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Internet belastet Umwelt mehr als der Flugverkehr

Das Surfen im Internet produziert mehr Treibhausgas als der weltweite Flugverkehr. Wie können wir die Umwelt schützen?

Heute Redaktion
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Das Council Bluffs Data Center von Google: Server auf 10.500 Quadratmeter.
Das Council Bluffs Data Center von Google: Server auf 10.500 Quadratmeter.
Bild: picturedesk.com

Noch vor dem Frühstück WhatsApp-Nachrichten verschicken, Fotos mit Freunden teilen, in der Straßenbahn ein YouTube-Video schauen, im Büro Dutzende E-Mails beantworten: Das ist der Alltag. Wer denkt hier an CO2-Ausstoß oder Umweltbelastung?

Dabei ist nur wenigen klar, was für ein umfangreiches Klimaschutzpotential tagtäglich direkt unter den Fingerspitzen schlummert: Auf Computer, Smartphone und Tablet. Denn jedes Megabyte genutzten Cloud-Speichers, jede E-Mail oder Google-Suche landet in einem der zahlreichen, energiehungrigen Rechenzentren weltweit und verursacht CO2-Belastungen.

Server-Kühlung frisst Strom

Ganz egal, wie viel oder wenig Strom unsere internetfähigen Geräte vor Ort ziehen: Allein mit ihrer alltäglichen Nutzung verursachen wir im Rechenzentrum einen deutlich höheren Stromverbrauch. Im Gegensatz zum heimischen Computer oder Arbeitsrechner sind Server täglich rund um die Uhr im Betrieb. Dabei verbrauchen sie nicht nur viel Strom für die eigentliche Rechenleistung, sondern sie benötigen auch viel Energie für komplexe Kühlsysteme – also Klimaanlagen, Rückkühlung, Ventilatoren und mehr.

Eine Google-Suchanfrage löst nach Unternehmensangaben einen Strombedarf von 0,3 Wh (Wattstunden) aus. Bei 40.000 Suchanfragen weltweit pro Sekunde läppert sich das. Mittlerweile ist mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung online: Rund vier Milliarden Menschen.

Wirtschaftswissenschaftler und Ingenieur Ralph Hintermann vom Borderstep-Institut schätzt, dass Internet-Surfen längst eine ebenso hohe CO2-Belastung erzeuge, wie der gesamte, weltweite Flugverkehr. „Die Prognosen sagen, dass wir in fünf oder sechs Jahren nochmals 25 Prozent mehr im Internet brauchen", so der Experte.

Videostreaming sorgt für Datenlawinen

Die Datenmengen, die beim Video-Streaming über Plattformen wie Netflix, Amazon Prime, YouTube & Co. anfallen, machen bereits 58 Prozent und damit mehr als die Hälfte des Datenvolumens im Internet aus. Das geht aus einer Analyse des kanadischen Netzwerkausrüsters Sandvine hervor. Das amerikanische IT-Unternehmen Cisco hat für das Jahr 2017 einen weltweiten Traffic von insgesamt 1,5 Zettabyte (oder umgerechnet 1,5 Milliarden Terabytes bzw. 1.500.000.000.000.000.000.000 Bytes) berechnet. Um diese Datenmengen über die Rechenzentren bereitstellen zu können, dürften global fürs Streamen schätzungsweise bereits bis zu 200 Milliarden kWh Strom pro Jahr anfallen, Tendenz steigend.

200 Milliarden kWh Strom für das Streaming im Internet? Das klingt nach extrem viel Energie. Und das ist es auch. Zum Vergleich: Ein Privathaushalt mit zwei Personen in Österreich verbraucht im Jahr durchschnittlich 3.000 kWh Strom. Das heißt, mit 200 Milliarden könnte man sämtliche Privathaushalte in Deutschland, Italien und Österreich zusammen für ein Jahr mit Strom versorgen.

Wie kann ich Stromverbrauch reduzieren?



Um den Stromverbrauch des Internets insgesamt zu reduzieren, kann jeder einzelne einen Beitrag leisten – etwa ganz simpel, indem man überflüssige Mails löscht. In einem Experiment hielt das TV-Wissensmagazin Galileo die Nutzer eines Gütersloher Mail-Dienstes dazu an, innerhalb einer Stunde möglichst viele Mails zu löschen.

Die über 27.000 Teilnehmer der Aktion trennten sich von insgesamt mehr als 300.000 Mails – durchschnittlich elf Stück – leerten die Papierkörbe und legten damit 50 Gigabyte Festplattenkapazität auf den Servern frei: Nach Schätzungen des Rechenzentrums eine Ersparnis von schätzungsweise 1,7 Kilogramm CO2. Hochgerechnet auf die weltweite Internetgemeinde wäre das ein einfacher und effektiver Beitrag zum Klimaschutz.

Tipps des deutschen Energieversorgers EON:



Mit Bedacht streamen, und vielleicht doch ab und zu wieder zur DVD greifen.

Mails regelmäßig löschen und den Zufluss im Blick behalten.

Ebenso sinnvoll ist der Einsatz zeitbegrenzender Mailfilter, die etwa Newsletter oder Spam, nach einer festgelegten Zeit automatisch in den virtuellen Papierkorb sortieren.

Zusätzlich lohnt es sich, darüber nachzudenken, wie man die eigene Nachrichten-Flut reduzieren kann: Ist wirklich jede Kleinigkeit ein Mail wert?

Cloud-Dienste sind grundsätzlich eine Riesenhilfe. Aber muss tatsächlich jedes Urlaubsfoto, jedes Katzenvideo, dort monatelang unbeachtet aber klimaschädigend gehortet werden? Auf externen Festplatten oder USB-Sticks lagern Datensammlungen und Backups auf jeden Fall sehr, sehr viel sparsamer und umweltschonender.