VR-Brille simuliert Erkrankung

Neue Volkskrankheit – "Bald kennt jeder Betroffenen"

Die Zahl der Demenzkranken steigt rapide an, bis 2050 wird sie sich verdoppeln. Schottland ist im Umgang mit der neuen Volkskrankheit führend.

Peter Reidinger
Neue Volkskrankheit – "Bald kennt jeder Betroffenen"
In der Zentrale von Age Scotland demonstriert Jonathan Park mit einer speziellen VR-Brille, wie sich Demenz auswirkt.
"Heute"

Das Blickfeld verengt sich plötzlich auf einen kleinen Kreis. Kurze Zeit später ertönt ein lautes, unerträgliches Pfeifen. Dann geraten Umgebungsgeräusche so durcheinander, dass sich nichts unterscheiden lässt.

Was hier passiert, wirkt täuschend echt, ist aber ein Programm auf einer VR-Brille. Jonathan Park setzt sie ab. Er steht in einem Konferenzraum in Edinburgh, in der Zentrale von "Age Scotland". Die Charity-Organisation leistet Pionierarbeit im Umgang mit einer Krankheit, die auch in Oberösterreich auf dem Vormarsch ist: Demenz.

Demenzkranke sollen mitgestalten

Das wichtigste Ziel von Age Scotland (gegründet 2009) ist es, den Betroffenen zuzuhören, ihnen eine Stimme zu geben. "Wir organisieren Treffen, beispielsweise mit 20 Demenzkranken und 20 Betreuern. Die fragen dort dann: 'Was braucht ihr? Wie ist euer Leben?' Diese Infos nehmen wir dann mit und tragen sie in die höchsten Regierungskreise", erklären Vertreter.

Die VR-Brille ist nicht für Betroffene gedacht, erklärt Park. Sie soll Angehörigen zeigen, wie sich Demenz wirklich anfühlt, sie simuliert die Folgen der Krankheit – und schafft so Verständnis und Mitgefühl. Schon seit 2010 gibt es in Schottland eine nationale Demenzstrategie, das Land ist damit weltweit Vorreiter.

So funktioniert die Brille

Das Thema wird enttabuisiert und offensiv angesprochen. In Kirchengruppen, in Sportvereinen, bei Chören. Folge: mehr Bewusstsein, dadurch frühere Erkennung, bessere Behandlung, ein besseres Leben. LH-Stv. Christine Haberlander und Soziallandesrat Wolfgang Hattmannsdorfer (beide ÖVP) sind mit einer Delegation von Experten aus dem Gesundheitsbereich in Schottland, besuchten Vereine, sprachen mit der zuständigen Ministerin Maree Todd.

Tauschten sich aus (v.l.): Hattmannsdorfer, Todd und Haberlander.
Tauschten sich aus (v.l.): Hattmannsdorfer, Todd und Haberlander.
Land OÖ/Philipp Albert

"Wir wollen von den Besten lernen", so Haberlander. "Man muss das gesamte Umfeld einbeziehen, die Gemeinde, die Familie."

Hohe Dunkelziffer
In Oberösterreich gibt es derzeit 25.000 diagnostizierte Fälle von Alzheimer. Die Dunkelziffer ist laut Experten wohl weitaus höher. Bundesweit sind rund 130.000 bis 150.000 Menschen betroffen.
Die Kosten sind laut einer IHS-Studie enorm. Alleine die medizinischen Aufwendungen belaufen sich auf 1,4 Milliarden Euro pro Jahr. Dazu kommen Pflegekosten in Höhe von 1,3 Milliarden.
Rechnet man die Leistung dazu, die daheim privat an Pflege und Betreuung geleistet wird, wären das noch einmal bis zu 5 Milliarden Euro zusätzlich.

Zahl der Betroffenen steigt rapide an

Hattmannsdorfer betont, dass das Thema quer durch alle Polit-Ressorts behandelt werden müsse. "Bis 2050 wird sich die Zahl verdoppeln", so der Politiker über die Betroffenen in Oberösterreich. "Demenz wird eine Volkskrankheit." Und er zitiert die berühmte Aussage von Ex-Kanzler Kurz während der Pandemie: "Bald wird jede und jeder jemanden kennen, der direkt oder indirekt betroffen ist."

Das Ziel des Landesrates: Oberösterreich soll das demenzfreundlichste Bundesland werden. Es gebe viel zu tun, das 2020 gegründete "Netzwerk Demenz" mit elf Servicestellen sei bereits ein Erfolgsprojekt.

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    Screenshot ORF

    Auf den Punkt gebracht

    • In Schottland wird mithilfe von VR-Brillen die Erfahrung von Demenz simuliert, um Angehörigen das Verständnis und Mitgefühl für Betroffene zu vermitteln
    • Mit einer nationalen Demenzstrategie und offener Kommunikation in verschiedenen Gemeinschaften zeigt Schottland, wie das Bewusstsein für die Krankheit geschärft und dadurch frühere Erkennung und bessere Behandlung ermöglicht werden
    • OÖ plant, von diesen Maßnahmen zu lernen, um das demenzfreundlichste Bundesland zu werden und sich auf die steigende Anzahl von Betroffenen vorzubereiten
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