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Ist "4Chan" eine Plattform für Mörder und Rassisten?

Nach Amokläufen und Anschlägen gerät immer wieder das Internetforum 4chan in den Vordergrund.

Heute Redaktion
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Bei dem Terroranschlag in Halle bekam die Internetseite "4Chan" wieder mehr Aufmerksamkeit. Immer wieder wird sie nach Amokläufen und Massakern erwähnt. So beispielsweise auch nach dem Angriff in Christchurch oder dem Doppelmord in Herne, bei dem ein 17-Jähriger zunächst einen 9 Jahre alten Buben und anschließend einen guten Freund getötet hat. Alle drei trieben sich auf der Plattform herum und präsentierten sich dort während oder nach ihren Attentaten als Helden.

Da stellt sich schnell allmählich die Frage: Ist vielleicht dieses Forum schuld an der Radikalisierung der Menschen? Und wieso wird es nicht endlich entfernt?

Keine Kontrolle über Inhalte

4Chan wurde im Jahr 2003 vom damals 15-Jährigen Christopher Poole gegründet. Der New Yorker wollte ein Forum für Nerds in die Welt rufen. Sehr schnell wurde die Plattform zu einem Massenmedium. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe: Die Benutzeroberfläche ist sehr simpel gestaltet. Außerdem muss sich niemand auf der Seite registrieren. Jeder User ist anonym. Und das sorgt dafür, dass sich jeder auf dem Portal sicher fühlt.

Im Jahr 2015 zog sich Poole von seinem Forum zurück. Trotz 23 Millionen monatlicher User und 300 Millionen Aufrufen pro Monat (!) gelang es ihm nie Geld mit der Seite zu machen. Denn kein Unternehmen war heiß darauf, Werbung neben pornographischen und gewalttätigen Beiträgen zu schalten.

Außerdem verlor der New Yorker recht schnell die Kontrolle über seine Plattform. Er hatte keine Mitarbeiter, dennoch wurden täglich Millionen Beträge verfasst. Die konnte er einfach alle nicht sichten. Rechtliche Konsequenzen musste Poole nie befürchten. Denn 4Chan verbietet beispielsweise ausdrücklich die Verbreitung von Kinderpornographie. Und falls einer der freiwilligen Moderatoren ein solches Video oder Bild sieht, dann wird es auch umgehend gelöscht. Mehr noch: 4Chan erklärt sich bereit, bei Verstößen mit den Behörden zu kooperieren. Jedoch passiert das klarerweise zu selten.

Tote Babies und Rassismus

Bei ersten Recherchen wird auf Seiten davon abgeraten, auf die Seite zu gehen. Zu groß sei das Risiko für Traumata. Denn in den Forum werden massenweise Fotos und Videos von Leichen, verstümmelten Personen oder Tieren und hardcore Pornos der übelsten Sorte geteilt. Außerdem gelten auf der Plattform eigene Gesetze, eigene Hierarchien. Neuankömmlinge werden von vornherein von anderen Nutzern niedergemacht. Es wird fast schon eine eigene Sprache verwendet mit Abkürzungen und Insidern, die man nur kennen kann, wenn man sich lang genug auf der Seite herumtreibt.

Ist man eine Frau, wird man nur auf die weiblichen Geschlechtsteile reduziert. Frauen werden in der 4Chan-Welt diskriminiert und gelten dort in vielerlei Hinsicht als Sündenböcke für alles Schlechte auf der Welt. So zitierte "Profil" im Jahr 2017 einen Beitrag aus dem Forum, bei dem ein Foto von einem abgetriebenen Fötus zu sehen war, folgendermaßen: "Ich bin unschlüssig, was Abtreibung angeht. Einerseits unterstütze ich sie, weil dabei Kinder getötet werden. Andererseits gibt sie Frauen eine Wahl."

Memes aus 4Chan schafften es bereits in die Offline-Welt und sorgten schon für große Diskussionen. So ist bereits der Comic-Frosch Pepe von der amerikanische Anti Defamation League auch offiziell als Hasssymbol eingestuft worden. Grund dafür: User nutzten die Figur für antisemitische, faschistische und anti-islamische Memes. Es wurde eine Art Wappentier der "Alt-Right"-Bewegung.

Alles nur aus "Spaß"?

Jedoch ist 4Chan eigentlich kein Treffpunkt für Mörder, Pädophile und Rassisten in dem Sinne. Christian Alt, Netzexperte des "BR", erklärte dem Sender in einem Interview, dass der Grundtenor auf der Plattform äußerst ironisch ist. Fotos von Hakenkreuzen werden nur zum Spaß gepostet, Sprüche gegen Minderheiten werden als schwarzer Humor abgetan. Jedoch wird man auf der Seite so oft mit dieser "Ironie" konfrontiert, dass sie zur Normalität wird.

Übrigens: Aus 4Chan entwickelte sich die Plattform 8Chan. Fredrick Brennan gründete diese, da ihm der Vorgänger zu "streng" war. Hier geht es nicht mehr um "Spaß". Attentäter werden als Helden gefeiert. Dem Christchurch-Terrorist wurde ein "Highscore" zugesprochen.

Die aktuellen Seitenbetreiber wurden bereits Anfang September diesen Jahres vom Vorsitzenden des Ausschusses für Heimatschutz in den US-Kongress geladen. Dort sollte dargestellt werden, wie man die Verbreitung von Hass auf der Plattform verhindern wolle. Die Seitenbetreiber erklärten, dass man Inhalte so schnell wie möglich lösche. Außerdem stellte man hinter verschlossenen Türen neue Funktionen in Aussicht, um illegale Inhalte vorzubeugen. Jedoch erklärte man auch, dass man die "legale Hassrede" weiterhin erlauben möchte.