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Ist die Game-Community wirklich so vergiftet?

Hass-Kommentare, Drohungen gegen Designer: In der Game-Welt gehen die Wogen hoch. Doch das Jammern der Industrie ist heuchlerisch.

Heute Redaktion
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Aus der Welt der Gameindustrie ist derzeit ein großes Wehklagen zu vernehmen: Gamedesigner werden von wütenden Fans mit hasserfüllten Kommentaren und Beleidigungen eingedeckt und bisweilen sogar bedroht. Gameportale wie Kotaku.com sprechen von einer vergifteten ("toxic") Community. Gameprofis wie Jeff Kaplan von Blizzard ("Overwatch") und Charles Randall (Ubisoft, Bioware) erklären, die Gamedesigner würden sich davor fürchten, in Fan-Foren zu posten. Und zwar weil sie mit Shitstorms von erbosten Fans rechnen müssen, die sich um etwas betrogen fühlen oder es besser zu wissen scheinen.

Zwar gehört die gehässige Tonalität unter der Gürtellinie zu den Schattenseiten des offenen Internets, in der Gamewelt gehen die Wogen bisweilen aber besonders hoch. "Der giftige Ton gehört heute zum Zeitgeist", sagt Medienforscher Florian Lippuner. Der Kommunikationsstil habe sich durch die neuen Medien verändert. Dass es in den Game-Communities besonders deftig zur Sache geht, will er nur bedingt stehen lassen. "Echte Hasskommentare machen einen verschwindend geringen Teil der Diskussion aus – nur hört man diese Leute am besten", sagt er.

Testosteron und Leidenschaft

Obwohl er Bedrohungen und beleidigende Kommentare "unter aller Kanone" findet, bringt Lippuner ein gewisses Verständnis für die Kritik von Gamern auf. Vor allem im E-Sport, wo der Ton sehr rau sein kann, gehe es um ein spannungsgeladenes, wettbewerbsorientiertes und testosterongeladenes Umfeld.

Die Intensität ist aber nicht nur dort spürbar: "Die Leidenschaft von Gamefans ist hoch. Für viele ist Gamen ein wichtiger Teil ihres Lebens", erklärt der Medienforscher. Hobbys seien identitätsstiftend – das gelte aber auch für andere Leidenschaften wie Autos oder Musik.

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Bei Entscheidungen von Gameentwicklern kann es aber sein, dass Fans den Kern ihrer Leidenschaft – zum Beispiel den Grundcharakter eines Spiels – in Gefahr sehen. Der wütende Kommentar wäre dann als besorgter Aufschrei zu verstehen, dass das Lieblingsgame verschlimmbessert oder gar unspielbar wird.

"Die Gameindustrie hat die Büchse der Pandora aber einst selbst geöffnet", sagt Lippuner. Über Community-Tools profitierte sie von den Ideen von Gamefans und ließ diese in die Spiele einfließen. "Sie zapften die Ressourcen an, profitierten von den Skills der Gamer und verdienten Geld damit. Nun beklagen sie sich darüber, dass sich die Machtverhältnisse verschoben haben", sagt er.

Die Gameindustrie reagiere wie einst die Plattenfirmen, indem sie die Diskussion auf eine moralische Ebene hebe. Im Klartext: Die Gameindustrie hört nicht zu, sondern beklagt sich heuchlerisch über die "toxischen" Gamefans, von denen sie aber profitiert hat. Lippuner: "Die Gamer fühlen sich verraten."

Spieler sollten sich organisieren

Unlösbar ist die Situation indessen nicht. "Die Gameindustrie sollte gezielt Vertreter der Community an den Tisch holen", sagt Lippuner. Denkbar seien Spielerverbände oder Spielerräte, die die Anliegen der Gamer vertreten. Organisiert sich die Fangemeinde, können auch Trolle und Hasskommentatoren, die letztlich der Gemeinschaft schaden, isoliert und ausgegrenzt werden.

Für die Gameentwickler gäbe es dadurch klare Ansprechpartner und nicht einen diffusen Sumpf, der in seiner Undurchschaubarkeit als vergiftet wahrgenommen wird. Am Ende geht es darum, dass sich beide Seiten respektiert und ernst genommen fühlen. Hassen bringt dabei ebenso wenig, wie pauschal zu verurteilen.