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Flüchtlinge: "Wir lassen sie einfach ertrinken"

Heute Redaktion
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Italien will mit Ende Oktober seinen als "Mare Nostrum" bekannten Einsatz zur Rettung von in Seenot geratenen Flüchtlingen im Mittelmeer beenden. Übernehmen soll die bisher rein für den Grenzschutz zuständige EU-Agentur Frontex. Für diese Entscheidung hagelte es bei einer Tagung in Wien heftige Kritik an den EU-Innenministern.

Italien will mit Ende Oktober seinen als "Mare Nostrum" bekannten Einsatz zur Rettung von in Seenot geratenen Flüchtlingen im Mittelmeer beenden. Übernehmen soll die bisher rein für den Grenzschutz zuständige EU-Agentur Frontex. Für diese Entscheidung hagelte es bei einer Tagung in Wien heftige Kritik an den EU-Innenministern.

Zweifel gab es vor allem daran, ob eine Polizeieinheit, die bisher vordergründig dafür zuständig war, die europäischen Außengrenzen vor illegalen Einwanderern zu schützen, für deren Rettung geeignet ist. "Frontex hatte in ihrer ganzen Genese nie die Aufgabe, Menschen zu retten", monierte etwa der Journalist und Aktivist Elias Bierdel.

Einsatz ist Italien zu teuer

Die italienische Regierung hatte "Mare Nostrum" im vergangenen Herbst als Reaktion auf die Flüchtlingskatastrophe von Lampedusa gestartet, die Hunderte Menschen das Leben kostete. Allein seit September wurden 144.000 Menschen gerettet. Der Einsatz kostet jeden Monat zwischen sechs und neun Millionen Euro.

"Wir lassen sie sterben"

Mit dem Frontex-Nachfolgeprogramm "Triton" wird der überwachte Bereich deutlich zurückgehen. "Dadurch werden auch weniger Menschen gerettet", so Bierdel. "Jahrelang haben wir einfach weggeschaut, wenn sie ertrunken sind. Dann hat man beschlossen die Menschen vor dem Ertrinken zu retten und die Flüchtlinge haben sich darauf eingestellt. Wenn wir sie jetzt wieder sterben lassen, ist das moralisch noch viel schwerwiegender als der Umstand, dass wir anfangs weggeschaut haben."

EU-weite Lösung nötig

Einig waren sich die Teilnehmer der Konferenz "'Schleppen', schleusen, helfen - Flucht zwischen Rettung und Ausbeutung" auch, dass es eine europäische Vergemeinschaftung der Flüchtlingsproblematik braucht. Bisher sieht die Dublin-Regelung vor, dass jenes Land für die Betreuung und das Asylverfahren zuständig ist, in dem die Migranten erstmals europäischen Boden betreten haben. Dadurch sind vor allem Staaten an der EU-Außengrenze überfordert. "Das ist ein absurdes System", so die Völkerrechtlerin Fabiane Baxewanos von der Universität Wien.

Sinn habe solch eine Vergemeinschaftung nur dann, wenn nicht die EU-Kommission, sondern das Europäische Parlament dafür zuständig sei, so der Regisseur Fabian Eder, der unter anderem eine Dokumentation über Lampedusa und das ebenfalls häufig von Flüchtlingen angesteuerte Malta drehte. "Die Flüchtlingsfrage muss weg von den Nationalstaaten".

Quote ist problematisch

Diese diskutierten zuletzt über einen auch von ÖVP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner unterstützen Vorschlag, Flüchtlinge aus Nordafrika entsprechend der Einwohnerzahlen in den EU-Mitgliedsstaaten aufzunehmen (Stichwort: ). Das würde aber wenig nützen: Die Flüchtlinge würden nicht bleiben, wo man sie hinschicke, sondern dorthin weiterwandern, wo sie sich die besten Arbeits- und Lebensbedingungen erhoffen.