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Gruselig! "Mein Fensterbrett war ein Grabstein"

Einer 45-jährige Wienerin machte es sich in der Corona-Zeit gerade in ihrer neuen Wohnung in der Brigittenau gemütlich, als sie unter ihren Fensterbrettern eine eigenartige Gravur entdeckte.

Maxim Zdziarski
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Olivera (45) machte in ihrer neuen Wohnung in der Denisgasse eine gruselige Entdeckung. Als sie während der Corona-Ausgangsbeschränkungen zu Hause war, entdeckte sie durch Zufall, dass unter den Fensterbrettern etwas eingraviert war. Die Wienerin entschied sich also kurzerhand die Platten auszubauen. "Ich hatte ohnehin viel Zeit, also wollte ich dem genauer nachgehen", so Olivera gegenüber "Heute".

Nachdem die Wienerin die alte Farbe abwaschen konnte, wurde sogar die ursprüngliche Gravur wieder erkennbar. Wie sich schnell herausstellte, stand eine der Steinplatten bereits im 19. Jahrhundert als Grabstein auf einem Friedhof. Doch wer waren die Personen, die hier verewigt wurden?

Hofrat mit Familie beigesetzt

"Heute" sprach mit Mag. Andrea Böhm vom Denkmalamt über den seltenen Fund in der Wiener Wohnung. Ihre Recherchen ergaben, dass Josef Karl Gautsch v. Frankenthurn (1849-1924) in Wien geboren und in Zeiten der österreichischen Monarchie sogar Hofrat gewesen war. Die Frankenthurns wurden laut Aufzeichnungen am Zentralfriedhof in einem Familiengrab beigesetzt.

Auf dem Grabstein dürfte an erster Stelle die Großmutter des Wiener Hofrats, Katarina Witteck Edle v. Salzberg, erwähnt sein. Carl, der Vater des Hofrats, ist direkt nach ihr verewigt. Er stammte ursprünglich aus Linz und gehörte der Stadthauptmannschaft an. Auch sein Vater hieß Carl und diente dem Kaiser – er war zu Lebzeiten k. u. k. Oberleutnant.

Dr. Menzel von Nazis vertrieben

Bei der zweiten Steinplatte handelt es sich um eine Gedenktafel an Dr. Karl Moritz Menzel. Er wurde 1873 in Mistelbach (NÖ) geboren. Während des Ersten Weltkriegs verrichtete Menzel seinen Kriegsdienst sowohl im Festungsspital Mostar, als auch im Wiener Garnisionsspital.

Nach dem Krieg wurde er an der MedUni Wien tätig und war 1938 Dozent für Laryngo- und Rhinologie. Im selben Jahr vertrieben ihn die Nazis aus rassistischen Gründen und Menzel musste nach Belgien ins Exil flüchten. In Brüssel bekam er anschließend eine leitende Position an der Universitätsklinik, die ihm allerdings durch das Arbeitsverbot für Emigranten 1943 entzogen wurde. 1944 verstarb Dr. Karl Moritz Menzel in Brüssel.

Warum wurden Grabsteine als Fensterbretter verwendet?

"In der Nachkriegszeit waren Baumaterialien Mangelware", so Mag. Böhm vom Denkmalamt gegenüber <i>"Heute"</i>. Diejenigen, die alte oder zerstörte Häuser sanierten, mussten oftmals das nehmen, was vorhanden bzw. günstig war. Die Vermutung liegt also nahe, dass die Steine von aufgelassenen Gräbern aus Kostengründen zurechtgeschnitten und wiederverwertet wurden.

Laut "Heute"-Leserin Olivera lebte die Vorbesitzerin etwa acht Jahre lang in der Wohnung. Die Gravur an der Unterseite der Fensterbretter sei ihr aber niemals aufgefallen. Wer also letztendlich die Steinplatten dort montierte, ist unklar. Die alten Grabsteine werden dieses Geheimnis wohl für immer hüten.