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Ist jetzt auch "Zigeuner-Schnitzel" rassistisch?

Heute Redaktion
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Zigeunerschnitzel mit Pommes frites.
Zigeunerschnitzel mit Pommes frites.
Bild: WikimediaCommons/Benreis, CC BY 3.0

Jungsozialisten wollen den Begriff "Zigeunerschnitzel" verbannen. Einige Fahrende bezeichnen sich aber selbst so. Nun tobt die Debatte um das korrekte Wort.

Supermärkte verkaufen pünktlich zur Grillsaison die "Zigeunerschnitzel". Und brechen damit in der Schweiz eine Rassismusdebatte vom Zaun. Der Chefin der Schweizer JungsozialistInnen (Juso) Tamara Funiciello stößt dieses Wort sauer auf. "Man überlegt sich bei solchen Begriffen nicht, woher sie kommen und was ihre Wirkung ist", sagt sie zum Regionalsender "TeleBärn". "Der Begriff 'Zigeuner' wurde von Nationalsozialisten genutzt, während sie diese Menschen umbrachten."

Kein Problem sieht Nils Fiechter, der Co-Präsident der Jungen SVP Kanton Bern. "Das ist überhaupt nichts Diskrimierendes oder Rassistisches", sagt er dem Sender. "Vielleicht ist auf der nächsten Traktandenliste der Linken das Wort 'Führerschein', das könnte ja auch negativ ausgelegt werden."

Nicht nur Rechte sprechen von "Zigeunern"

Fiechters Partei kassierte wegen eines Wahlplakats, auf dem die Partei Stimmung gegen Transitplätze für "ausländische Zigeuner" macht, eine Anzeige. Doch der Begriff wird nicht nur von der politischen Rechten benutzt. So unterstützt etwa das Sozialdepartement der Stadt Zürich das Festival "Zigeunerkultur", das demnächst zum wiederholten Mal stattfindet.

Nationalrätin Katharina Prelicz (Grüne) tritt am Festival auf. "Die Errungenschaft der Zigeunerkulturtage ist, dass mit Jenischen, Sinti und Roma alle Gruppierungen auf einem Platz sind", sagt sie. Trotzdem sei das Wort schwierig. Das fahrende Zigeunerkulturzentrum, das die Kulturtage organisiere, nutze das Wort aus einem Grund. Häufig werde mit der Frage "Was ist das?" reagiert, wenn man sich als Jenisch vorstelle. "Deshalb sagen die einen, sie seien stolze Zigeuner."

Wie "schwul" und "lesbisch"?

Es gehe dann um eine positive Aneignung des Wortes, ähnlich wie bei den Homosexuellen. Dort seien die Worte "schwul" und "lesbisch" ebenfalls eine Zeit lang verpönt gewesen, bis eine Gegenbewegung eingesetzt habe, die die Beschreibungen mit Stolz benutze. Gruppen wie die Junge SVP hingegen benutzten den Begriff "aktiv verletzend". "Schlussendlich müssen die Betroffenen selber entscheiden, wie sie genannt werden wollen", sagt Prelicz.

Beim Sozialdepartement der Stadt Zürich heißt es, eine Umbenennung sei nie ein Thema gewesen. "Die Wahl des Namens wurde nachvollziehbar begründet", sagt Sprecherin Heike Isselhorst. "Das Departement bewertet die Namensgebung nicht, solange der Name nicht rassistisch, frauenfeindlich oder diskriminierend ist."

"Begriff ist veraltet"

Der Verein, der hinter dem Festival steht, schreibt, es sei schwierig, eine einfache, nicht ausschließende oder diskriminierende Bezeichnung für die verschiedenen Völkergruppen zu benützen. "Wenn wir den umstrittenen Begriff 'Zigeuner' verwenden, tun wir das, weil die mitorganisierenden Jenischen und auch manche Roma und Sinti den Begriff durchaus mit Stolz und positivem Selbstverständnis verwenden."

Venanz Nobel, Vertreter der Jenischen in der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR), sagt: "Wir betrachten 'Zigeuner' als veraltet." Es sei eine historische Fremdbezeichnung, die unterschiedlichste Gruppen zusammenfasse. "Selbstverständlich soll das Wort in historischen Texten als Zeitzeuge stehen bleiben", sagt Nobel.

Laut dem Übereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten hätten diese ein Recht auf ihre Selbstbezeichnung. Die EKR unterstütze das vorbehaltlos. Minderheiten müssten benannt werden – also als Jenische, Sinti und Roma. "Es ist an der Zeit, dass sich auch die Öffentlichkeit Zeit für die korrekte Selbstbezeichnung nimmt", sagt Nobel. "So erübrigen sich hoffentlich Hassdiskussionen zwischen Befürwortern und Gegnern des 'Zigeunerschnitzels'." (ehs/20 Minuten)