Wien

Hier "schwebt" ein Teil des neuen Wien Museums

Terrasse mit Ausblick auf den Karlsplatz, doppelte Fläche für Ausstellungen: Der Umbau des Wien Museums läuft auf Hochtouren.

Yvonne Mresch
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Seit Sommer 2020 wird am Karlsplatz auf Hochtouren gearbeitet. Im Herbst 2023 steht die Eröffnung des neuen Wien Museums an.
Seit Sommer 2020 wird am Karlsplatz auf Hochtouren gearbeitet. Im Herbst 2023 steht die Eröffnung des neuen Wien Museums an.
Denise Auer

Die Maschinen dröhnen, Staub wird aufgewirbelt, es herrscht Hektik auf der Großbaustelle mitten am Karlsplatz. Das Stahlfachwerk lässt bereits erahnen, wie der Aufbau des neuen Museums wirken wird. Baustellen-Koordinator Christoph Knizek führte "Heute" durch die Baustelle und versprach: "Wir sind im Zeitplan". 

In ruhigen Zeiten wäre dies nichts Außergewöhnliches, in Zeiten einer Pandemie für den Chef am Bau eine Leistung: "Der Fortschritt läuft gut, wir sind wirklich sehr zufrieden. Im letzten Jahr haben wir große Meilensteine hinter uns gebracht. Der Rohbau ist bereits weit fortgeschritten, 1.000 Tonnen Stahlbau wurden in Rekordzeit verhoben." Und das trotz zahlreicher Herausforderungen: "Es handelt sich um innerstädtische Baustelle, es gibt geringe Lagerflächen und nicht zu vergessen die Verkehrswege rundherum. Hinzu kommt ein knackiger Zeitplan und der Denkmalschutz", gibt Knizek zu verstehen. Umso mehr freue er sich über die bisherigen Erfolge.

108 Millionen Euro soll der gesamte Umbau kosten - auch finanziell sei alles im Plan. Bis Ende April sollen beide Obergeschoße fertig sein, im Dezember wird dann der Großteil der Arbeiten sein Ende finden. Derzeit werden die Verbindungsbrücken zum Nachbargebäude der Zurich-Versicherung abgebrochen. Das Wien Museum soll danach wieder ein freistehendes Gebäude sein.

Wie alles begann

Das Wien Museum bewahrt und erforscht die Sammlung der Stadt Wien. Eröffnet wurde das von Architekt Oswald Haerdtl erbaute denkmalgeschützte Gebäude zunächst 1889 im Rathaus und 1959 am derzeitigen Standort im Karlsplatz. 533.000 Besucher verzeichnete das Museum 2019, kurz vor dem Umbau – 75 Prozent davon waren Österreicher, 25 Prozent Touristen. 

Bereits 2013 fiel im Gemeinderat der Beschluss, das in die Jahre gekommene Museum zu sanieren und durch einen Neubau zu erweitern. 2015 fand dazu ein Architekturwettbewerb statt. Die Herausforderung: den denkmalgeschützten Bau im neuen zu integrieren, die Ausstellungsfläche deutlich zu vergrößern und den Karlsplatz als Umfeld mit einzubeziehen. Unter den 274 Einreichungen siegte der Projektvorschlag der Architekten "Certov, Winkler+Ruck" aus Graz und Klagenfurt.

Im Sommer 2020 wurde es dann ernst, der Karlsplatz zur Großbaustelle. Der Plan: eine Verdoppelung der Nettonutzfläche von 6.900 Quadratmeter auf 12.000 Quadratmeter. Hochkarätige städtische Sammlungen sollen passend präsentiert, Räume für Vermittlungsprogramme und Veranstaltungen geboten und der Karlsplatz gleichzeitig aufgewertet werden – alles auf hohem technischen Stand. Kurz: "Ein Stadtmuseum der Zukunft".

Herausforderung Denkmalschutz

Das Bundesdenkmalamt definierte vor Baubeginn alle zu schützenden historischen Bau- und Ausstattungsteile. Dazu gehören das Haupttreppenhaus, das äußere Eingangsportal, die Boden und Wände des Foyers, der Haerdtl-Lift, die große Fenstervitrine im ersten Stock sowie das Erscheinungsbild der Fassade. Die historischen Bauteile wurden eingehaust und teilweise die Innenfenster und die alte Portiersloge komplett ausgebaut. Ein Kompetenzteam aus Restauratoren für Metall, Holz und Stein begleitete dabei.

Die geschützten Teile wurden zum einen restauriert und zum anderen auf heute gültige Sicherheits- und Brandschutznormen geprüft und teilweise adaptiert. Bei Neuanfertigungen hielt man sich an das historische Vorbild, Restauratoren und das Bundesdenkmalamt hatten stets ihr Auge darauf.

Wien Museum Neu: Das ist geplant!

Der geplante Neubau des Wien Museums dockt nicht direkt am alten Gebäude an, sondern wird ins bisherige Atrium "hineingestellt". Im ehemaligen Atrium wurde dafür ein neues Fundament gesetzt. Auf diesem wächst mittels einer Stahlbeton- bzw. Stahlkonstruktion der Neubau nach oben. Daraus entstehen eine neue Halle, ein Treppenaufgang und Teile der Dauerausstellung, sowie zwei neue Geschosse: Das Fugengeschoss, das den Altbau mit dem Neubau verbindet, und das Schwebegeschoss für Sonderausstellungen.

Im Fugengeschoss sind unter anderem Ateliers, ein Veranstaltungszentrum, eine Café-Bar und eine Terrasse mit Blick auf den Karlsplatz geplant – mit direktem, freiem Zugang aus dem Eingangsbereich. "Hier dürfen sich die Besucher auf einen besonderen Ausblick freuen", heißt es.

Die Halle soll das Herzstück des neuen Museums werden. Sie beinhaltet mit einer Fläche von 330 Quadratmetern und einer Höhe von 20 Metern eine Ausstellungsfläche, ein Stiegenhaus sowie den Rundgang durch die Dauerausstellung. Auf 3.000 Quadratmetern und über drei Stockwerke erhalten die Besucher einen Rundgang durch die Geschichte Wiens – vom Naturraum Wien bis in die Gegenwart.

Auf der Plaza, dem neuen Zentrum des östlichen Karlsplatzes, ist ein Restaurant mit 80 Plätzen indoor sowie 80 Plätzen outdoor vorgesehen – aber auch eine konsumfreie Zone.

Ein Pavillon vor dem Eingang soll ein "Ort des Ankommens und der Verabschiedung" sein und als Treffpunkt und Verweilzone genutzt werden. 

Die der Lothringerstraße zugewandte Seite dient der Information über den Umbau des Wien Museums. Die Seite zum Karlsplatz hin wird als neuer Ausstellungsort für das "Wien Museum Open Air" verwendet. Während Bauzeit sind die Sonderausstellungen des Wien Museums im "Musa" neben dem Rathaus zu sehen, alle anderen 17 Museen der Stadt Wien sind vom Umbau unabhängig geöffnet.

Wien Museum goes Green

Auf Nachhaltigkeit wird beim Umbau größten Wert gelegt, wie Baustellenleiter Knizek beteuert. So finden drei Bäume mit Erdkoffer Platz, gefällt wurde für den gesamten Umbau hingegen lediglich ein Baum. Eine umfangreiche Begrünung ist außerdem fest eingeplant. Weiters soll sich das Museum so gut wie autark erhalten: 30 Geothermiesonden wurden bis 150 Meter in die Tiefe gesetzt. In der Kühlsaison (Sommer) wird die Abwärme des Museums im Erdreich gespeichert und in der Heizsaison (Winter) für die Wärmeerzeugung aus dem Erdreich entnommen, wie Knizek erklärt.

So geht es jetzt weiter!

Als nächsten Schritt ist der weitere Innenausbau geplant, der in den unteren Geschoßen bereits läuft. Weitere geplante Bauvorhaben sind die Errichtung des Pavillons und die Montage der neuen Natursteinfassade am Bestandsgebäude. Bleibt man auch weiterhin im Zeitplan, soll bis Ende 2022 der Großteil der Bauarbeiten abgeschlossen sein. Die Eröffnung ist für Herbst 2023 geplant. Neben spannenden Ausstellungen erwartet die Besucher dann auch "ein netter Blick auf den Karlsplatz und hoffentlich ein guter Kaffee", schmunzelt Knizek.

Für Technik-Freaks: Das sind die Baustellen-Details

Die Fassadensteine: Diese waren seit 2013 massiv deformiert. Die neuen Natursteine für die Außenfassade wurden so ausgewählt, dass sie eine große Witterungsbeständigkeit aufweisen sowie den Originalsteinen von Haerdtl optisch wieder sehr viel näher kommen.

Der Keller: Im Bestandsgebäude fanden erforderliche konstruktive Abbrucharbeiten statt. Die Kelleraußenwand wurde durchbrochen, um den Zugang des Bohrpfahlgerätes und anderer Baumaschinen zu ermöglichen. Ende 2020 wurden mittels eines circa 140 Tonnen schweren Bohrpfahlgerätes namens Leopold die Pfähle für das Fundament des Neubaus gesetzt: Etwa 40 Pfähle mit bis zu 40 Meter Tiefe im Inneren für den neuen zweigeschossigen Aufbau und 40 Pfähle mit etwa 20 Meter Tiefe im Außenbereich für das unterirdische Depot. Anschließend wurden die Pfähle mit einer Stahlbetonplatte überdeckt. Nach Fertigstellung des Spezialtiefbaus und Fertigung der Bodenplatten sind die Depoträume, die unterirische Erweiterung des Museums, entstanden. Sie bieten eine zusätzliche Fläche von ca. 1.200 Quadratmetern, für Grafikdepot, Arbeits- und Lagerräume.

Der "schwebende Aufbau": Aus dem Inneren heraus wächst der Neubau mittels einer Stahl- und Stahlbetonkonstruktion nach oben. Auf dieser wird das große Stahlfachwerk, das das Schwebegeschoss tragen wird, aufsitzen. Es wird mittels eines speziellen 650 Tonnen schweren Raupenkrans auf das Gebäude gehoben. Die Stahlkonstruktion trägt das Schwebegeschoss, in dem zukünftig die Sonderausstellungen gezeigt werden.

Die Fenster: Die neuen, mit Klimatechnik ausgestatteten Fassadenfenster sind derart konzipiert, dass sie den heutigen Baunormen gerecht werden aber entsprechend ihrer Dimension, Materialität und ihres optischen Erscheinungsbildes den originalen Haerdtl-Fenstern so nahe wie möglich kommen und die Bewahrung des Fassadenbildes gegeben ist. Raumseitig verfügen sie über Heiz- und Kühlelemente, die sich unter den Fensterbänken befinden. Dafür wurde die Verblechung entsprechend adaptiert. Der Eintrag von Wärm und Tageslicht wird zukünftig mittels automatisch sich verdunkelndem Sageglas reguliert.

Die Highlights im Depot: Im Juli 2020 wurde das fünfeinhalb Meter hohe Modell des Stephansdoms vom Dachstuhl über das Mittelschiff des Stephansdoms in Einzelteile verpackt, aus 37 Meter Höhe abgeseilt und ins Depot des Wien Museums transportiert. Die Originalfiguren des Brunnens am Mehlmarkt (Neuer Markt) von Georg Raphael Donner gelten als Glanzpunkte der europäischen Plastik des 18. Jahrhunderts. Im November 2020 wurden die Skulpturen aus dem Belvedere abgebaut und zur Restaurierung ins Depot des Wien Museums gebracht.

Weitere Informationen zum Umbau finden Sie hier.