Politik

NEOS: Regierung missachtet das Parlament

Heute Redaktion
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Archivbild aus dem österreichischen Parlament.
Archivbild aus dem österreichischen Parlament.
Bild: picturedesk.com

Die Art und Weise, wie Türkis-Blau Gesetze beschließt, stößt vielen sauer auf. Nicht nur die Opposition ist verstimmt, auch Rechtsanwälte-Präsident Wolff und Politologe Sickinger.

Es ist mittlerweile ein bekanntes Schema: Neue Gesetze der ÖVP/FPÖ-Regierung werden im Eilverfahren beschlossen, die normalen Begutachtungsfristen oft verkürzt. Das kritisiert die Opposition scharf, allen voran NEOS-Klubchef Gerald Loacker. Aber auch Rechtsanwälte-Präsident Rupert Wolff und Politologe Hubert Sickinger sind besorgt.

Loacker spricht von einer "Missachtung des Parlaments" aus Sicht der Regierung, die den Nationalrat anscheinend als überflüssig sehe. Kurz und seiner Regierung gehe es wohl "rein ums Marketing". Durch die verkürzte oder komplett fehlende Begutachtungsfrist würden dem Parlament, dem eigentlich Gesetzgeber, Informationen vorbehalten. Rechtsanwälte-Präsident Rupert Wolff hat das "Gefühl, dass die Regierung Gesetze am Bürger vorbei beschließen möchte".

Regierungsvorlag

Obwohl nicht gesetzlich festgeschrieben, hatte sich in Österreich bisher folgende Praxis eingebürgert: Ist ein Gesetz zu beschließen, bekommt das Parlament einen ersten Entwurf des Ministeriums, mitsamt der Begutachtungs-Stellungnahmen. Dann folgt die Regierungsvorlage, in der allfällige Abänderungen (auch Vorschläge des Nationalrats) eingearbeitet wurden. Zum Schluss wird das Gesetz durch eine Mehrheit der Abgeordneten beschlossen.

Die neue Regierung unter Sebastian Kurz kürzt diese Praxis aber empfindlich ab: Oft wird der erste Entwurf übersprungen und gleich Regierungsvorlagen vorgelegt. Auch der noch schnellere Initiativantrag, mit dem man Gesetze ganz ohne Begutachtung beschließen kann, ist beliebt geworden. Für die notwendige Beschlussmehrheit sorgen die Abgeordneten der Regierungsparteien im Parlament in jedem Fall.

Kurze Begutachtung

Wolff vermutet, dass die neuerdings sehr kurz gehaltenen Begutachtungsfristen eine "Taktik" sein könnten, "damit es nicht zur Begutachtung kommen kann". Sechs Wochen Begutachtung sind empfohlen, im Vorjahr wurden jedoch drei Viertel der Gesetze nach kürzerer Frist beschlossen.

Manchmal gab es nur zwei Wochen Zeit, beim Erwachsenenschutzgesetz gar nur zehn Tage. Das Datenschutzanpassungsgesetz wurde beschlossen, bevor die Begutachtungsfrist überhaupt zu Ende war.

Kein öffentlicher Widerspruch

Öffentlichen Widerspruch oder Kritik dürfe es aus Sicht der Regierung offenbar nicht geben, "alles wird ge-streamlined", sagt Loacker zur "APA". Auch wenn dadurch manche Bürger den Eindruck bekämen, dass es keine Regierungsstreitereien mehr gäbe, warnt Loacker: "Damit nimmt man den Verlust von Expertise in Kauf".

Die früheren "guten Gepflogenheiten" opfere die jetzige Regierung offenbar "aus kurzsichtiger Spin-Orientierung", um negative Berichterstattung zu vermeiden, sagt Politologe Hubert Sickinger zur "APA". "Schon bedenklich, wenn die Logik der Regierungs-PR auf die Gesetzesbegutachtung durchschlägt", sagt er.

Anstoß Standortentwicklungsgesetz

Aktuelles Beispiel dafür ist das Standortentwicklungsgesetz. Wie zu jedem Gesetz wurden dazu eine Reihe an Stellungnahmen auf der Homepage des Parlaments veröffentlicht. Aber es fehlt etwas. Und gerade das ist für Rechtsanwälte-Präsident Rupert Wolff wesentlich.

Es sind keine Stellungnahmen des hauptbetroffenen Umweltministeriums und auch keine vom Verfassungsdienst zu finden. Gerade weil zahlreiche Juristen verfassungsrechtliche Bedenken geäußert hätten, fehle "die Expertise des Verfassungsdienstes besonders", so Loacker.

"Besorgniserregend"

Das Umweltministerium erklärte, es habe seine Stellungnahme intern weitergeleitet. Der Verfassungsdienst hielt es nicht für notwendig, eine Stellungnahme abzugeben. Weil es sich um einen überarbeiteten Entwurf des Wirtschaftsministeriums handle und das somit "historisch" sei, heißt es.

Rechtsanwälte-Präsident Wolff findet das "besorgniserregend". Gerade der Verfassungsdienst habe früher immer sehr gute Stellungnahmen abgegeben, aber seit ÖVP und FPÖ regieren, "ist er überraschend ruhig geworden".

(red)