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Hier testet Huawei sein denkendes Mate 10 Pro

Wie lernen Smartphones zu hören, sehen, frieren und denken? Unsere Spurensuche führt überraschend nach Helsinki und Tampere.

Heute Redaktion
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Moderne Smartphones müssen nicht nur telefonieren können. Geht es nach den Nutzern, wollen sie etwas mehr für ihr Geld, unter anderem guten Empfang, Wasserdichtheit, einwandfreien Ton, Widerstandsfähigkeit gegen Hitze und Kälte sowie einen Akku, dem Widrigkeiten nichts ausmachen. Bei Huawei ist mit der Vorstellung des Mate 10 Pro noch ein Aspekt hinzugekommen: Das Smartphone soll mit dem Chip für Künstliche Intelligenz zu denken lernen.

Will man den großen Ansprüchen des chinesischen Anbieters auf den Grund gehen, führt der Weg nicht zwangsläufig in den Fernen Osten. 15 Forschungs- und Enwicklungszentren mit rund 70.000 Mitarbeitern betreibt Huawei weltweit, zwei davon finden sich in den finnischen Städten Helsinki und Tampere. Hierher lud der chinesische Konzern, um unter dem Titel "Wer ist Huawei?" ("Who is Huawei?") die Arbeit hinter den Kulissen des weltweit am schnellsten wachsenden Smartphone-Herstellers zu zeigen.

Beeindruckende Zahlen

Beeindruckt ist man allerdings schon, bevor man nur einen Fuß in die Entwicklungsabteilungen gesetzt hat. 45 Prozent der Huawei-Belegschaft sind in der Forschung und Entwicklung beschäftigt, in den vergangenen zehn Jahren wurden 45 Milliarden US-Dollar in diesen Zweig investiert. Nicht nur neue Smartphones, auch der 5G-Mobilfunk-Standard und Künstliche Intelligenz stehen am Forschungsplan.

Im seit 2014 bestehenden "Reliability Competence Center" in Helsinki, wo unser erster Weg hinführt, widmet man sich ganz den neuen mobilen Flaggschiffen von Huawei, wie dem Smartphone Mate 10 Pro. Hier wird getestet, wie zuverlässig Handy-Flaggschiffe für den Kunden funktionieren. In der Praxis sieht man hier unter anderem, wie Maschinen fortwährend die Touchbedienung am Display simulieren.

Huawei Mate 10 Pro

Abmessungen 154,2 x 74,5 x 7,9 Millimeter
Gewicht 178 Gramm
Gehäuse Glas
Betriebssystem Android 8.0 Oreo
Benutzeroberfläche EMUI 8
Displaydiagonale 6 Zoll
Displaytyp AMOLED 2.160 x 1.080 Pixel
Chipsatz Kirin 970
Arbeitsspeicher 6 GB
Speicher 128 GB
Kamera Dualkamera 20/12 MP, Frontkamera 8 MP
Akku 4.000 mAh

Dann beginnt die Folter

Was ein Flaggschiff sein will, muss aber auch die ganz spezielle Huawei-Folter über sich ergehen lassen, ohne dabei aufzugeben. In Hunderten Durchläufen werden die Smartphones in Kälteschock- und Hitzekammern gesteckt, auf Stürze aus über einem Meter Höhe geprüft, Biege- sowie Scherkräften und UV-Strahlung ausgesetzt. Versuche, denen sich Huawei verschrieben hat, denn von den vor Ort anwesenden Konzernvertretern hört man vor allem eines: Die Produkte müssen perfekt sein und bleiben. "Make it possible", das Firmenmotto als Leitmotiv.

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Nach den Torturen entscheidet sich, ob die Prototypen ihre Chance auf den Verkaufsstart haben, oder zurück ins Entwurfstadium müssen. Mit Mikroskopen, Infrarot- und Superzeitlupenkameras sowie Röntgengeräten wird jeder noch so kleine Riss und Schaden dokumentiert. Perlt nur ein Tropfen Flüssigkeit am Display falsch ab oder hinterlässt eine Tröpfchenspur, fällt der Testkandidat durch und der Testzyklus beginnt mit einem neuen Modell von vorne.

Tonprüfungen in Tampere

Während man sich in Helsinki der "Smartphone-Folter" verschrieben hat, dreht sich in den "Huawei Multimedia Laboratories" im 180 Straßenkilometer entfernten Tampere alles um den Ton. Diese wurden erst im Jahr 2016 brandneu errichtet. Klingt erstmal nicht sonderlich spannend, offenbart sich aber bei der Labortour als extrem interessant.

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Die Hitzeentwicklung der Audiomodule

Hätten Sie gewusst, dass sich Audiomodule von Smartphone bis auf 80 Grad Celsius und unter Maximallast auch weit darüber hinaus aufheizen können? Eine besondere Herausforderung, denn im Gegensatz zu Computern gibt es keine Lüfter, die die Wärme im Zaum halten. Die Hitze muss per Software-Algorithmen kontrolliert werden - etwa, in dem die Audioqualität qualitativ heruntergeregelt wird, ohne dass es der Nutzer bei der Tonausgabe merkt.

Im stillen Kämmerlein

Huawei verlässt sich bei den Audioprüfungen aber nicht allein auf Datenauswertungen. Während Antennen- und Tonausstrahlungs-Daten in abgeschirmten Räumen (wie jenen in der Fotoshow) gesammelt werden, müssen auch Menschen entscheiden, ob die Qualität stimmt. Dazu werden in eigens eingerichteten Zimmern Ton-Samples eingespielt, bei denen Mitarbeiter etwa entscheiden, ob und zu welchem Grad eine Umgebungsgeräuschunterdrückung passend ist.

Wie Huawei verrät, gibt es dabei regionale Unterschiede. Während im asiatischen Raum Wert auf eine intensive Geräuschunterdrückung gelegt wird, empfänden es Europäer als natürlicher, zumindest einen gewissen Grad an Umgebungsgeräuschen bei Telefonaten wahrnehmen zu können. Nicht zuletzt werden Mitarbeiter sogar in die Welt ausgeschickt, um in Bars, Restaurants, Öffis oder Kantinen die Telefon-Qualitäten in realen Umgebungen zu testen.

Ungewöhnliche Offenheit

Es ist ein ungewöhnlicher Schritt, dass traditionell geheimniskrämerische Tech-Konzerne einen solch tiefgehenden Einblick in ihre Labore geben, wie er "Heute" in Finnland gewährt wurde. Gleichzeitig zeugt der Schritt von Selbstbewusstsein, auch wenn zumindest Videoaufnahmen tabu waren.

Huawei, in China längst der größte Smartphone-Hersteller, will auch in Europa an die Spitze der Verkaufs-Charts. Damit das gelingt, setzen die Chinesen nicht nur auf ausgereifte Technik. Huawei will für Kunden greifbarer werden, ein Gesicht bekommen. Irgendwann soll schließlich nicht nur ein Großteil der Europäer ein Huawei-Handy in der Tasche haben, sondern auch seine persönliche Antwort auf die Frage "Wer ist Huawei?" geben können.