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"Keine Freunde aus Arbeiterklasse" – wer ist Rishi Sunak?
Im Rennen um den Premier-Posten hat Favorit Rishi Sunak gewonnen. Wer ist Mann, der sich als Aufsteiger aus einer Einwandererfamilie präsentiert?
In die Downing Street Nummer 10 zieht mit Rushi Sunak ein neuer britischer Premier ein. Wer ist der 42-Jährige, der von sich sagt, das Land mit "Integrität und Professionalität" führen zu wollen – und was ist es an ihm, das seine Kritiker zur Weißglut treibt?
Sunak – in Großbritannien geboren und ältestes von drei Geschwistern – präsentiert sich als Aufsteiger aus einer Einwandererfamilie. Allerdings ist sein Werdegang das Gegenteil einer "vom Tellerwäscher zum Millionär"-Geschichte. Die indischen Großeltern kamen in den 1960ern nach Southhampton, Sunaks Vater war Arzt, die Mutter Apothekerin und Sunak selbst studierte an Eliteschulen wie der Stanford Graduate School of Business.
Schnell einer der beliebtesten im Land
Hier lernte er auch seine spätere Frau kennen, Tochter eines IT-Milliardärs. Sunak war erst Analyst bei der Investmentbank Goldman Sachs, bevor er in die Politik einstieg und einen spektakulären Aufstieg hinlegte: Binnen fünf Jahren schaffte er es auf den zweithöchsten Regierungsposten im Vereinigten Königreich – und wurde zu einem der beliebtesten Politiker des Landes.
Was mochten die Leute an dem Konservativen? Sein Engagement, das Wirkung zeigte. In der Corona-Pandemie 2020 bewahrte sein Krisenprogramm zur Lohnfortzahlung von bis zu 80 Prozent viele Briten vor der Arbeitslosigkeit. Er galt seither als kompetent und als einer, dem man abkaufte, dass er wirklich helfen wolle, dies mussten selbst Sunaks Kritiker zugeben.
Ihnen gab Sunak aber zunehmend Angriffsfläche. So machte ein BBC-Dokufilm die Runde, in dem Sunak erzählte, dass er "keine Freunde aus der Arbeiterklasse" habe. Und dass er "auch Kinder aus staatlichen Schulen dazu ermutige, sich in Oxford zu bewerben". Viele Briten sahen diese Aussagen als puren Snobismus eines eingebildeten Karrieristen.
Steuerskandal um reiche Ehefrau
Im Frühjahr dieses Jahres folgte schließlich ein Skandal, der Sunak fast sein politisches Genick brach. So wurde öffentlich, dass seine Frau Akshata Murthy über Jahre Steuern in Millionenhöhe vermieden hatte, da sie nicht offiziell in Großbritannien gemeldet war.
Ein gefundenes Fressen für die Opposition, die Sunak Heuchelei vorwarf – obgleich die Praxis nicht illegal war. Dass Sunak während des nationalen Lockdowns dann auch noch bei Boris Johnsons Partys dabei war, machte die Sache nicht besser. Sunaks Umfragewerte sanken - auch, weil Sunak der Bevölkerung immer noch mehr Steuern aufdrückte. Laut dem "Guardian" war die Steuerbelastung so hoch wie seit den 1940er-Jahren nicht mehr.
"Es fehlt ihm an Loyalität"
Viele konservative Wähler haben Sunak zudem seinen Rücktritt als Finanzminister nicht vergeben, kurz bevor auch Skandalpremier Johnson wegen "Partygate" und anderer Verfehlungen das Tuch warf.
"Es fehlt Sunak an Loyalität", sagt etwa Michael Bower* aus Sunderland im englischen Nordosten zu 20 Minuten. "Erst bekundete er immer sehr öffentlichkeitswirksam seinen Rückhalt für Boris, dann trat er zurück, weil er Boris angeblich nicht mehr vertraute. Das war rein politisches Kalkül."
Der 65-Jährige fügt an: "In unserem Pub-Parlament ist die Gefühlslage klar: Sunak als Premier - das ist, als ob man Brutus einladen würde, den römischen Senat zu führen."
Hautfarbe als Problem für manche
Auch der Elefant im Raum muss benannt werden: Sunaks indische Wurzeln und Hautfarbe stellen für einen Teil der Bevölkerung der einstigen Kolonialmacht ein Problem dar. Das machte eine Radiosendung vom Sonntagmorgen deutlich. Ein Anrufer, der sich auf LBC als Jerry und Fan von Boris Johnson zu erkennen gab, sagte: "Rishi Sunak liebt England nicht und ist in den Augen der meisten Leute nicht einmal britisch".
85 Prozent der Engländer seien "weiße Engländer", und sie wollten «einen Premierminister, der das widerspiegelt. Ich kann doch auch nicht einfach nach Indien gehen und dort Premierminister werden, oder?". Dass Sunak - im Gegensatz zu Johnson, der in den USA geboren wurde - in Großbritannien geboren und aufgewachsen ist, beeindruckte den Mann nicht.
Es waren allerdings weder die Jerrys noch die restliche britische Bevölkerung, die den Premier wählten, sondern die Abgeordneten der konservativen Partei.