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Pflege-Missstände: "Probleme längst bekannt"

Heute Redaktion
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Der ehemalige Rechnungshofpräsident Josef Moser
Der ehemalige Rechnungshofpräsident Josef Moser
Bild: Helmut Graf

Der Ex-Rechnungshofpräsident Josef Moser übt scharfe Kritik: Schon vor Jahren sei auf Missstände in Pflegeheimen hingewiesen worden, passiert sei nichts.

Der jüngste Bericht der Volksanwaltschaft über schwere Mängel und menschenrechtswidrige Missstände in Pflegeheimen sorgte für Aufregung. Der ehamlige Rechnungshofpräsident Josef Moser erinnert daran, dass dies bereits bekannt war und trotzdem nichts passiert ist.

Schon in den letzten Jahren hätten Berichte des Rechungshofs diese Missstände aufgezeigt. Bestätigte Einzelfälle würden auf ein Systemproblem hinweisen, wie auch der Volksanwaltschaftsbericht zeigt.

Fehlende Standards

Das Hauptproblem: Der Bund gibt zwar viel Geld (2,9 Milliarden Euro) für die Pflege aus, das Aufstellen der Regeln und deren Kontrolle liegt jedoch bei den Ländern.

Pflegesituation in Österreich
Langzeitpflege:
Pflegegeld-Bezieher:
Rund 455.000 Anspruchsberechtigte
Davon werden etwa 84 % zu Hause versorgt
ca. 16 % in Heimen
ca. 39 % der Pflegegeldbezieher, die zu Hause leben, leben alleine
von den 39 % allein lebenden Pflegegeldbeziehern beziehen rund 58 % Pflegegeld der Stufe 1 und 2
ca. 46 % werden ausschließlich durch Angehörige versorgt
ca. 31 % mit Hilfe von mobilen Diensten
ca. 5 % mit Hilfe der 24-Stunden-Betreuung
ca. 1-2 % in teilstationären Einrichtungen
(Quelle: Pflegedienstleistungsstatistik, Pflegegeldinformation

Menschen im häuslichen Umfeld:
Durchschnittsalter der Pflegegeldbezieher:
Frauen 78,08 Jahre
Männer 73,13 Jahre
Durchschnittsalter der pflegenden Angehörigen:
Frauen 61,60 Jahre
Männer 66,19 Jahre
Welche Angehörigen pflegen?
ca. 24 % Töchter
ca. 18 % Partner, Ehe-Partner
ca. 18 % Söhne
ca. 8 % Schwiegertöchter,
Berufstätigkeit der pflegenden Angehörigen (Hauptbetreuungspersonen):
11,82 % sind vollzeitbeschäftigt
11,32 % sind teilzeitbeschäftigt
4,34 % sind selbstständig
10,37 % der pflegenden Angehörigen haben ihre Berufstätigkeit reduziert oder aufgegeben.

Und diese definieren die Mindeststandards sehr unterschiedlich und teils mangelhaft. Vor allem die Mindestpersonalschlüssel seien in den jeweiligen Gesetzen nur rudimentär geregelt. Es handelt von knapp kalkulierten Personalanforderungen und Mindestminuten-Schlüsseln für Pflegehandlungen.

Einzige Regel ist ein Witz

Einzige Regel des Bundes: In der Nacht dürfen nicht nur Hilfskräfte für die Betreuung zuständig sein, mindestens eine ausgebildete Pflegekraft muss in Rufbereitschaft zur Verfügung stehen.

Für Josef Moser ist das nicht akzeptabel. Diese Minimalstandards seien "kein Standard, nicht einmal ein Mindestmaß." Im "Ö1-Morgenjournal" fordert er endlich bundesweite Qualitätsstandard: "Der Bund gibt viel Geld, ohne zu schauen, was mit dem Geld passiert. Das ist nicht verantwortungsvoll."

Nach dem Rechnungshofbericht aus dem Jahr 2014 habe zwar eine Arbeitsgruppe bundesweite Qualitätskriterien erarbeitet, umgesetzt wurden sie aber nicht.

Mangelnde Kontrollen

Und noch schlimmer: "Nachdem die Qualität nicht definiert ist, kann man sie auch nicht überprüfen." Die Transparenz sei nicht ausreichend, manche Länder würden zwar dreimal so viel pro Pflegeplatz ausgeben, aber das hieße nicht, dass hier ausreichende Qualität herrscht.

"Das ist nicht ausreichend, das ist nicht statthaft und da ist die Politik gefordert, endlich zu handeln", so Moser. Dieser Meinung ist übrigens auch Kanzleramtsminister Thomas Drozda (SPÖ). Aus dem zuständigen Sozialministerium heißt es, dass man bei der nächsten Konferenz der Soziallandesräte erneut über eine Vereinheitlichung der Pflegestandards diskutieren will.

Die Entwicklungen laut Interessensgemeinschaft pflegender Angehöriger:

 Die Gruppe der über 80-Jährigen wird von 2015 bis 2030 um über 47 % zunehmen.*)

 Die Zahl der Einpersonenhaushalte steigt von 2015 bis 2030 um 17,2 %.*)

 Regionale Entwicklungen: Wachstum in städtischen Ballungsräumen und entlang von Verkehrsadern und gleichzeitig die Ausdünnung von peripheren und strukturell-wirtschaftlich benachteiligten Regionen.

 Von 2010 bis 2025 werden ca. 22.500 Pflege- und Betreuungskräfte (VZÄ) in der Langzeitpflege benötigt.**)

 Der Bedarf an mobiler Pflege und Betreuung wird bis 2025 um ca. 25 % steigen.

 Gemäß der Evaluierung der Kostenschätzungen für Pflege und Betreuung in den Bundesländern für den Zeitraum 2017 – 2021 sind bis zum Jahr 2021 insgesamt rund 19. Millionen Leistungsstunden geplant, was einem Anstieg von rund 18 % im Vergleich zum Jahr 2014 entspricht***)

 Eine Studie zur Situation der pflegenden Angehörigen in Österreich wurde vom Sozialministerium in Auftrag gegeben.



(Quellen: *) Statistik Austria **)Empfehlungen der Reformarbeitsgruppe ***) Ergebnisbericht GÖG)


(csc)