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Flüchtlingskinder fallen reihenweise ins Koma

Immer wieder fallen in Schweden Flüchtlingskinder in einen komaähnlichen Zustand nachdem sie erfahren haben, dass sie abgeschoben werden sollen.

Heute Redaktion
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Seit Jahren sorgt eine mysteriöse Krankheit in Schweden für Aufsehen: Immer fallen dort die Kinder von geflüchteten Familien in eine merkwürdige Starre, die an ein tiefes Koma erinnert.

Sie sind "vollkommen passiv, unbeweglich, zeigen keine Anzeichen von Muskelspannung, leben zurückgezogen, sind stumm, unfähig zu essen und zu trinken, inkontinent und reagieren nicht auf physische Reize oder Schmerz", zitiert "The New Yorker" Göran Bodegård, Leiter der kinderpsychiatrischen Abteilung am Karolinska-Universitätsspital.

Todesangst

Erstmals aufgetreten ist das von den Medizinern Uppgivenhetssyndrom – Resignations-Syndrom – genannte Phänomen Anfang der 2000er-Jahre: Damals hätten plötzlich immer mehr Eltern mit ihren apathischen Kindern die Notaufnahme aufgesucht, erinnert sich Bodegård. Dies immer, nachdem die Familien erfahren hatten, dass sie in ihr Herkunftsland abgeschoben werden sollten.

Die gesunden Erwachsenen waren jeweils überzeugt davon, dass ihr Nachwuchs sterben würde. Woran, hätten sie nicht sagen können. Die Vermutungen reichten von Cholera bis hin zu einer unbekannten Seuche. Doch die Diagnose war eine andere.

Viele Betroffene, wenig Wissen

Allein zwischen 2003 und 2005 erkrankten laut einer Studie mehr als 400 Kinder am Resignations-Syndrom, wie das Leiden seit 2014 genannt wird. Ein Großteil der Betroffenen war da zwischen acht und fünfzehn Jahren alt.

Das Leiden ist nach wie vor mysteriös: Zum einen sind nur Fälle in Schweden bekannt, zum anderen betrifft es offenbar nur bestimmte Flüchtlingskinder: Fast alle Kinder stammen aus Kosovo, aus Serbien, Aserbaidschan, Kasachstan oder Kirgistan. Bei einigen handelt es sich um Roma oder Uiguren.

Keine Hoffnung, kein Lebenswille

Forscher vermuten dabei einen Zusammenhang zwischen der Krankheit und den kulturellen Hintergründen der Betroffenen: Jede Kultur besitze ein Art Symptom-Repertoire, wie Edward Shorter von der Universität von Toronto im "The New Yorker" sagt. Dabei handle es sich um "eine Auswahl physischer Symptome, die dem Unterbewusstsein zur Verfügung stehen, um psychologischen Konflikten physisch Ausdruck zu verleihen."

Dennoch sind die genauen Ursachen für das Syndrom weiterhin unklar. Viele Experten gehen allerdings davon aus, dass die Flüchtlingskinder nach so dramatischen Erlebnissen wie Vertreibung und Flucht ohne Hoffnung einfach nicht mehr weiterleben könnten.

Nachdem sie mit ihren Familien in einem sicheren Land wie Schweden Zuflucht gefunden hätten, sei es für die Kinder unvorstellbar, in ihre unsichere Heimat zurückzukehren. Deshalb fielen sie zum Schutz in einen komaähnlichen Zustand. (csc)