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Frau geht zur Polizei, weil Schwiegermutter bettelt

Eine Schweizer Pensionistin pumpt ihren Sohn und dessen Frau ständig um Geld an. Solche Fälle enden nicht selten vor dem Friedensrichter.

Heute Redaktion
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B. C.* (25) will gemeinsam mit ihrem Mann ihre Schwiegermutter wegen Belästigung und Beschimpfung bei der Kantonspolizei Schwyz anzeigen. Sie informierten sich bereits auf dem Polizeiposten. Das junge Ehepaar will noch einen Schritt weitergehen: "Wir hoffen, über einen Anwalt ein Kontaktaufnahmeverbot erwirken zu können", sagt B.C.

Sie schildert die Situation folgendermaßen: "Meine Schwiegermutter pumpt meinen Mann regelmäßig um Geld an." Dabei gehe die IV-Bezügerin so weit, dass sie ihren Sohn und sie selbst unter Druck setze, beschimpfe und in der Öffentlichkeit verleumde, weil diese nicht weiter für sie aufkommen wollen.

"Hotel-Urlaub drei- bis viermal pro Jahr"

Bevor sie vor Kurzem Eltern wurden, habe ihr Mann seine Mutter regelmäßig unterstützt, so B. C. Und dies, obwohl nicht sie, sondern das Sozialamt zuständig wäre, wenn die Schwiegermutter mit der Pension nicht mehr durchkomme. "Nun können wir uns das aber nicht mehr leisten."

Hinzu kommt, dass die Schwiegermutter laut Darstellung von B. C. in einer großen Wohnung lebt und "drei- bis viermal pro Jahr Hotel-Urlaub in der Türkei machen will". "Ich denke, sie käme mit der Rente durch, wenn sie sparsamer leben würde", meint B. C. Mitleid hat das Paar nicht. Seit Jahren melde sich die Schwiegermutter nur, wenn sie finanzielle Unterstützung brauche, so B.C.

Tante habe 4.000 Franken nicht zurückbezahlt

Auch Ö. H.* wurde von einem Familienmitglied um Geld gebeten. "Ich hatte gerade meine ersten vollen Monatslöhne nach der KV-Lehre erhalten, als mich meine Tante um 4.000 Franken (umgerechnet 3.670 Euro) bat", sagt der 26-Jährige. Seine Tante habe sich damit nach dem Umzug neue Möbel kaufen wollen. "Sie hatte kürzlich den Job verloren und ihr Mann war krankgeschrieben. In der Familie hilft man sich."

Geschmerzt habe ihn der Betrag nicht, so H. "Ich verdiente mehr als in der Lehre und wohnte noch zu Hause. Daher konnte ich gut etwas auf die Seite legen." Die Tante habe ihm versprochen, den Betrag in absehbarer Zeit zurückzuerstatten – bis heute jedoch warte er auf das Geld. "Meine Tante fand, dass sie mir den Betrag nicht mehr zurückzuzahlen brauche, weil meine Mutter bei ihr Schulden habe. Aber dafür kann ich doch nichts."

Vater schuldete Kindern mehrere 10.000 Franken

Finanzielle Konflikte in Familien beschäftigen auch die Friedensrichter. Ein Vater etwa habe seine Spielsucht aus der Kasse seiner Frau und der erwachsenen Kinder finanziert, sagt Stefan Brunner, Präsident des Schweizerischen Verbands der Friedensrichter und Vermittler. "Bei seiner Frau und seinen Kindern war er mit mehreren 10.000 Franken (9.170 Euro) verschuldet."

Als weiteres Beispiel nennt Brunner ein Ehepaar, das Verwandte mit Jammergeschichten um mehrere Tausend Franken gebracht habe. "Dazu verschwieg das Paar, dass es eine Invaliden-Rente bezog." Der familiäre Zusammenhalt sei heute nicht mehr so stark wie früher, sagt Brunner. Deswegen würden finanzielle Konflikte häufiger vor Gericht gebracht. "Heute verklagt man einander schnell einmal. Die Familienmitglieder schauen mehr für sich und sind daher auch weniger bereit, Geld zu leihen oder Verwandten Schulden zu erlassen."

Laut Sébastien Mercier vom Verein Schuldenberatung Schweiz überschulden sich aber regelmäßig auch Personen, die etwa Familienmitglieder unterstützt haben. Er warnt deshalb: "Jemandem helfen ist gut. Aber dafür muss man eine finanzielle Reserve haben und mit dem Schuldner klare Vereinbarungen treffen." Familienmitglieder anzupumpen, sei sehr heikel. "Um kein schlechtes Gewissen zu haben, lassen sich die Angepumpten leichter unter Druck setzen."



Wann Verwandte füreinander aufkommen müssen

Laut der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe müssen Verwandte unter folgenden Bedingungen füreinander aufkommen:

Primär wenn sie Verwandte ersten Grades sind (Eltern, Kindern).

Wenn die unterstützungspflichtige Person in günstigen Verhältnissen lebt.

Günstige Verhältnisse bedeuten:

Das steuerbare Einkommen einer alleinstehenden Person beträgt mindestens 120.000 Franken (110.000 Euro) im Jahr.

Das steuerbare Einkommen einer verheirateten Person beträgt mindestens 180.000 Franken (165.000 Euro) im Jahr.

Pro minderjähriges oder in Ausbildung befindliches Kind können die Pflichtigen einen Zuschlag von 20.000 Franken (18.350 Euro) im Jahr anrechnen.



*Name der Redaktion bekannt. ( Bettina Zanni/Ilona Himmelber)