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Muss ich meine Wurst bald bei den Rauchern essen?

Es geht um die Wurst. Wer sie isst, muss sich beinahe dafür rechtfertigen. Warum Ideologien nichts auf den Tellern zu suchen haben.

Heute Redaktion
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Bild: iStock

"Wenn das so weiter geht mit den Veganern, muss ich meine Wurst noch bei den Rauchern essen". Ich fand diesen Spruch so unglaublich treffend für die aktuelle Diskussion in der Ernährung und Umwelt, darum habe ich ihn auf meiner privaten Facebook Seite gepostet. Doch was dann geschah, hat selbst meine "kühnsten" Erwartungen übertroffen.

Der Spruch zeigt doch so unglaublich klar auf, wie erfolgreich heute Medien, Influencer und natürlich auch verschiedene vegetarische Publikationsmittel für ihre Sache kämpfen und "aufklären". Ein großer Teil der Bevölkerung scheint bereits das Gefühl zu haben, in der Minderheit zu sein und etwas Verbotenes zu tun. Und es ist sicher auch so, dass die Diskussion rund um eine Ethik und Ökologie in der Ernährung auch wichtig und richtig ist.

Wurstesser als "Massenmörder" beschimpft

Doch als ich den Spruch gepostet habe, da öffnete sich die vegane Hölle. Wer so etwas schreibe, der verteidige auch Massenmörder, Kinderschänder und sollte gevierteilt werden wie im Mittelalter, war noch etwas vom Mindesten, was gepostet oder als Nachricht geschickt wurde. Ich muss zugeben, ich war doch zuerst sehr erstaunt über eine solche Vehemenz.

Doch wenn man bedenkt, dass Veganismus keine Ernährungsweise, sondern eine ethische Grundhaltung ist, dann versteht man auch, warum einige als Kreuzritter ohne Rücksicht auf Verluste missionieren. Dass sie damit aber vor allem genau den Respekt mit Füßen treten, den sie eigentlich vertreten wollen, geht im allgemeinen Kampfgetöse unter. Sie vergessen, dass wir heute die großen Probleme der Gesellschaft nicht gegeneinander lösen können, sondern nur miteinander.

Veganismus ist doch kein Kampfmittel

Doch hier liegt das Hauptproblem der heutigen Ernährung an sich. Sie ist heute nicht einfach essen. Genuss ist vorbei, die Funktion muss sein. Wir wollen uns ja von den anderen unterscheiden. Kleider machen Leute, Teller aber auch. Wenn an einem Tisch alle nach fünf Minuten "erfahren" müssen, dass er oder sie vegan ist und die einzig richtige Ernährung pflegt, wer würde dann nicht lieber den Tisch wechseln. Wir retten doch das Klima nicht mit dem anderen eine schlechte Ernährung vorzuwerfen und ihn zu beschuldigen.

Doch wer den veganen Gedanken nicht als Ethik versteht, sondern als Kampfmittel braucht, um die Welt auf den "richtigen Weg" zu führen, der sollte vielleicht einmal seine eigene Position überdenken. Er schadet mehr dem veganen Grundgedanken und vielen veganen Menschen, die den Lebensstil bewusst gewählt haben und nicht jeden Tag damit hausieren gehen müssen.

Essen ist mehr als Identitätsbildung

Wir alle sollten uns lösen von absoluten Verboten oder Wahrheiten in der Ernährung. Eine Ideologie hat schon gar nichts verloren am Küchentisch. Essen soll verbinden und nicht ein neuer Kriegsschauplatz sein, der in Gut und Böse einteilt. Natürlich sollten wir über Ethik, Ökologie und Respekt vor dem Leben nachdenken und dies natürlich auch bei unseren Lebensmitteln.

Schließlich sollte aber jeder seine eigene Wahl treffen dürfen und dies ohne Druck von außen. Denn Essen ist mehr als ein Teil der Identitätsbildung. Wenn jemand Lust hat auf ein bestimmtes Lebensmittel, kann das sehr wohl Sinn machen, auch wenn es sogar bei einem Veganer manchmal Fleisch ist.

In diesem Sinne wünschte ich mir etwas mehr Toleranz beim Essen und vor allem weniger Verbote, welche nur Druck und Unfrieden schaffen. Denn dann hören wir auch einander zu und können gemeinsam auch ökologisch etwas bewegen.

(20min)