Mitarbeiter der externen Firma, wenn aus einem Beitrag hervorgeht, dass jemand sich selbst oder anderen Schaden zufügen will. So seien durch das folgende Eingreifen der Polizei schon Suizide verhindert worden, schreibt die "FAZ".

Die Arbeit verändere einen, erklärt eine andere Frau. Man werde sensibler. Leute würden sich grausame Sachen antun. "Ich hatte schon vorher nicht so viel Glauben in die Menschheit und jetzt so gut wie gar keinen mehr." Alle Mitarbeiter betonen beim Besuch, dass sie stolz sind auf ihre Arbeit. "Ich halte es für richtig und wichtig, was wir machen. Was wir hier sehen, muss jemand anderes nicht mehr sehen", sagt eine Mitarbeiterin gegenüber Tagesschau.de.

Neue Mitarbeiter werden mehrere Wochen lang auf ihre Arbeit geschult, erklärt der Facebook-Manager Walter Hafner gegenüber der "FAZ". Zuerst eine Woche intensiv, dann je nach Ressort ein weiteres, mehrwöchiges Training. Bevor jemand in einen Bereich wechsle, schaue er erst bei anderen über die Schulter. Den Prozess nennt Facebook Shadowing, auf Deutsch beschatten.

Löschzentrum in der Kritik

Im letzten Dezember geriet das Berliner Büro in die Schlagzeilen. Im "Süddeutschen Magazin" klagten ehemalige Mitarbeiter über die belastende Arbeit und darüber, dass sie sich in ihrem Job nicht ausreichend unterstützt fühlten. Sie erzählten von Stress und Überlastung.

Und heute? Als ein Journalist des "Spiegels" das Thema bei der Besichtigung anspricht, lässt der Arvato-Manager nur ein "Uff!" verlauten. Intern seien die Beschwerden kein Thema gewesen, so ein Pressesprecher. Und der Manager ergänzt: Man habe jetzt auch Yogakurse und einen "Feelgood-Manager". (red)