"2. Leben bekommen"

Nach Krebsbehandlung: Jaba (16) soll abgeschoben werden

2018 kam er als Leukämie-Patient nach Wien: Nun droht Jaba und seiner Familie die Abschiebung nach Georgien. Das Land sei sicher, so die Begründung.

Christine Ziechert
Nach Krebsbehandlung: Jaba (16) soll abgeschoben werden
Bei Jaba wurde mit elf Jahren Leukämie diagnostiziert, heute gilt er als krebsfrei.
Sabine Hertel, zVg

Er ist Klassensprecher, gewinnt Schachturniere, spielt Wasserball und ist Mitglied beim Österreichischen Schwimmverband (OSV): Trotzdem sollen Jaba B. (16), sein Vater Nodar (39), seine Mutter Gvantsa (34), seine Schwester Nini (18) und sein Bruder Saba (15) nach Georgien abgeschoben werden.

Das Bundesverwaltungsgericht lehnte nun eine Beschwerde gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) aus dem heurigen Juli ab. Die Begründung: Das Heimatland der Familie gelte als sicher, zudem gebe es "keine maßgeblichen Hinweise auf eine ... berücksichtigungswürdige besondere Integration". Die Georgier müssen daher jederzeit damit rechnen, dass sie abgeschoben werden.

Krebs-Behandlung in der Türkei um 28.200 Euro

Die Familie kam im Frühjahr 2018 nach Österreich – wegen des Gesundheitszustandes von Jaba: In Tiflis wurde bei dem damals 11-Jährigen lymphoblastische Leukämie diagnostiziert: "Aber es gab bei uns keine Hilfe. Sie haben mir die Krankheit mitgeteilt und dann gemeint, sie können nichts für uns tun", erinnert sich Gvantsa im Gespräch mit "Heute".

Die Eltern verkauften daraufhin ihren gesamten Besitz, reisten mit ihren Kindern in die benachbarte Türkei und finanzierten um rund 30.000 Dollar (rund 28.200 Euro) eine einmonatige Chemotherapie für Jaba. Doch für eine erfolgreiche Bekämpfung des Krebses war das zu wenig. In Istanbul erfuhr die Familie von der Möglichkeit einer erfolgreichen Behandlung in Österreich.

Wir sind Österreich und dem St. Anna Spital bis ans Ende unseres Lebens dankbar. Jaba hat ein zweites Leben bekommen
Gvantsa (34)
Mutter von Jaba

Durch die Vermittlung eines Verwandten kamen die Eltern mit Jaba im März 2018 nach Wien, stellten dort einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Geschwister zogen im Herbst des gleichen Jahres nach. Im St. Anna Kinderspital wurde sofort mit der Leukämie-Behandlung begonnen. Im Herbst 2018 wurde die Chemotherapie abgeschlossen, seit Februar 2020 gilt Jaba als krebsfrei: "Wir sind Österreich und dem St. Anna Spital bis ans Ende unseres Lebens dankbar. Jaba hat ein zweites Leben bekommen", meint seine Mutter.

Der 16-Jährige muss allerdings laufend zu Blutkontrollen, aufgrund der Chemo hat er zudem eine Osteonekrose (Absterben eingegrenzter Knochenbereiche, Anm.) im Bein entwickelt: "Er hat Schmerzen und muss auch manchmal mit Krücken gehen. Wegen dieser medizinischen Gründe ist es für uns wichtig, dass wir in Österreich bleiben können", berichtet die 34-Jährige.

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    Familie B. soll in ihr Heimatland Georgien abgeschoben werden.
    Familie B. soll in ihr Heimatland Georgien abgeschoben werden.
    Sabine Hertel

    Keine maßgebliche Integrationsverfestigung

    Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) sieht dies allerdings anders. Jaba wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt: Die Intensiv- und die Erhaltungstherapie seien bereits abgeschlossen, so das BVwG: "Weitere Untersuchungen können auch im Heimatland durchgeführt werden."

    Zudem wird der bisher unbescholtenen Familie vorgeworfen, dass sie "über keine maßgebliche Integrationsverfestigung im Bundesgebiet" verfüge – was diese bestreitet: Alle drei Kinder sind fleißige und beliebte Schüler, haben gute Deutsch-Kenntnisse: Tochter Nini (18) besucht ein Gymnasium, ist heuer im Matura-Jahr: "Ich würde gerne Business and Economics an der WU studieren", erzählt sie.

    Ich habe in Georgien acht Jahre als Managerin im Handel gearbeitet. Ich könnte jederzeit sofort wieder anfangen, hätte sogar schon Angebote
    Gvantsa
    Mutter von Jaba

    Auch Jaba – er besucht derzeit die 4. Klasse einer NMS und musste aufgrund seiner Krankheit ein Jahr wiederholen – hat Ziele: "Ich möchte nach der Mittelschule in eine HTL für Informatik wechseln." Der Jüngste, Saba (15), ist Mitglied des Basketball-Vereins "Austrian BasketFighters" und absolviert derzeit die 1. HAS-Klasse der Vienna Business School. Er möchte sich später im Bereich Logistik selbstständig machen.

    Vater Nodar arbeitet wiederum als Gärtner für eine Gutsverwaltung in NÖ, Mutter Gvantsa war im Verkauf tätig, bis ihr die Arbeitsbewilligung entzogen wurde: "Ich habe in Georgien acht Jahre als Managerin im Handel gearbeitet. Ich könnte jederzeit sofort wieder anfangen, hätte sogar schon Angebote", erklärt sie gegenüber "Heute".

    Familie reicht Beschwerde ein

    Sie selbst würden sich in Georgien wieder zurechtfinden, meinen die Eltern: "Aber es geht um die Zukunft der Kinder!" Jaba hat schließlich bereits rund ein Drittel seines Lebens in Österreich verbracht – für Experten kein Grund, hier zu bleiben: "Die minderjährigen Kinder befinden sich in einem Alter erhöhter Anpassungsfähigkeit. Es kann daher angenommen werden, dass es ihnen unter Nutzung dieser Fähigkeiten gelingt, sich spiegelbildlich betrachtet, ebenso wie in die österreichische auch wieder in die Gesellschaft ihres Herkunftsstaates vollständig zu integrieren", heißt es im Bescheid des BVwG.

    Über einen Anwalt wird die Familie – wie bereits schon mehrmals zuvor – Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof einreichen. Da die Abschiebung aber nun "zulässig und möglich ist", "kann jederzeit die Fremdenpolizei vor der Tür stehen", befürchten die Eltern. "Wir können nicht mehr ruhig schlafen. Die Beschwerde ist nun unsere letzte Hoffnung". Unter dem Titel "Jaba und seine Familie sollen bleiben!!!" wurde daher auf "mein.aufstehn.at" eine Online-Petition gestartet, die bereits knapp 4.500 Mal unterzeichnet wurde.

    Auf Nachfrage beim Innenministerium zum Fall der fünfköpfigen Familie heißt es: "Wir bitten um Verständnis, dass zu Einzelfällen – außer in rechtlich geregelten Ausnahmefällen – aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Auskunft erteilt werden kann. Wir können aber jedenfalls versichern, dass es in jedem Einzelfall zu einer sehr genauen und objektiven Prüfung des relevanten Sachverhaltes kommt."

    cz
    Akt.