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Kann man erlernen, ein "echter" Migrant zu sein?

Heute Redaktion
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Wie desintegriert man sich als junger Wiener mit Migrationshintergrund wieder aus der Gesellschaft? Dieser Frage geht die böse Komödie auf den Grund.

Marko (Aleksandar Petrovic) und Benny (Faris Rahoma) sind jene zwei jungen Männer mit Migrationshintergrund, die für das schnelle TV-Geld wieder zu ihren Ausländer-Wurzeln zurückfinden wollen.

Der eine schlägt sich als erfolgloser Schauspieler durch, kann aber dank seiner wohlhabenden Mutter auf finanzielle Unterstützung zählen. Der andere ist ein Hipster, wie er im Buche steht. Vollbart, Wollmütze, teures Rennrad und Mitinhaber einer Werbeagentur.

Reality-TV-Stars

Vom zwielichtigen Schmalspurgangster aus einem Problembezirk sind beide Lichtjahre entfernt. Doch genau dort wollen sie wieder hin. Denn bei der Entrümpelung der Wohnung von Markos Vater im fiktiven Grätzel Rudolfsgrund wird ein Fernsehteam auf das Duo aufmerksam. Man hält sie für authentische Anrainer der Gegend, Bennie und Marco lassen sich aufgrund beruflicher Erfolglosigkeit auf die Sache ein.

Es gibt jedoch ein großes Problem. Weder Marco noch Bennie haben eine konkrete Ahnung davon, was es heißt, ein "authentischer" Migrant zu sein. Also suchen sie im "Hood" Hilfe und betätigen sich als Hobby-Sozialanthropologen. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten finden sie in Juwel (großartig gespielt von Mehmet Ali Salman), einem jungen Mann, der auf den Straßen des Rudolfsgrunds großgeworden ist, ihren Lehrmeister.

Ernste Hintergründe

So beginnt eine Scharade, die auf witzige Art mit allen nur erdenklichen Vorurteilen und Klischees spielt und teilweise stark überzeichnet. Vor den durchaus ernsten Hintergründen von Integration, sozialem Gefälle und sensationsgeilen Medien erzählt "Die Migrantigen" auf frische, unterhaltsame Art und Weise die Geschichte von Marko und Bennie. Viel davon wirkt tatsächlich wie aus dem Leben gegriffen.

Speziell die Kritik an diversen Reality-TV-Formaten, die mit dem Leid und der sozialen Herkunft der Leute auf Quote aus sind, bleibt beim Anschauen hängen. Wie sehr darf man Darstellungen in derartigen "Sozialpornos" glauben, und wie sehr verzerren die vermeintlichen Hauptabendprogramm-Ausflüge an den Rand der Gesellschaft den Blick auf die Wahrheit?

Lügenpresse?

Marco und Benny sorgen mit ihren TV-Alter-Egos Tito und Omar dafür, dass der Rudolfsgrund in ein schlechtes mediales Licht gerückt wird. Eine geplante Grätzelaufwertung droht zu kippen. Doch die TV-Journalistin Marlene Weizenhuber (Doris Schretzmayer), die den beiden eine Bühne bietet, denkt nur an die Quote.

Der fiktive Rudolfgrund steht stellvertretend für Wiener Grätzeln wie den Brunnenmarkt oder den Karmelitermarkt. Viertel mit hohem Migrationsanteil, die sich im Lauf der Zeit in hippe Wohnviertel für junge Akademiker entwickelt haben. Der Wandel lockt neue Geschäfte an und sorgt neben der finanziellen Aufwertung auch für eine insgesamt verbesserte Lebensqualität.

Der Film geht auch der Frage nach, ob es gerade in einer Stadt wie Wien, die schon immer ein Schmelztiegel diverser Kulturen war, wirklich so etwas wie eine indigene Bevölkerung gibt. Die Antwort darauf überlässt man dem Zuseher.

Fazit

Jeder, der in Wien zu Hause ist, sollte sich diesen Film ansehen. Denn es gibt so viele Szenen, in denen man sich selbst und seine etwaigen Vorurteile erkennen kann.

Die Botschaft, die "Die Migrantigen" vermitteln will (zumindest ist sie so beim Autor angekommen) ist jene, dass in sogenannten "Problembezirken" nicht alles so drastisch und schlimm ist, wie es medial oft dargestellt wird. Es gibt in Wien keine "No Go"-Bezirke, in denen man als Auswärtiger oder Tourist Angst um sein Leben haben muss.

Nicht jeder Teppichhändler dient nur als Fassade für Drogen- oder Geldwäschegeschäfte. Ein Wettbüro muss nicht zwingender Maßen das meiste Geld mit illegalen Boxkämpfen machen. Auch wenn uns das die irrationalen Vorurteile manchmal einreden wollen.

Mit der Überzeichnung zahlreicher Klischees will man all jenen die Angst nehmen, die aus genau diesen Vorurteilen ungern mit der U-Bahn fahren oder sich bei Dunkelheit in manchen Straßen Wiens nicht mehr wohl in ihrer Haut fühlen.

(baf)