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Frankreich steht den sechsten Tag in Folge still

Wegen Streiks und Protesten gegen die geplante Pensionsreform fahren der Großteils der Öffis nicht. Züge und Flüge sind ebenfalls betroffen.

Heute Redaktion
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Gähnende Leere am Pariser Ostbahnhof
Gähnende Leere am Pariser Ostbahnhof
Bild: Reuters

Streiks gehören in Frankreich eigentlich zur Tagesordnung, werden böse Zungen behaupten. Doch so massiv wie dieses Mal ist selbst für dortige Verhältnisse ungewöhnlich. Bereits den sechsten Tag in Folge stehen im Ganzen Land große Teile des Nahverkehrs und des Fernverkehrs still. Am Dienstag kommt es außerdem zu einem Protestmarsch der Gewerkschaften in Paris um Druck auf Premierminister Edouard Philippe auszuüben, bevor er am Mittwoch Details der geplanten Pensionsreform vorstellt.

In Paris werden bis Freitag zehn U-Bahn-Linien komplett geschlossen bleiben. Auch der Betrieb anderer Öffis ist stark beeinträchtigt, weil die gesamte Nahverkehrsgesellschaft RATP vom Streik der Gewerkschaft UNSA betroffen ist. Pendler stiegen auf Autos, Motorräder und E-Roller um und verursachten so gegen 8 Uhr 400 Kilometer Stau in und um Paris – immerhin 200 Kilometer weniger als noch am Montag.

UNSA schloss nicht aus, dass man auch am Wochenende und kommende Woche weiter streiken wird. Andere Gewerkschaften planen ihre Proteste hingegen bis einschließlich Donnerstag.

Die Staatsbahn SNCF berichtet, dass auch der Regionalverkehr nur extrem eingeschränkt funktioniere und selbst 80 Prozent der Hochgeschwindigkeitszüge TGV entfallen. Auch Reisen von und ins Ausland sind betroffen.

Sogar die zivile Luftfahrtbehörde Frankreichs hat die Airlines aufgefordert, rund 20 Prozent der Flüge zu streichen. Die staatliche Air France annullierte ein Viertel der Inlandsflüge und sogar zehn Prozent der Mittelstreckenflüge.

Komplexe und teure Pensionssysteme

Der Grund für die nun fast eine Woche anhaltenden Streiks und Proteste ist die von der Regierung geplante Pensionsreform. Präsident Emmanuel Macron hat zwar bereits versprochen, das Pensionsantrittsalter von 62 Jahren nicht zu erhöhen, allerdings sollen die 42 (!) unterschiedlichen, branchenspezifischen Systeme zu einem einzigen vereinheitlicht werden.

Mit ähnlichen Plänen war die Regierung aber bereits 1995 gescheitert, als Mitarbeiter des öffentlichen Diensts das Land rund einen Monat lang lahmlegten. Die Reformpläne wurden zurückgenommen, und die nächste Wahl 1997 verloren.

Es kommt nämlich nicht nur zu Streiks bei Verkehrsbetrieben sondern auch etwa an Schulen, Krankenhäuserm, der Müllabfuhr, oder der Feuerwehr. Sogar die Konzerte an den Paris Opernhäuser entfallen – die Angestellten haben nämlich auch ein eigenes Pensionssystem.

Die jeweiligen Systeme verschaffen den Mitarbeitern besondere Vorteile, die sie natürlich nicht aufgeben wollen. Im Schnitt gehen Franzosen mit 60 Jahren in Pension – drei Jahre früher als im Rest Europas. Der Staat gibt jährlich 14 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Pensionen aus; in Europa ist diese Zahl nur in Italien und Griechenland höher.

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