"Kipp-Elemente" in Gefahr

Klima-Experten fordern Extra-Schutz für Ökosysteme

Amazonas, Gletscher und Korallenriffe sind essenziell für die Erde. Kippen diese Systeme, dann könnte sich unser Klima noch drastischer verändern.

Heute For Future
Klima-Experten fordern Extra-Schutz für Ökosysteme
Ilulissat-Eisfjord in Grönland
Getty Images/iStockphoto

Ein intakter Eisschild auf Grönland, tropische Regenwälder und Dauerfrostböden in kalten Regionen sind für die Bewohnbarkeit der Erde unverzichtbar. Sie sollen deshalb als "planetare Gemeinschaftsgüter" rechtlich geschützt und überregional verwaltet werden, erklärt ein internationales Expertenteam mit österreichischer Beteiligung. Damit könne man für das Klima kritische "Erdsystemfunktionen" wirksam schützen. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift "PNAS" veröffentlicht.

Derzeit gibt es rechtlich festgelegte "globale Gemeinschaftsgüter" wie die Hohe See, den Weltraum, die Antarktis und die Erdatmosphäre. Sie liegen außerhalb von souveränen Ansprüchen, das heißt, kein Land kann über sie verfügen. Forscher von der Universität Potsdam schlagen vor, dass dies auch für "kritische biophysikalische Systeme" gelten soll, die "die Widerstandsfähigkeit und den Zustand und damit auch die Lebensqualität auf der Erde regulieren".

Zu den Kipppunkten gehören unter anderem der Grönländische Eisschild, der Permafrostboden in Sibirien, der Amazonas Regenwald und der Golfstrom.

"Kritische Infrastruktur" der Erde schützen

Diese "kritischen Regulierungssysteme der Erde werden heute durch menschliche Aktivitäten in einem noch nie dagewesenen Ausmaß unter Druck gesetzt", erklären die Forscher, zu denen auch Nebojsa Nakicenovic vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg (NÖ) und der Technischen Universität Wien gehört: "Unser bestehendes globales Umweltrecht reicht nicht aus, um sicherzustellen, dass die planetaren Belastungsgrenzen nicht überschritten werden."

Deshalb brauche man "dringend planetare Gemeinschaftsgüter als neuen Rechts- und Governance-Ansatz, der die kritischen Erdsystemfunktionen wirksamer schützen kann", meinen sie.

Klima-Kippelemente erklärt

Klima-Kippelemente sind wichtige Bestandteile des Erdsystems, die ein Schwellenverhalten aufweisen. Bei zunehmender globaler Erwärmung bleiben sie zunächst im Wesentlichen stabil, aber können dann ab einem bestimmten Schwellenwert bereits durch kleine zusätzliche Störungen in einen qualitativ neuen Zustand versetzt werden: sie "kippen". Das ist wie bei einer wertvollen Vase, die zunächst stehen bleibt, wenn die Tischplatte immer schiefer gestellt wird. Erst passiert nichts – dann reicht eine kleinste Erschütterung, und sie kippt.

Dem Schwellenverhalten im Erdsystem liegen oft selbstverstärkende Prozesse zugrunde, die – einmal angestoßen – auch ohne weiteren externen Einfluss weiterlaufen. Bereits das Überschreiten einzelner Kipppunkte hat weitreichende Umweltauswirkungen – Gletscherschmelze, Meeresspiegelanstieg, Dürre, Waldbrände, Korallensterben, Erhitzung der Meere sowie Überflutungen– welche die Lebensgrundlage vieler Menschen gefährden. Es besteht zudem das Risiko, dass durch Rückkopplungsprozesse weitere Kipppunkte im Erdsystem überschritten werden und so eine dominoartige Kettenreaktion ausgelöst wird.

Auswirkungen der Klimakrise in Österreich

1/12
Gehe zur Galerie
    Zahlreiche Starkregenereignisse haben im Sommer - wie hier im Bild im Raum Hochburg-Ach in Oberösterreich - zu Hochwasser, Überschwemmungen und Vermurungen geführt.
    Zahlreiche Starkregenereignisse haben im Sommer - wie hier im Bild im Raum Hochburg-Ach in Oberösterreich - zu Hochwasser, Überschwemmungen und Vermurungen geführt.
    MANFRED FESL / APA / picturedesk.com
    red
    Akt.