Szene

Josef Hader: Mit "Wilde Maus" im Berlinale-Affenzirkus

Heute Redaktion
Teilen

Das Leben ist eine Achterbahn - das weiß keiner besser, als Josef Hader. Eben noch reitet er die "Wilde Maus" im Wiener Prater, schon steht er bei der Berlinale auf dem Teppich. Am Samstag feiert seine Tragikomödie Weltpremiere beim Berliner Filmfestival; wir trafen den Regie-Neuling vorab zum Interview. Hader über politisch korrekte Wutbürger, Abstumpfung und Verbundglas.

Das Leben ist eine Achterbahn - das weiß keiner besser, als . Eben noch reitet er die "Wilde Maus" im Wiener Prater, schon steht er bei der Berlinale auf dem Teppich. Am Samstag feiert seine Tragikomödie Weltpremiere beim Berliner Filmfestival; wir trafen den Regie-Neuling vorab zum Interview. Hader über politisch korrekte Wutbürger, Abstumpfung und Verbundglas.

"Heute": Georg ist ein etablierter Schreiber, seine Frau verdient gut, er lebt ein Bobo-Leben. Der Jobverlust ist nicht existenzbedrohend. Warum diese Reaktion?

Josef Hader: Ich hab am Anfang nicht genau gewusst, wo die Reise hingeht. Ich wusste nur: Ein Mann verliert seine Arbeit und beginnt sich zu wehren. Eigentlich ist das ja eine Tragödie, aber genau deshalb könnte das eine interessante Komödie werden. Zuerst wollte ich das steigern, dass er eine Familie hat, ein kleines Kind. Aber das ist so tragisch, das zieht ja alle nur runter. Dann hab ich mir gedacht: Besser, als ein Kind zu haben, ist, an einem zu basteln. Der Film soll eine Satire sein über uns Innenstadt-Bewohner. All die komischen Leute aus dem Mittelstand, die  ihre Problemchen ganz groß aufblasen. Der Georg ist ja ein luxuriöser Arbeitsloser. Er kriegt eine Abfindung, er könnte total viel daraus machen, aber reagiert wie in einer Tragödie. Und das nicht, weil er solche Geldprobleme hat, sondern weil er so ein Ego hat. Weil das für ihn so einen Bedeutungsverlust darstellt. Er ist unglaublich beleidigt auf die ganze Welt.

 

Ist Rache süß oder das Handwerkszeug der schlechten Verlierer?

Rache ist unklug, weil sie daran hindert, loszulassen. Man verfranzt sich so in der Feindschaft, das ist so ungesund, das befriedigt ja nicht. Ich bin immer gut damit gefahren, mich abzuputzen. Ich schließe ab, als würde ich eine Tür verschließen und den Schlüssel wegwerfen.

 

Bevor ich den Film gesehen habe, hätte ich Sie gefragt, wo für den Rächer der "Point of No Return ist".  Aber es war dann so eindeutig. Der Moment, in dem Georgs begnadeter Kopf in der Zeitung in Zusammenhang mit einem so gar nicht begnadeten Text verwendet wird. Das kann ich verstehen.

Klar, ich auch. Da geht's nicht mehr ums Geld, sondern nur noch um die Ehre. Ich kenne das. Als Künstler hat man das, wenn man Interviews liest, die der Journalist so komprimiert hat, dass die eigene Sprache weg ist. Sie meinen das gut, aber ich denk mir dann: So red' ich doch nicht. Ich hab ein witziges Interview gegeben und jetzt les ich gar nichts davon.

Wahre Tragödien, die da draußen in der Welt stattfinden, tauchen im Film nur als Hintergrundgeräusche aus dem Radio oder Fernsehen auf. Warum diese Zurückhaltung?

Ich höre jeden Tag die Nachrichten, darunter ganz üble Dinge. Ich kann sie nicht nur nicht ändern, sondern auch nicht mehr einschätzen. Ich weiß bis heute nicht, wer in Syrien die Guten und die Bösen sind, auch, wenn ich mir das schon oft hab erklären lassen. Und irgendwann reagiert man mit Abstumpfung. Die Nachrichten perlen an uns ab. Das versuche ich im Hintergrund zu schildern. Und natürlich auch der Witz: Kleiner Schmalspur-Terror im Vordergrund, der ganz große Terror im Hintergrund. Ich erzähle Geschichten, die einen Bezug zur aktuellen Stimmung haben. Nicht zwingend Geschichten darüber. Und aktuell ist es eben so, dass sich immer mehr Leute Waffen kaufen, dass es Wutbürger gibt. Und, mir war wichtig, dass dieser Wutbürger kein Kleinbürger ist. Sondern, das ist so jemand wie ich. Das passiert bei uns im politisch korrekten Mittelstand.

 

Neuland für den Kabarett-Profi

Drehbuch, Regie, Hauptrolle - scheint, als ob Sie sich am liebsten auf sich selbst verlassen...

So komisch das für einen Solokabarettisten klingt: Ich bin ein Teamplayer und hab's im Film genossen, im Team zu arbeiten. Aber: Ich hab jetzt schon sehr viel Filme gemacht, wo ich bei bestimmten Entscheidungen mitreden durfte, bei denen die Schauspieler normalerweise nicht mitreden dürfen. Irgendwann kommt automatisch der Reiz, das ganze Ding von vorne bis hinten durchzuziehen. Idee von mir, Buch von mir, Regie von mir. Erst am Schluss, im Schnitt, entscheidet sich nämlich, wie die Geschichte wirklich erzählt wird. Ich wollte die ganze Geschichte so erzählen, als wäre ich auf der Kabarett-Bühne. Da entscheide ich ja auch selber. Das ist der Grund, warum ich Regie führen wollte.

 

Wie fühlte es sich an, einmal blutiger Anfänger zu sein?

 Extrem spannend. Das war die beruflich spannendste Zeit in 20 Jahren.

Gab's beim Dreh Momente, in denen ihnen das auch schmerzlich bewusst wurde?

Viele. Weil ich null Erfahrung hatte. Ich hab' natürlich versucht, mich besonders gut vorzubereiten, aber im Endeffekt konnte ich auf nichts zurückgreifen, das mir die Sicherheit gegeben hätte, es zu können. Da war kein Grundvertrauen. Aber nach drei Tagen kam die Meldung aus Schnitt, dass das Material gut zusammenpasst. Ab da war klar: Das ist wie ein Puzzle, bei dem ich meine Szenen zusammentragen kann und am Ende werden sie wohl harmonieren. Da komm ich durch und das macht Spaß.

 

Ist was schiefgelaufen?

Und wie: Das war eine schlimme Sache, einer der enttäuschendsten Drehtage. Wir wollten, dass das Auto, auf das eingeschlagen wird, ganz spektakulär splittert und haben dafür extra eine Probe im Hof der Filmfirma gemacht. Und: In die Bratpfanne einen Stachel reingegeben, damit das noch eindrucksvoller wird. Dann kommt der Drehtag, der Schauspieler haut drauf und nix passiert. Wir haben nämlich ein Modell erwischt, das rundherum Verbundglas hat, und da splittert gar nichts. Und wir wissen: Beim Österreichischen Film hast du genau einen Versuch, das hinzukriegen. Da war ich richtig angf'ressen.

 

Wie äußerst sich das: brüllen, beschimpfen, ganz laut schweigen?

Nein, nein, das hab ich gleich gewusst. Wenn man schon so alt ist und erst das erste Mal Regie führt, dann muss man gelassen sein. Wir haben es jetzt so geschnitten, dass wir die Dinge, die gut splittern, Scheinwerfer und Spiegel, ins On gegeben haben. Dazwischen sieht man meine Reaktion ein bisschen ausführlicher, als es geplant war. Haben uns halt hingeschummelt. Aber dann, am Ende, macht das Verbundglas wieder was her, weil es so schön zerstört ist.

Vom Prater zur Berlinale

Ist der nächtliche Prater ihr Pflaster? Finde ich Sie dort im Tagada, in der Mitte, freihändig?

Nein, der ganz kleine Hader war schon im Riesenrad und dann als Student natürlich, scharfe Geräte fahren. Später mit den Kindern, aber nach zwei Stunden krieg ich Kopfweh und muss weg. Der Prater ist super, aber ich halt ihn nur kurz aus. Aus filmischer Sicht war die Überlegung, dass ich so immer wieder auf eine ganz andere Welt schneiden kann. Ein schönes Element für Bild und Ton. Ich wollte keine Szenenmusik verwenden, die draufgeklatscht wird, um Abwechslung zu erzeugen. Ich wollte, dass die Originalatmosphären weitgehend die Musik machen.

 

Wie treten Sie am Samstag der Berlinale gegenüber?

In einem schönen Anzug, der 50 Prozent reduziert war. Ich kenn das Festival ja ein bissl, weil ich mit zwei Brenner-Filmen in einer anderen Sektion dort war. Jetzt, im Wettbewerb, ist's halt hitziger, mit mehr Interviews, wie eine große Messe. Ich flieg am 9. Februar, am Samstag ist die Premiere mit Teppich, ich gebe zwei Tage lang nur Interviews. Da  sitzt man in einer Koje wie bei einer Messe. Und dann ist's schon wieder aus. Ich mag die Berlinale als Zuschauer extrem gerne. Jeder normale Mensch kriegt dort Karten, ich war noch nie akkreditiert. Deshalb freut es mich besonders. Ist natürlich ein bissl ein Affenzirkus, bei dem für seinen Film trommeln kann. Das mach ich gerne, weil ich den Film mag. An den Preis denke ich gar nicht, da es sehr unüblich ist, dass Komödien Preise kriegen. Das wäre schon eine Überraschung.

PS: Holen Sie sich jetzt die HeuteTV-App (gratis für ) zur Programmsuche und den wichtigsten News rund um Kino, TV & Stars!