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Nachhaltiger fliegen – geht das überhaupt?

Heute Redaktion
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Fliegen schadet der Umwelt. Wie stark, hängt nicht zuletzt davon ab, mit wem man fliegt. Besonders konsequent nachhaltig positioniert sich die Air France-KLM.

Die Rechnung ist relativ schnell gemacht: Mit einem Flug Zürich–Bangkok und zurück verursacht ein Passagier gleich viel CO2-AusStoß, wie er daheim mit einem Mittelklassewagen während über dreieinhalb Jahren verbraucht. Zwar können Kunden das CO2 via eine der einschlägigen Emissions-Agenturen kompensieren – im konkreten Fall würde das rund 170 Franken kosten. Aber Hand aufs Herz: Viele haben dann doch lieber ein bisschen mehr Taschengeld während der Ferien.

Hinzu kommt, dass viele Airlines die Kompensation zwar anbieten, dies aber teilweise nur gut versteckt oder gar auf separaten Portalen tun. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Wer sich um die Umwelt sorgt, der fragt sich bald einmal, ob er überhaupt noch fliegen sollte.

Fliegen mit altem Speiseöl

Einen ganz anderen Ansatz, wie mit diesem strukturellen Dilemma umzugehen ist, verfolgt Air France-KLM: Seit 2005 als erste Airline im Dow-Jones-Sustainability-Index vertreten, hielt sie während 12 Jahren den Spitzenplatz als nachhaltigste Airline der Welt. Seit 2018 liegt sie auf Platz zwei hinter All Nippon, versucht aber weiterhin, das Fliegen ökologischer zu machen.

Bis 2020 hat sie sich zum Ziel gesetzt, den CO2-AusStoß pro Passagier um 20 Prozent zu senken. Nebst konsequenter Flottenerneuerung – neue Flugzeuge sind energieeffizienter als alte – baut KLM die Verwendung von Biotreibstoff laufend aus. Dabei konkurriere man weder die Nahrungsmittelproduktion noch die Biodiversität, so eine Sprecherin: Geflogen wird mit altem Speiseöl aus der Nahrungsmittelindustrie.

«Theoretisch könnten alle Flugzeuge mit Biofuel fliegen»

Maarten van Dijk*, was sind die größten Hindernisse dabei, den Anteil Biotreibstoff-Flüge zu erhöhen?

Maarten van Dijk: Im Moment ist das Hauptproblem, dass zu wenig Treibstoff vorhanden ist, obwohl die Industrie hart daran arbeitet, den Ausstoß zu erhöhen. Das nächste große Problem wird aber der große Preisunterschied zwischen Kerosin und nachhaltigem Flugzeugtreibstoff sein, der zwei- bis dreimal so viel kostet. Die Treibstoffkosten machen 20 bis 30 Prozent der Gesamtkosten einer Airline aus. Um diese Preisbarriere zu überwinden, werden strukturelle Veränderungen notwendig sein, entweder durch Anreize oder durch Vorschriften.

Wenn die Infrastruktur (Raffinerien, Sammelsystem) vorhanden wäre: Wie viel des gesamten Kerosinverbrauchs weltweit könnte theoretisch durch Biofuel ersetzt werden?

Theoretisch wäre genügend nachhaltige Bio-Energie vorhanden, um sämtliche Flugzeuge damit zu betreiben. Es ist aber nicht realistisch, dass das mittelfristig – sagen wir bis 2050 – der Fall sein wird. Ehrgeizig, aber realistisch wäre eine Produktionskapazität von 100 bis 150 Millionen Tonnen bis 2050. Das wären 40 bis 60 Prozent des heutigen Gesamtverbrauchs. Aber das Ziel ist nicht, so viel Biofuel zu verbrauchen wie möglich, sondern den CO2-Ausstoss der Luftfahrt drastisch zu reduzieren. Betriebseffizienz, Flottenerneuerung, Hybridflugzeuge und sogar eine Senkung der Nachfrage nach Flugreisen sind alles essenzielle Elemente dieser Herausforderung.


Biotreibstoffe sind alles andere als unumstritten. Wie garantieren Sie echte Nachhaltigkeit?

Nachhaltige Rohstoffe sind die Bedingung für nachhaltige Treibstoffe. Aber ob ein bestimmter Rohstoff nachhaltig ist oder nicht, hängt immer von der Gesamtsituation vor Ort ab.
Die Herausforderung liegt darin, sämtliche legitimen Ansprüche an die Nutzung von Ressourcen (Energie, Wasser, Land, Rohmaterialie) zu erkennen und richtig damit umzugehen. Aber es ist nie schwarz und weiß: Die Verwendung von Biomasse für Treibstoffe ersetzt immer eine andere Verwendungsart. Deshalb sollte sie nur gestattet sein, wenn keine höheren Werte (Lebensraum, Lebensmittel- oder Futterproduktion, Naturschutzgebiete oder Erholungsgebiete) davon betroffen sind. Oder wenn die Nebenwirkungen deutlich weniger schlecht sind als die Verwendung von fossilen Brennstoffen. Ernährungssicherheit oder Biodiversität dürfen nicht geopfert werden. Um echte Nachhaltigkeit zu garantieren, ist die Produktion von SkyNRG vom Round Table on Sustainable Biomaterials (RSB) zertifiziert – das gilt als Goldstandard der Nachhaltigkeit von Treibstoffen.

Sind neben gebrauchtem Speiseöl andere nachhaltige Rohstoffe am Horizont?

Unter den richtigen Bedingungen kann das Zivilisationsabfall sein, Agrar- und Forstabfälle oder Biomasse aus der Camelina-Pflanze oder dem Solaris Energy Tabak – sofern Letztere nicht auf Flächen angebaut werden, auf denen Futter oder Lebensmittel wachsen müssten.


* Maarten van Dijk CEO von SkyNRG. Er beschäftigt sich beruflich seit 2007 mit nachhaltigen Flugzeugtreibstoffen. Er sitzt in mehreren Verwaltungsräten und Beratungsgremien von Projekten, die sich mit der Förderung von nachhaltigen Treibstoffen beschäftigen.

Biotreibstoffe könnten den CO2-AusStoß gegenüber herkömmlichen Treibstoffen sogar um 80 Prozent reduzieren, sie kosten aber auch dreimal so viel. Um die hohen Kosten mittelfristig zu senken, investiert die KLM im Rahmen der KLM- Corporate-Biofuel-Programme in die Entwicklung des Marktes für Biotreibstoffe, indem sie Großkonzerne, aber auch Kommunen wie die Stadt Amsterdam, überzeugt, Biofuel zu verwenden.

Auch wenn die Treibstoffwahl am Ende entscheidend ist in der Nachhaltigkeitsfrage, achtet KLM auf Nachhaltigkeit auch im Kleinen: So arbeitet das Kabinenpersonal komplett papierlos. Statt Berge von Zeitungen und Magazinen gibts für die Passagiere eine E-Reader-App in der Bordunterhaltung, und die Teppiche sind hauseigenes Recycling-Material; sie bestehen einerseits aus alten KLM-Teppichen, andererseits aus alten Uniformen des Kabinenpersonals.

Nicht gegessene Snacks werden noch mal serviert oder zu Biogas verarbeitet

Dass die KLM all diese Anstrengungen nicht aus purem Idealismus verfolgt, liegt auf der Hand: Jeder dank Nachhaltigkeit eingesparte Euro stützt die Marge in einem hart umkämpften Markt, in dem jeder Cent zählt. Besonders konsequent ist die KLM deshalb dort, wo der Umweltschutz unmittelbar mit geringeren Kosten verbunden ist.

Der gesamte Rücklauf der Bordverpflegung etwa ist maximal optimiert: Die konventionelle Wertstofftrennung (Alu, Glas, Plastik, Karton) beginnt bereits an Bord, im Logistikzentrum in Amsterdam geht es konsequent weiter. Jedes abgegessene Menü-Tablar wird haarklein sortiert. Ungeöffnete Wasserportionen, Biskuits oder Salznüsse wandern direkt zurück in den Vorbereitungskreislauf und werden später erneut serviert.

Aber auch angebrochene Spirituosen-Flaschen, aus denen die Flugbegleiter den Gästen Getränke servieren, werden zusammengeschüttet.

Verderbliche und geöffnete Lebensmittel wandern so vollständig wie möglich in Biogasanlagen. Bei Interkontinentalflügen verhindern dagegen staatliche Vorschriften eine ökologische Entsorgung: Statt in der Kanalisation landet dann sogar Wasser in der Kehrichtverbrennung.

Nur 0,2 Prozent der Passagiere buchen CO2-Kompensation

Das Kostenbewusstsein der Airline kommt auch umweltbewussten Passagieren zugute: Weil Air France-KLM die gesamte CO2-Kompensation selber organisiert (zertifiziert mit Gold-Standard), statt sich bei Kompensationsagenturen einzukaufen, kostet die CO2-Neutralisierung den Kunden deutlich weniger. Dass sich trotzdem nur 0,2 Prozent ihrer Passagiere dafür entscheiden, klimakompensiert zu fliegen, ist einer der Schönheitsfehler in der Nachhaltigkeitsstrategie der Airline. Man überlege sich, die Kunden künftig offensiver einzuladen, die Kompensation zu buchen, sagt eine Sprecherin.

Die Airline ist zudem dazu übergegangen, bei einzelnen Strecken die gesamten CO2-Emissionen auf allen Flügen über das eigene Programm zu kompensieren, wie zum Beispiel seit dem 7. Mai die Strecke von Amsterdam-Schiphol ins südschwedische Växjö. Bis zu einer flächendeckenden Biofuel-Strategie ist es aber noch ein langer Weg. Noch gibt es weltweit nur eine Raffinerie in den USA, die Speiseöl zu Flugzeugtreibstoff verarbeitet, und eine Infrastruktur, dies in Europa zu tun, fehlt weitgehend. Maarten van Dijk, CEO der KLM-Airfrance-Tochter SkyNRG, sieht vor allem die hohen Kosten als Herausforderung (siehe Interview). (Red)

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