Wien

Im "Blindenwerk" entsteht Handwerk mit Mehrwert 

Im "Blindenwerk" beweisen die Mitarbeiter, dass Handwerkskunst aus mit körperlichen Einschränkungen möglich ist. Mit beeindruckenden Ergebnissen.

Louis Kraft
Teilen
1/7
Gehe zur Galerie
    Im "Blindenwerk" in Penzing entsteht Wiener Handwerk mit Mehrwert. Rund 20 Mitarbeiter mit einem Einschränkungsgrad von über 50 Prozent schaffen hier handwerkliche Unikate. Etwa die toll duftenden Kerzen von "Wachs-Meister" Sani (28).
    Im "Blindenwerk" in Penzing entsteht Wiener Handwerk mit Mehrwert. Rund 20 Mitarbeiter mit einem Einschränkungsgrad von über 50 Prozent schaffen hier handwerkliche Unikate. Etwa die toll duftenden Kerzen von "Wachs-Meister" Sani (28).
    Denise Auer

    Behinderten Menschen eine erfüllte Beschäftigung zu geben ist die wichtigste Aufgabe des Blindenwerks im Wirtschaftspark Breitensee in Penzing. In liebevoller Handarbeit fertigen die rund 20 Mitarbeiter, alle mit einem Behinderungsgrad über 50 Prozent, einzigartige Produkte. Alle sind nach dem Kollektivvertrag des Handelsgewerbes in Vollzeit angestellt. Das Ergebnis dieses sozialen Engagements kann sich sehen lassen, wie sich "Heute" bei einem Besuch überzeugen konnte. 

    Das erste, was Besucher im "Blindenwerk" lernen ist, wie viele verschiedene Arten von Besen und Bürsten es gibt. In der Werkstatt werden Kinderbesen, Wiener Besen (mit Borsten ums Eck, um die runden Ecken im Wiener Altbau zu säubern),  Tastaturreinigungsbesen oder Imkerbürsten gefertigt. Verwendet werden fast nur Naturmaterialien: Neben Rosshaar werden auch Kokosfasern oder der Zwergpalme Arenga. Nur straßenfeste Besen werden mit der Kunststofffaser Elaston "beborstet". 

    Blinde Besenmacher schaffen bis zu 20 Besen pro Tag

    Mit viel Sorgfalt und Geschick füllen die Mitarbeiter der Besen- und Bürstenwerkstatt die Löcher des Querholzes (diese wird vorgebohrt geliefert) mit den Faserbüscheln. Dass die Besenmacher Müslüm und Denis nicht oder nur schlecht sehen können, merken wir beim Zusehen nicht. "Innerhalb eines Arbeitstages werden hier bis zu 4.000 Löcher gefüllt, die schnellsten Mitarbeiter stellen pro Tag bis zu 20 Besen fertig", erklärt uns der Assistenz der Geschäftsführer, Hasan (32). 

    Einen Raum weiter baut der gehörlose, aber begnadete Lippenleser Thomas die fertigen Besenköpfe mit dem dazugehörigen Stiel zusammen. Je nach Kundenwunsch ist die Befestigung in Plastik oder Metall verfügbar. Daneben leistet Thomas einen wesentlichen Beitrag zur Müllvermeidung im Blindenwerk: Kartons werden hier nicht ins Altpapier geworfen, sondern geshreddert und so als umweltfreundliche Verpackungsmaterial recycelt.

    In der Kerzenwerkstatt entstehen bunte Unikate

    Resteverwertung steht auch in der Seifen- und Kerzenwerkstatt auf dem Programm. Durch die bunten Farben und die verschiedenen Duftnoten, die hier in der Luft hängen, erinnert diese ein wenig an eine Christkindlwerkstatt. Seit 2015 ist Sani (28) der Meister über Wachs und Docht. "Die Jobsuche war für mich als Mensch mit Behinderung  sehr schwierig. Ich habe viele Bewerbungen geschrieben, habe aber nur Absagen bekommen", erzählt er "Heute". Über den Blindenverband kam er in die Blindenwerkstatt, hier hat er sein Glück gefunden. "Ich mache das jetzt seit sechs Jahren und es taugt mir noch immer", grinst er.

    Für uns zeigt er einige seiner Arbeitsschritte vor: Vom Schmelzen des Wachsgranulats in einem – eigentlich – Glühweinkocher, "aber mit Ausgießer aus Metall", erklärt Sani, denn "Plastik würde das nicht aushalten" – geht es weiter zu den verschiedenen Düften, wie Kerzen und Seifen zu Wellness-Träumen machen bis hin zum Fixieren der Kerzendochte und schließlich dem Gießen. Bleiben dabei Reste übrig, werden diese wiedereingeschmolzen und gemeinsam mit anders färbigen Wachsresten zu echten Kerzen-Unikaten neugegossen.

    Korbflechten für Profi ohne Sehkraft kein Problem

    In einem Raum flechten Dalibor und Yasin Körbe. "In acht Stunden schaffe ich dreieinhalb Papierkörbe" erzählt uns der vollblinde Yasir. Ihm gegenüber werkt sein Kollege mit eingeschränktem Gehör gerade an einem Brotkörbchen. In der Nähwerkstatt hingegen entstehen Geschirrtücher und Handtücher. Wie alle anderen Arbeitsplätze auch, sind auch die Nähmaschinen an die jeweiligen Bedürfnisse der Mitarbeiter angepasst. Auch in der Stickwerkstatt in der auf Kundenwunsch Firmenlogos auf Textilien übertragen werden. Um diese mühsame Arbeit kümmert sich zum Glück eine Maschine. "Bis zu 900 Stich pro Minute sind Standard, es wären aber bis zu 1.300 möglich", erklärt uns Hasan.

    Image-Video: "Blindenwerk"

    Produkte in "Wiener Handwerk" online oder vor Ort erhältlich

    Zu den Abnehmern des "Wiener Handswerks" mit Mehrwert gehören große Konzerne aus der Mineralölwirtschaft, der Technik oder dem Lebensmittelbereich. Aber auch bei kleineren Betrieben oder Privatkunden sind die Stücke sehr begehrt. Angesichts der Stücke, die alle einen eigenen Charme haben, kein Wunder. "Heute"-Tipp sind die in rot und weiß erhältlichen Kerzen in Tannenbaum-Form. Alle Produkte samt der Preise kannst Du online hier nachlesen.

    Mehr zum Thema