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In dieser Stadt geht die Welt jeden Tag unter

Für die einen ist Disaster City ein Paradies mit Schutthaufen, Schrottautos und Ruinen, für die anderen eine Ausbildungsstätte.

Heute Redaktion
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Es ist sehr heiß. Den Rettern läuft unter den Helmen und Atemschutzmasken der Schweiß über das Gesicht. Sie suchen sich einen Weg durch die Trümmer. Einige Stunden zuvor hat ein heftiges Erdbeben D. C. heimgesucht. Ein Zug ist entgleist, mehrere Gebäude sind eingestürzt. Überall ist Rauch. Den Hubschrauber über sich können sie nur hören.

In den Trümmern halten schreiende Angehörige Verletzte im Arm. Die Retter hören es, reagieren aber nicht. Ihr Ziel ist es, möglichst schnell möglichst viele Menschen zu retten. Die Straße ist blockiert durch Trümmerhaufen und Autos, die aussehen, als wären sie von einer großen Hand auf die Straßen geworfen worden.

Jeden Tag eine neue Katastrophe

Was gar nicht so falsch ist. Tatsächlich war es ein Bagger. So oder so ähnlich sieht ein Tag in Disaster City aus. In der texanischen Stadt ist Tag für Tag Doomsday. Terroranschläge wechseln sich mit Erdbeben, Wirbelstürmen, Flugzeugabstürzen und Zugunglücken ab. Es sieht wortwörtlich immer so aus, als ob gerade eine Bombe eingeschlagen hätte.

Rettungsmannschaften, Katastrophenhelfer und Feuerwehren aus der ganzen Welt trainieren in Disaster City den Katastrophenfall. Ingenieure testen Sensoren, künftige Ärzte bauen Notspitäler auf. Sie lernen, wie man sich durch eingestürzte Gebäude gräbt, mit Hunderten Verletzten umgeht, und nicht zuletzt, wie sie dabei auf sich selbst achten.

Eines der größten Übungsgebiete

Solche Zentren gibt es auch anderswo auf der Welt, in einer ehemaligen Kaserne im deutschen Neckarelz oder im schweizerischen Balsthal, wo Feuerwehren unter anderem die Rettung in Tiefgaragen und Tunneln trainieren können. Das 21 Hektaren große Stadtgebiet von Disaster City beim Ort College Station, ist eines der größten.

Die Lehrgänge tragen Namen wie "Chemical and Freight Train Derailments" (Entgleisung von Güter- und Gefahrstoffzügen) oder "Advanced Structural Collapse". Geleitet werden sie von erfahrenen Rettern, die schon bei Ereignissen wie 9/11 oder dem Wirbelsturm Katharina im Einsatz waren.

"Solange sie dabei etwas lernen, ist es nicht verboten, Spaß zu haben"

Zu denen, die dort trainieren, kommen Statisten, die desorientierte Opfer mimen oder sich aus kontrolliert kollabierten Gebäuden befreien lassen. Jedes Mal, wenn irgendwo auf der Welt eine Katastrophe geschieht, lernt die Stadt dazu. Neue, möglichst realistische Szenarien werden aufgestellt.

Andere betrachten die Stadt als eine Art Katastrophenspielplatz und treffen sich regelmäßig, um zu retten. Oder einfach nur, um zu lernen, wie man sich durch ein eingestürztes Gebäude gräbt, ohne dass ihnen gleich ein Stahlträger auf den Kopf fallen kann. "Warum nicht", sagte George Kemble Bennett, der Gründer der Katastrophen-Stadt 2010 zum "Spiegel". "Solange sie dabei etwas lernen, ist es nicht verboten, Spaß zu haben."

Im harschen texanischen Klima sind die Bedingungen für einen solchen Zeitvertreib recht anspruchsvoll. Im Ernstfall, das ist Hobbyrettern wie Berufsleuten klar, sind sie allerdings ungleich härter.

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