Klima- und Biodiversitätskrise

Norwegen beschließt Tiefseebergbau, trotz Umweltgefahr

Tabubruch in Norwegen, wo das Parlament den Meeresboden für den Abbau von Metallen freigegeben hat – trotz der damit verbunden Umweltzerstörung.

Heute For Future
Norwegen beschließt Tiefseebergbau, trotz Umweltgefahr
Walrosse bei Spitzbergen. Norwegen will wertvolle Ökosysteme für die industrielle Nutzung aufgeben.
© Christian Aslund/Greenpeace

Norwegen wird voraussichtlich das erste Land der Welt werden, das seinen Meeresboden für Tiefseeminen erschließt, das berichtet der britische "Guardian". Trotz heftiger Kritik und Warnungen von Wissenschaftern vor den verheerenden Auswirkungen auf das Leben in den Tiefen des Meeres hat das norwegische Parlament am Dienstag in einer formellen Abstimmung beschlossen, ein Gebiet der Größe Großbritanniens zwischen Island und Spitzbergen für den Tiefseebergbau zu erschließen.

Norwegen will dabei in den arktischen Gewässern Explorationen durchführen, um in Folge Kobaltkrusten abzubauen. "Riesige Maschinen fräsen dabei die oberste Schicht des Meeresbodens und zerstören unwiederbringlich alles, was auf dem Meeresboden lebt", beschreibt Olivia Herzog, Meeresexpertin bei Greenpeace Österreich, das aus Umweltschutzsicht katastrophale Vorhaben. Damit sei Norwegen das erste Land der Welt, "das die Tiefsee radikal ausbeuten will".

Auch die EU und das Vereinigte Königreich haben ihre Bedenken geäußert und vorübergehend ein Verbot des Tiefseebergbaus gefordert.

Greenpeace-Protest gegen Tiefseebergbau

Kreislaufwirtschaft statt Zerstörung der Meere

Vergangenen November haben 119 EU-Abgeordnete an das norwegische Parlament geschrieben und zur Aufgabe des Projektes aufgerufen. Der Grund dafür seien das "Risiko einer solchen Aktivität für die marine Biodiversität und die Beschleunigung des Klimawandels", schreibt der "Guardian". Die Abgeordneten baten in dem Brief an Norwegen, "die EU beim Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft zu unterstützen, anstatt diese zerstörerische Industrie voranzutreiben". Der WWF Norwegen spricht von "der größten Schande in der Geschichte des norwegischen Meeresmanagements".

Norwegen reagierte auf diese Bedenken damit, dass vor der Ausgabe von Lizenzen erst eine weiterführende Umweltforschung durchgeführt werden soll. Die norwegische Regierung argumentierte, dass diese Entscheidung die Suche nach stark nachgefragten Mineralien wie Edelmetallen fördern soll, die einen wichtigen Teil der grünen Transformation in Norwegen darstellen.

Klimaschutz auf Kosten der Natur?

Unbestritten ist, der Kampf gegen den Klimawandel kann nur mit diesen Rohstoffen gelingen, denn die Welt braucht Batterien, Stromleitungen und neue Technologien. Aber Klimaschutz auf Kosten der Natur? Die Regierung Norwegens hat beschlossen, nicht auf weitere wissenschaftliche Erkenntnisse zu warten, gleich loszulegen. Es ist völlig unklar, wie es dann mit den marinen Ökosystemen weitergeht und auch, ob sich der Aufwand überhaupt finanziell lohnt.

Firmen wie BMW, Google und Samsung hatten bereits 2021 angekündigt, keine Metalle aus der Tiefsee verwenden zu wollen. Auf internationaler Ebene konnten sich die Mitgliedstaaten der Meeresbodenbehörde ISA nur einen Monat später nicht auf ein gemeinsames Regelwerk einigen, wie mit dem Tiefseebergbau im internationalen Gewässer umzugehen ist. Sie beschlossen, die Entscheidung um zwei Jahre hinauszuschieben. Staaten wie Deutschland, Frankreich und die Schweiz hatten sich für ein Moratorium ausgesprochen. Zuvor solle klar sein, welche Umweltfolgen der Tiefseebergbau hat.

Greenpeace-Protest gegen Tiefseebergbau vor der Küste Englands, bei den White Cliffs of Dover.
Greenpeace-Protest gegen Tiefseebergbau vor der Küste Englands, bei den White Cliffs of Dover.
© Dan Hatch / Greenpeace

Kritik von Umweltschützern

Umweltschutzorganisationen und Forschende warnen eben genau davor, dass mittels Tiefseebergbau die letzten intakten Ökosysteme zerstört werden. Weitere Bedenken betreffen die Fähigkeit des Ozeans, CO2 aufzunehmen, und mögliche Beeinträchtigungen durch den Lärm etwa für Wale. Norwegen schaffe laut Greenpeace "mit dieser Entscheidung für den Tiefseebergbau einen gefährlichen Präzedenzfall" und verliere "jede Glaubwürdigkeit als verantwortungsbewusste Meeresnation", so Greenpeace-Expertin Herzog.

"Nicht nur wird der Meeresboden langfristig zerstört, auch die Tiere des Nordmeeres, etwa die Narwale, werden die Gier nach Bodenschätzen bitter zu spüren bekommen", warnt Herzog. "Die einzig richtige Entscheidung ist, Tiefseebergbau gar nicht erst zuzulassen und Meeresschutzgebiete auszuweiten. Dafür müssen sich Politikerinnen und Politiker in ganz Europa einsetzen."

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