Gesundheit

19-Jähriger ist jüngster Patient mit Alzheimer-Diagnose

Pekinger Wissenschaftler bezeichnen dies als die jüngste Diagnose von Alzheimer überhaupt. Der Mann hat keine familiäre Alzheimer-Vorgeschichte.

Sabine Primes
Wie entsteht Alzheimer? Diese Frage ist trotz jahrzehntelanger Forschung noch immer nicht restlos geklärt. Dennoch werden die Ursachen und Mechanismen der Krankheit immer besser verstanden.
Wie entsteht Alzheimer? Diese Frage ist trotz jahrzehntelanger Forschung noch immer nicht restlos geklärt. Dennoch werden die Ursachen und Mechanismen der Krankheit immer besser verstanden.
Getty Images/iStockphoto

Ein Teenager aus China ist der weltweit jüngste Patient mit einer wahrscheinlichen Diagnose von Alzheimer. Der 19-Jährige aus Peking hatte seit zwei Jahren Symptome wie Gedächtnisverlust, Konzentrationsschwierigkeiten, verzögerte Reaktionen und Leseschwierigkeiten. Als er die Ärzte der Capital Medical University in Peking aufsuchte, konnte er sich nicht einmal mehr daran erinnern, was er am Vortag zu Abend gegessen hatte, und musste sein letztes Schuljahr an der High School abbrechen.

Alzheimer ist die häufigste Form der Demenz und eine unheilbare Störung des Gehirns. Durch das Absterben von Nervenzellen im Gehirn werden Menschen mit Alzheimer zunehmend vergesslich, verwirrt und orientierungslos.
Alzheimer ist chronisch und verschlimmert sich im Laufe der Zeit. In der Regel sterben die Betroffenen drei bis 11 Jahre nach der ersten Diagnose. Die Alzheimer-Krankheit kann aber auch jahrelang im Verborgenen bleiben, ohne dass sich Symptome zeigen. Forscher sprechen dann von einer präklinischen Alzheimer-Krankheit. Es gibt zwar Möglichkeiten, die Krankheit und ihre Folgeerscheinungen zu behandeln, aber stoppen oder gar heilen lässt sie sich bisher noch nicht.
Neurowissenschaftler arbeiten seit Jahren konsequent an der Entwicklung eines Alzheimer-Diagnoseinstruments, mit dem die Krankheit früher erkannt werden kann. Eine frühere Diagnose ermöglicht eine frühere Behandlung, wodurch sich die Überlebenschancen des Patienten erhöhen.

Eindeutige Kennzeichen

Tests und Scans zeigten, dass sein Hypothalamus, ein Bereich des Gehirns, der eine Rolle bei der Wahrnehmung spielt, geschrumpft war. Außerdem wies er Schäden an seinem Schläfenlappen und erhöhte Werte eines Proteins namens Tau auf –  beides Kennzeichen der Alzheimer-Krankheit. Die Ärzte waren verwundert, als sie feststellten, dass er weder eine familiäre Vorgeschichte noch eine genetische Mutation hatte, die normalerweise bei sehr jungen Alzheimer-Patienten vorkommt. Die Fallstudie wurde im Journal of Alzheimer's Disease veröffentlicht.

Unterschied zwischen Alzheimer und Demenz
Im alltäglichen Sprachgebrauch werden die Begriffe "Alzheimer" und "Demenz" oft gleichbedeutend verwandt. Dabei ist die Alzheimer-Krankheit mit rund zwei Drittel aller Fälle die häufigste Demenzform. Unter dem Begriff "Demenz" werden über 50 Krankheiten zusammengefasst, bei denen die Gehirnleistung abbaut. 

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    Die 22-Jährige Streamerin "MsDirtyBird" täuschte einen Hirntumor vor, um mehr Zuschauerinnen und Zuschauer in ihren Streams zu haben.
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    twitch.tv/msdirtybird

    Genetische Mutation bei früher Alzheimer

    Es gibt mehr als eine genetische Mutation, die für die Diagnose eines frühen Alzheimer ausschlaggebend sein kann: Presenilin 1, Presenilin 2 und Amyloid-Vorläuferprotein (APP). Diese Mutationen verursachen eine übermäßige Produktion des toxischen Eiweißfragments Amyloid-beta-Peptid, einer Vorstufe der für Alzheimer charakteristischen Amyloid-Plaques. "Dies ist der jüngste jemals gemeldete Fall, der die diagnostischen Kriterien für eine wahrscheinliche [Alzheimer-Krankheit] ohne genetische Mutationen erfüllt". Die Alzheimer-Krankheit befällt in der Regel Menschen im Alter von 65 Jahren und darüber. Diagnosen vor dem 65. Lebensjahr machen etwa fünf bis 10 Prozent aller Alzheimer-Fälle aus. Bisher war die jüngste Person, bei der die Alzheimer-Krankheit diagnostiziert wurde, 21 Jahre alt und hatte eine Genmutation.

    Eine Hirnbiopsie konnten die Forscher aufgrund des Eingriffsrisikos für den Patienten nicht machen, führten aber eine Reihe von diagnostischen Tests durch, um die Biomarker der Krankheit des Mannes zu identifizieren. Es folgte eine Reihe kognitiver Tests, bei denen der Patient eine Reihe von Wörtern anhören und nach einer kurzen oder langen Verzögerung wiederholen musste. Es zeigte sich: Sein Gedächtnis war "erheblich" beeinträchtigt. Weitere bildgebende Untersuchungen des Gehirns zeigten, dass sein Hippocampus, der für die Gedächtnisleistung verantwortlich ist, verkümmert war. Die Rückbildung des Hippocampus wird in der Regel auf die Anhäufung des Tau-Proteins in den Neuronen und die Ansammlung von Plaques im Gehirn infolge der Alzheimer-Krankheit zurückgeführt.

    Untersuchung der Rückenmarksflüssigkeit

    Die Mediziner untersuchten auch die Rückenmarksflüssigkeit (Liquor) des Patienten, in der sie eine abnorm hohe Konzentration des Proteins p-tau181, eines bekannten Biomarkers für Alzheimer-Demenz, fanden. Um auszuschließen, dass der Teenager eine genetische Veranlagung für die Entwicklung von Demenz hatte, führten die Wissenschaftler eine Sequenzierung des gesamten Genoms durch – ein Laborverfahren, das die vollständige DNA eines Menschen offenlegt.

    Die Forscher fanden zwar Hinweise auf Plaques im Liquor des Patienten, aber konnten die Amyloid-Plaques und erhöhte Tau-Werte im Gehirn nicht nachweisen. Aber auch ohne diese Biomarker hielten die Forscher die Diagnose Alzheimer für zutreffend, da erhöhte Tau-Werte im Liquor ein Vorläufer im Gehirn sein können.

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