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Ein "Wunder-Teenager" ist Frankreichs Ass im Finale

Vor dem Showdown gegen Kroatien bringt Frankreich alles mit, was einen Weltmeister ausmacht. Der größte Trumpf hört auf den Namen Kylian Mbappe.

Heute Redaktion
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Die Bilder sind unvergessen. Die Aufnahmen vom 12. Juli 1998, als hunderttausende Menschen auf der Champs-Elysées in Paris und Millionen im ganzen Land den ersten WM-Titel Frankreichs feierten. 3:0 hatte der Gastgeber dank zweier Kopfballtreffer von Zinédine Zidane im Finale Brasilien besiegt!

Noch heute sind die Spieler jener Generation in der französischen Öffentlichkeit omnipräsent; als Prominente, als Trainer, als Experten. Seit Jahren kommentieren viele der Weltmeister die Geschehnisse rund um die "Equipe tricolore" und fällen ihre Urteile, oftmals auch kritisch.

Ab der K.o.-Phase wie ausgewechselt

Auch in den ersten Wochen in Russland hatten sie und die Medien nicht mit Kritik gespart, war Frankreich doch wenig überzeugend ins Turnier gestartet. Didier Deschamps, der Captain von 1998, war auf der Suche nach seiner Stammformation noch nicht fündig geworden, das Offensivspiel holperte. Beim 2:1 gegen Australien halfen die Torlinientechnik, ein Eigentor und der Video-Assistent, gegen Peru reichte ein mageres Tor und gegen Dänemark folgte eine enntäuschende Nullnummer.

Mit dem Beginn der K.o.-Runde hat sich das Blatt aber gewendet, die Kritik ist verstummt. Nach dem Spektakel gegen Argentinien und den souveränen Auftritten gegen Uruguay und Belgien stehen "Les Bleus" verdient im Finale, in dem sie am Sonntag im Luschniki-Stadion in Moskau (17 Uhr, "Heute" tickert live) als Favorit antreten werden.

Deschamps schweigt

Deschamps vermeidet den Vergleich der Generationen, über den Triumph von 1998 spricht er in diesen Tagen nicht gerne. Er habe seinen Spielern nie davon erzählt – nie. "Sie kennen aber die Geschichte und sie haben die Bilder gesehen, auch wenn einige noch nicht einmal geboren waren."

Klar sei er stolz auf das, was damals geschehen sei. Wichtig sei aber einzig und allein, was heute ist. "Wir sind da, um eine neue Geschichte zu schreiben, und zwar die bestmögliche."

Genialer Mbappe

Die Mannschaft ist vor allem in der Offensive talentierter als jene vor 20 Jahren – und jünger. Sieben der elf Spieler, die gegen Belgien in der Startaufstellung standen, sind nicht älter als 25 Jahre alt, allein ein Blick auf die in Russland abwesenden französischen Spieler zeigt: Das Potenzial scheint nahezu unermesslich. Und der Jüngste ist bereits jetzt der Beste: Kylian Mbappé. Beim Triumph 1998 war er noch nicht einmal geboren.

Im Halbfinale gegen Belgien deutete der 19-Jährige an, warum er als zukünftiger Weltfußballer gehandelt wird und warum die Zeitung "L'Equipe" den Marktwert des Stürmers von Paris Saint-Germain auf 400 Millionen Euro beziffert. In der 56. Minute sorgte er mit seinem No-Look-Pass mit der Sohle auf Olivier Giroud für ein Raunen im Publikum.

Es war die Szene des Spiels, womöglich diejenige des Turniers, und wird in jeder Highlight-Show Eingang finden. Sein immenses Potenzial hatte Mbappe bereits nach wenigen Sekunden angedeutet, als er mit Dynamik und Leichtigkeit am rechten Flügel an Jan Vertonghen vorbeizog. Später bereitete der zweitteuerste Transfer der Geschichte (180 Millionen Euro) mehrere Chancen herrlich vor.

Vorkämpfer Pogba

Während Mbappe zauberte, verrichteten andere die Drecksarbeit. Mittelstürmer Giroud, der im Abschluss oft ungelenk wirkt, oder Paul Pogba. An ihm scheiden sich die Geister. Sein extravagantes Auftreten neben dem Platz spaltet die Nation, seine Leistungen auf dem Platz boten Anlass zur Kritik. Gegen Belgien bewies der 25-Jährige von Manchester United, dass er für diese Mannschaft auf dem Feld unverzichtbar ist.

Er grätschte, er kämpfte, er köpfelte den Ball mit Wucht aus der Gefahrenzone. Mit seiner physischen Präsenz sorgte er dafür, dass sich die belgische Offensive nie richtig entfalten konnte. Nach zuvor 14 Treffern in fünf Spielen würgten er und seine Nebenleute den belgischen Motor ab.

2018 soll es endlich klappen

Nun wartet auf Pogba und Co. am Sonntag das Finale, das dritte für Frankreich nach 1998 und 2006. Sie hätten sich die Chance erarbeitet, Weltmeister zu werden, sagte Deschamps. "Aber noch sind wir es nicht." Die Ereignisse vor zwei Jahren bei der Heim-EM sind Warnung genug. Nach dem Sieg im Halbfinale gegen Weltmeister Deutschland wurde Frankreich seiner Favoritenrolle im Finale gegen Portugal nicht gerecht und verlor nach Verlängerung.

(sda)

(20 Minuten)