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Geschenk an Opfer überführte Kinderschänder

Am Mittwoch stand der Schweizer J. W. in Freiburg vor Gericht – angeklagt in einem der schlimmsten Missbrauchsfälle Deutschlands.

Heute Redaktion
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Die deutschen Ermittler sprechen von einem der größten Verfahren der vergangenen Jahre – ein Missbrauchsfall in dieser Schwere, hieß es vor rund fünf Monaten, kenne man eher aus dem asiatischen Raum: Christian L.* und Michaela Berrin T.* boten deren neunjährigen Sohn im Internet zur Vergewaltigung an. Mehrere Männer, darunter der Schweizer J. W.*, bezahlten einen dreistelligen Betrag und nahmen das "Angebot" an.

Am Mittwoch stand W. – dünn, keine 1.70 Meter groß – vor dem Freiburger Landgericht. Zuvor waren bereits zwei Deutsche wegen schweren Missbrauchs und Besitzes von kinderpornografischen Materials verurteilt worden: der Deutsche Markus K. zu zehn Jahren Haft und anschließender Sicherheitsverwahrung, der Soldat Knut S. zu acht Jahren.

Nervös und rote Flecken am Hals

Als W. in Handschellen in den Saal kommt, wirkt er eingeschüchtert und nervös. Der schmächtige Mann mit den klobigen Schuhen und einem dunkeln Karohemd hält sich einen Ordner vor das Gesicht, hat rote Flecken am Hals. Sein Anwalt Robert Phleps verlangt gleich zu Beginn um den Ausschluss der Öffentlichkeit aus dem Prozess, ein Antrag, den Staatsanwältin Nikola Novak vehement ablehnt.

Dem Antrag der Verteidigung gibt der Vorsitzende Richter Stefan Bürgelin aus juristischen Gründen teilweise statt. Das gilt für das Vorleben und die sexuelle Biografie des Angeklagten sowie sichergestelltes Videomaterial, aber auch für die Aussagen des psychiatrischen Gutachters, die Plädoyers sowie das letzte Wort des Angeklagten vor dem Urteil.

Beklemmung im Saal bei Anklageschrift

Diesen Ausführungen des Richters hört der gelernte Maurer aufmerksam zu, immer wieder schluckt er leer. Als die Staatsanwältin die Anklageschrift verliest, macht sich Beklemmung im Saal breit.

W. gab sich beim ersten Treffen in einem Wald bei Staufen als Polizist aus, "verhörte" den Buben, um glaubhaft zu wirken, drohte ihm, ihn ins Heim zu stecken, sollte er nicht tun, was er verlangte.

Der Lebensgefährte der Mutter, Christian L., war auch bei zwei weiteren Treffen dabei, während der Angeklagte sich an dem Kind verging. Der Neunjährige hatte keine Chance, sich zu wehren. Er wurde gefesselt, beleidigt und gedemütigt.

Die Männer filmten ihr Tun mit verschiedenen Kameras, bis zu 30 Minuten lang. W. gab dem Kind nach dem ersten Treffen 50 Euro und ein gebrauchtes Samsung Notebook – ein "Geschenk", das später zu seiner Identifizierung führen sollte.

Die Fehler des Angeklagten

Das wird durch die Aussagen von Hauptkriminalkommissar Martin Schmidt (66) am Nachmittag klar: Als W. dem Buben seinen Laptop schenkte, ging er davon aus, alle Daten gelöscht zu haben. Die Ermittler aber konnte diese nach Festnahme des Haupttäters Christian L. wiederherstellen. Neben 30.000 kinder- und anderen pornografischen Aufnahmen stießen sie auch auf Anhaltspunkte über den früheren Besitzer des Laptops.

Zum Verhängnis wurde W. auch sein in Österreich ordnungswidrig parkter weißer Renault Twingo, dessen Kennzeichen die österreichische Polizei aufnahm. Zusammen mit den Angaben von Haupttäter Christian L. führte dies die Ermittler auf die Spur in die Schweiz.

"Unaufgeräumtes, eher vermülltes" Zimmer

Der 36-Jährige wohnte bei seiner Mutter in einem Zimmer, das Kommissar Schmidt als "unaufgeräumt, eher vermüllt" beschreibt. Schmidt ist es auch, der den Schweizer bei der Auslieferung an Deutschland nach Lörrach fährt. W. habe auf der Fahrt "von sich aus zu reden begonnen", so Schmidt. "Er gab an, dass es ihm sehr leidtue. Er wisse, dass er das nie mehr gut machen könne."

Dem Kommissar vertraute er auch an, dass er sich nach einer Sendung von Stern-TV für das Darknet zu interessieren begonnen habe. Als er es dann selbst "ausprobierte", sei er wegen des pornografischen Materials erst erschrocken. Aus dem Schrecken wurde offenbar schnell Faszination. Fortan war er als "Alphaville" oder "Alpha" im Darknet unterwegs, wo er auf das "Angebot" von Christian L. und dessen Partnerin stieß.

Verteidiger: J. W. ist ein "unbeschriebenes Blatt"

W. legte ein handgeschriebenes Geständnis ab. Bei dem ledigen und nicht vorbestraften Angeklagten handle es sich um "ein unbeschriebenes Blatt", sagte Verteidiger Robert Phleps. Da er nicht vorbestraft ist, muss der Schweizer mit einer Sicherheitsverwahrung wie beim zu zehn Jahren Haft verurteilten Markus K. tatsächlich nicht rechnen.

Am Donnerstag geht es im Prozess gegen W. weiter. Schwer belasten dürfte ihn Christian L., der als Zeuge geladen ist – und kommenden Monat als Hauptangeklagter selbst vor Gericht steht.

*Namen der Redaktion bekannt