Wien

Wilder Mieterstreit in Wien wegen "zu lautem Gehen"

In einem Altbau der Haussegen schief. Eine Familie beschwert sich über Lärm, die Nachbarn fühlen sich schikaniert. Rechtlich ist die Sache verzwickt.
Louis Kraft
12.12.2021, 15:35

Man kann nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Diese Erfahrung müssen nun auch einige Mieter eines Wohnhauses in der Ullmannstraße (Rudolfsheim-Fünfhaus) machen. Seit 1987 bewohnt Familie S. hier eine Wohnung. In all der Zeit gab es keine Probleme, erzählt Bernhard S.

Das änderte sich aber offenbar, als vor rund zwei Jahren über der Familie neue Mieter einzogen. Seitdem tauschen die Parteien gegenseitig Vorwürfe aus. Die Familie beklagt sich, dass die neuen Mieter über ihnen zu laut gehen, sogar absichtlich "rumtrampeln" würden. Das Paar weist das laut Bernhard S. zurück. Seither herrscht zwischen den Parteien dicke Luft.

Versuche zur Aussprache blieben erfolglos

"Wir haben uns um Klärung bemüht, haben das Paar zu uns auf ein Essen oder einen Tee eingeladen, um die Sache zu klären", erzählt Bernhard S. Das beschuldigte Paar berichtet hingegen in E-Mails, die "Heute" vorliegen, ihrerseits von Anfeindungen, von "nächtlichem Klingelterror" und wiederholte Beschimpfungen durch Bernhard S. Dieser weist die Vorwürfe entschieden zurück.

Im Frühjahr 2020 erhielt Familie S. ein Kündigungsschreiben durch die Hausverwaltung - und fühlt sich schlecht behandelt. "Wir haben die Hausverwaltung mehrfach um eine Begehung gebeten, um sich selbst ein Bild zu machen. Dazu kam es aber nie, dafür bekamen wir plötzlich die Kündigung", so Herr S. Diese wurde zwar im Frühjahr durch das  Bezirksgericht Rudolfsheim-Fünfhaus aufgehoben, dennoch bleibt der Ärger. Für Bernhard S. ist klar: "Wenn wir etwas von der Hausverwaltung brauchen, schalten sie auf stumm. Wenn sich aber die Nachbarn über uns beschweren, wird ihnen ohne weiteres geglaubt. Die Hausverwaltung ergreift hier klar Partei, obwohl sie doch unparteiisch sein sollte". Er vermutet, dass die Hausverwaltung die Familie aus dem Haus haben will, um die Wohnung neu und teurer vermieten zu können.

Die Hausverwaltung ließ die "Heute"-Anfrage durch einen Anwalt beantworten: "Die Hausverwaltung kann zu den Auseinandersetzungen zwischen Herrn S. und einer anderen Mieterin keine Stellungnahme abgeben", heißt es.

AK: "Kündigung nur bei Nachweis von ungebührlichem Verhalten"

Rechtlich ist die Sache mit Lärm im Wohnhaus schwierig, weiß Walter Rosifka, Wohnrechtsexperte der Arbeiterkammer Wien. Schon die Entscheidung, was sind normale Wohngeräusche und wo beginnt ein mögliche Lärmbelästigung, sei schwierig. Für Zweiteres brauche es einen objektiven Nachweis eines ungebührlichen Verhaltens. Reine Befindlichkeiten von "geräuschsensiblen" Nachbarn reichen nicht aus.

Rechtlich wird Lärm sowohl vom öffentlichen (etwa dem Landessicherheitsgesetz) als auch vom Zivilrecht und Verwaltungsrecht behandelt. Bei Lärmstörungen im Wohnbereich komme es der Polizei zu, zu entscheiden, was schon Lärm und was "stinknormales Verhalten" ist, so der Experte gegenüber "Heute".

Das "normale" Gehen durch die Wohnung sei jedenfalls kein Kündigungsgrund. Auch im Fall, dass eine objektive Störung nachgewiesen werde, müsse zunächst geprüft werden, wer dafür verantwortlich sei. Denn der Lärm könnte auch durch einen Mangel des Wohnhauses zustanden kommen, der ein "normales Wohnen" unmöglich macht. In solchen Fällen sei ein Antrag auf Mietzinsminderung (einklagbar beim Bezirksgericht) oder auf bauliche Erhaltungsarbeiten, also etwa bessere Schalldämmung (Antrag über die Schlichtungsstelle) denkbar. Mehr Informationen zum Thema gibt es im AK-Ratgeber "Probleme mit dem Nachbarn, was tun?"

"Lärm ist dem Ursacher oft gar nicht bewusst"

Der Leiter der Mieterhilfe, Christian Bartok rät in solchen Fällen zu einem einvernehmlichen Gespräch mit dem Nachbarn. "Oft ist dem Lärmverursacher das gar nicht bewusst", sagt er. Dennoch sei im Wohnhaus "üblicher Lärm", wie das Gehen durch die Wohnung, Stimmgeräusche der Mieter oder das TV-Gerät (auf Zimmerlautstärke) zu dulden. Bringt das Gespräch mit dem Nachbarn nichts, so sei bei Lärm, der alles ortsübliche überschreitet, die Hausverwaltung der Ansprechpartner, so Bartok. 

Im Falle der Familie S. und ihren Nachbarn scheint die Möglichkeit für ein einvernehmliches Gespräch verstrichen. In einem Video ist zu sehen, wie Bernhard S. und sein Nachbarn im Innenhof aufeinander treffen. Gegenüber "Heute" beteuert Herr S., er habe versucht, sich mit seinem Nachbarn auszusprechen. Dieser fühlt sich aber offenbar in die Enge gedrängt, und wirft Bernhard S. vor, verfolgt und genötigt zu werden. Eine gütliche Lösung scheint derzeit in weiter Ferne, wie Herr S. berichtet, hätten beide Parteien Anwälte eingeschaltet.

Es gibt neue Nachrichten auf Heute.atZur Startseite