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Neverwinter Nights: Der RPG-Dinosaurier im Test

Ein Urgestein der Computer-Rollenspiele kommt auf Xbox One, PlayStation 4 und Switch. Ob das gut gehen kann?

Heute Redaktion
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17 Jahre, das ist in der Welt der Videospiele eine kleine Ewigkeit. Trotzdem schafft das 2002 auf dem PC erschienene Neverwinter Nights auf seine alten Tage noch den Sprung auf die aktuelle Konsolengeneration. Ob der Rollenspiel-Dinosaurier heute noch 50 Euro wert ist – und für wen – lest ihr im Test der PlayStation 4-Version.

Das Grundprinzip vorab: Neverwinter Nights basiert auf der 3. Edition von Dungeons&Dragons. Der Regelkatalog wurde eigentlich für Tabletop-Rollenspiele entworfen, bei denen Spieler um einen Tisch sitzen und der Reihe nach den Erfolg von Aktionen durch Würfeln ermitteln. Das Videospiel läuft hingegen in Echtzeit ab. Allerdings werkt im Hintergrund das rundenbasierte System, das verschiedene Aktionen kontinuierlich auswürfelt. Um die Spielmechanik zu verstehen, sollte man also zumindest die Grundzüge des D&D-Regelwerks verstehen. Das Handbuch zu Neverwinter Nights vermittelt dazu einen guten Überblick.

Im Gegensatz zur typischen D&D-Runde spielt man Neverwinter Nights allerdings nicht mit einer Party an Charakteren, sondern zieht als einzelner Held mit maximal einem Begleiter los. Dieser ist nur indirekt steuerbar und steigt selbstständig im Level auf. Wer sich richtig hineinfuchsen will, kann seinen eigenen Helden in fast jede erdenkliche Richtung entwickeln. Die Skillverteilung solltest du dir jedenfalls schon zu Beginn deines Abenteuers gut überlegen, um später nicht auf den Holzweg zu kommen. Wer keine Lust hat, das Regelwerk zu pauken, kann die Skillpunkte beim Levelaufstieg auch automatisch vergeben lassen. Für Einsteiger eine gute Option, Veteranen stellen sich ihre Helden lieber selbst zusammen.

Jede Menge Ecken und Kanten

So weit, so gut: Das Spielprinzip funktioniert auch heute noch und macht Spaß. Ganz anders sieht es bei Grafik, Bedienung und Sound aus. Das Alter war nicht gnädig mit Neverwinter Nights, man sieht dem Programm seine Jahre an jeder Ecke an. Schon in den ersten Minuten nach Spielbeginn wird klar: Die "Enhanced Edition" ist kein echtes Remaster, hier handelt es sich nicht um eine liebevoll restaurierte und aufpolierte Fassung. Wer Neverwinter Nights heute kauft, bekommt fast eins zu eins das Original.

Und das ist aus heutiger Sicht arg überholt. Die Levels setzen sich aus Editor-Versatzteilen zusammen, sie wirken selbst durch die rosarote Nostalgie-Brille öde und trist mit matschigen Texturen. Die Charaktere bewegen sich wie Marionetten und die Steuerung ist nicht wirklich konsolentauglich – sie entwickelt sich zur echten Spielspaß-Bremse. Das fällt spätestens beim Inventar auf. Mit einem Mauszeiger ziehen wir Gegenstände in verschiedene Slots, Ausrüstung auszuwechseln oder zu verkaufen wird zur Sisyphusarbeit.

Einziger Lichtblick: Der Umfang. Die Enhanced Edition enthält neben der Basiskampagne und den Erweiterungen Shadows of Undrentide und Horden of the Underdark auch zahlreiche Premium-Module wie Wyvern Crown of Cormyr und Pirates of the Sword Coast, die bei Kauf der Enhanced Edition als kostenlose Downloads erhältlich sind.

Remaster? Jederzeit, aber bitte besser!

Grundsätzlich begrüßen wir den Trend, Oldschool-Rollenspiele wie Baldur's Gate, Icewind Dale oder nun eben Neverwinter Nights neu aufzulegen. Dabei erwarten wir aber Verbesserungen bei Steuerung, Grafik, Sound und Inhalten sowie einen angemessenen Preis. Im konkreten Fall bleibt die Frage: Wer soll Neverwinter Nights heute auf der Konsole spielen? Wer soll dafür 50 Euro ausgeben und warum?

Rollenspieler finden im PlayStation- und Xbox-Store viele bessere und günstigere Optionen für Spiele im D&D-Stil – von "Neverwinter" bis zu "Divinity: Original Sin 2". Wenn du den Charme des Originals nochmal erleben willst, solltest du Neverwinter Nights lieber auf dem PC spielen. Zumal das Programm mit seinen niedrigen Systemanforderungen schon auf einem besseren Taschenrechner flüssig läuft.

Neverwinter Nights: Enhanced Edition ist für PC, PlayStation 4, Xbox One und Nintendo Switch erhältlich.