Markus Reisner

Heeres-Oberst warnt: "Weltordnung steht auf dem Spiel"

Bundesheer-Offizier und Militärstratege Markus Reisner warnt vor einem russischen Sieg in der Ukraine – und die Folgen für die ganze Welt.

Roman Palman
Heeres-Oberst warnt: "Weltordnung steht auf dem Spiel"
Bundesheer-Oberst Markus Reisner ist Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt.
Bundesheer/Kristian Bissuti

Mehr als 660 Tage herrscht nun schon Krieg in der Ukraine. Auch zu Winterbeginn 2023 toben weiter unerbittliche Kämpfe zwischen den Verteidigern ihres Landes und den russischen Invasoren unter dem Befehl von Kreml-Despot Wladimir Putin. Die Ukraine, die dabei auf westliche Waffenlieferungen und Finanzhilfen angewiesen ist, droht durch stockende Lieferungen nun neuerlich ins Hintertreffen zu geraten.

Dann könnte das Momentum auf Seite der Russen wechseln und diese womöglich sogar mit neuen Vorstößen weitere Gebiete erobern, warnt Oberst Markus Reisner vom Österreichischen Bundesheer in einer Analyse gegenüber ntv. Das Dilemma sei, dass militärische Offensiven immer einen hohen Ressourcenverbrauch bedeuten würden und die letzte, im heurigen Sommer, nicht den gewünschten Erfolg gebracht habe.

"Russland zu vernichten ist nicht das Ziel der USA"

"Man hat also nicht den erwünschen Durchbruch Richtung Asow'sches Meer erzielt, um dann diesen strategischen Effekt zu erzielen, die Russen mehr oder weniger zu isolieren und an den Verhandlungstisch zu zwingen", so Reisner. "Nun muss man das aber abhaken und an die Zukunft denken." Das bedeute für die Ukraine einerseits, den Winter zu überstehen und andererseits, Kräfte für eine neue Offensive im Frühjahr zu sammeln. "Dazu braucht sie natürlich Ressourcen und diese Ressourcen müssen bereitgestellt werden." Der Westen, darunter vor allem die USA und Europa, müssten da reagieren.

"Die Situation ist die, dass die Ukraine das bekommt, was sie braucht, um kämpfen zu können, aber offensichtlich nicht das, was sie braucht, um siegen zu können." Warum bisher Waffen oftmals zurückhaltend oder erst spät geliefert wurden, erklärt Reisner mit Deeskalationsbemühungen auf Seiten der westlichen Alliierten der Ukraine: "Weil die Amerikaner ganz klar das Ziel haben, die Russen zwar in die Schranken zu weisen, damit das nicht Schule macht, was sie tun, aber nicht, sie zu vernichten." Die deshalb stotternden Waffenlieferungen würden bedeuten, "dass der Krieg von einer Runde in die nächste geht".

Was, wenn Wladimir Putin den Ukraine-Krieg gewinnt?

"Wenn Russland, mit dem was es tut, durchkommt, dann ist die große Gefahr, dass dieses mühsam zusammengezimmerte Rechtssystem völlig wertlos wird und jeder tun und lassen kann, was er möchte", warnt der Garde-Oberst im ntv-Talk mit Blick auf die nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffene UN-Charta, die Stärkung des humanitären Völkerrecht und die weltweite Ablehnung von tödlichen Angriffskriegen in den Jahrzehnten danach. "Das sind die Regeln unter denen wir arbeiten".

Immer öfter beobachte er aber, dass sich einzelne Länder über diese internationalen Regeln und Institutionen – die auch nicht ohne Fehler seien, wie Reisner betont – hinwegsetzen, um ihre Interessen durchzusetzen oder eigennützig Vorteile zu erlangen.

Dann steht die Weltordnung, wie wir sie jetzt kennen, auf dem Spiel.
Oberst Markus Reisner
Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt.

Zu Zeiten des Kalten Krieges hätten die Machtblöcke ihre Rollen und Interessensgebiete grundsätzlich definiert. Nach dem Zerfall der Sowjetunion sei es dann zu einer Dominanz der USA gekommen. "Das Problem ist aber, dass die Welt und viele Länder immer dominanter und selbstbewusster werden, und auch hier Führungsansprüche stellen, regional und überregional. Da geht es dann nicht mehr um die Ukraine und Russland, sondern um die USA und Russland, um die USA, Russland und China. Da geht's darum, welche Rolle Indien hat." Und auch darum, welche Rolle der UN-Sicherheitsrat in seiner jetzigen Form noch habe. 

Die Folge eines russischen Sieges in diesem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg wären nach Einschätzung des Bundesheer-Experten dramatisch: "Dann steht die Weltordnung, wie wir sie jetzt kennen, auf dem Spiel."

Das müsse jetzt nicht sofort völliges Chaos und Krieg bedeuten, beruhigt Reisner. "Aber wir müssen akzeptieren, dass diese dominante Vorreiter-Rolle, die wir bis jetzt hatten und auch der Garant war für unseren Wohlstand und die Rohstoffversorgung, nicht mehr dieselbe sein wird. Und dass wir, das gilt vor allem für Europa, neu definieren müssen, welche Rolle wir in dieser multipolaren Welt haben."

"Das muss uns allen klar sein."

Auch in der ZIB2 formulierte der Militärstratege dazu einen eindringenden Appell an ganz Europa: "Die Werte, die wir leben, die Unabhängigkeit, die wir haben, die freie Meinungsäußerung – das ist nur möglich, weil es Staaten wie Russland nicht möglich gemacht wird, andere Länder zu überfallen. Und das muss uns allen klar sein."

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