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Juncker droht Erdogan mit Aus für EU-Beitritt

Heute Redaktion
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Recep Tayyip Erdogan und Jean-Claude Juncker
Recep Tayyip Erdogan und Jean-Claude Juncker
Bild: Reuters/Francois Lenoir

Der EU-Kommissionspräsident stellte klar: Zahlungen an die Türkei könnten eingestellt werden, kommt die Todesstrafe, werden die Beitrittsverhandlungen beendet

In einem Interview mit der Rheinischen Post erklärte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, dass die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei nicht abgebrochen werden müssen, da sie derzeit "de facto auf Eis" liegen.

Die Einführung der Todesstrafe wäre jedoch "die roteste aller roten Linien. Wenn aus der Einführung der Todesstrafe mehr als Rhetorik würde, wäre das ganz klar eine Absage der Türkei an die europäische Familie. Es käme einem Abbruch der Verhandlungen gleich."

Die EU zahlt der Türkei Förderungen in Milliardenhöhe, doch laut Juncker könnte dies bald beendet sein, wenn Präsident Recep Tayyip Erdogan seinen derzeitigen Kurs fortsetzt: "Von den 4,45 Milliarden Euro, die zwischen 2014 und 2020 vorgesehen waren, um den Beitrittsprozess zu fördern, wurden so erst 167,3 Millionen ausgezahlt. Im Lichte der Entwicklungen schauen wir uns nochmal sehr genau an, welche Projekte wir künftig unterstützen", so Juncker.

Reformen notwendig

Denn die Gelder sollen der türkischen Zivilgesellschaft im Sinne der Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Meinungsfreiheit zu Gute kommen – drei Themen, die nicht ganz oben auf Erdogans Prioritätenliste stehen.

"Die EU-Mittel sind ja unter anderem dazu da, den Ausbau des Justizsystems in der Türkei zu fördern und zum Beispiel Richter in EU-Recht auszubilden. Aber wenn eben diese Richter im Gefängnis sitzen, ist es absurd, Gelder in die Richterausbildung zu stecken. Daher ist die Auszahlung von Mitteln an konkrete Reformen gebunden, sie können erst dann gänzlich freigegeben werden, wenn alle Auflagen erfüllt sind", konkretisierte Juncker.

Flüchtlingsabkommen bleibt

Das von Erdogan immer wieder gedrohte Kündigen des EU-Türkei-Abkommens in der Flüchltingsfrage, sieht der Kommissionspräsident gelassen, denn "der Schutz der gemeinsamen Grenze ist in beiderseitigem Interesse. Der Türkei ist auch daran gelegen, dass sie Schleppern das Handwerk legt."

"Außerdem ist sie im Interesse ihrer Wirtschaft nicht nur auf Rechtssicherheit, sondern auch auf Europa angewiesen", betont Juncker. "Die EU ist ihr wichtigster Handelspartner. Es gehen mehr als 40 Prozent der türkischen Exporte in die EU. Auch europäische Direktinvestitionen spielen eine große Bedeutung für die Türkei, sie lagen allein 2015 bei fast 76 Milliarden Euro. Bei aller Rhetorik kann man sich also getrost nochmal klar machen, dass das Schicksal der Türkei sehr eng an die EU geknüpft ist."

(jm)