Gesundheit

Positives Denken kann auf Dauer schädlich sein

Schon mal von Toxic Positivity gehört? Warum das Phänomen unserer Psyche schadet und was es mit dem Lockdown zu tun hat.

20 Minuten
Teilen
Negative Gefühle zu unterdrücken und sie durch positive zu ersetzen kann Gift sein.<br>
Negative Gefühle zu unterdrücken und sie durch positive zu ersetzen kann Gift sein.
Photo by Nathan Dumlao on Unsplash

Unser Gemütszustand ist keine Konstante: Mal geht's uns gut, mal schlecht. Meistens streben wir nach positiven Gefühlen. Problematisch wird es, wenn wir ständig emotionale Abkürzungen nehmen und negative Gefühle unterdrücken, indem wir sie durch positive ersetzen. Wenn die ständige positive Einstellung ungesund wird, nennt man das auch "Toxic Positivity".

Im Lockdown konnte man auf Social Media besonders häufig toxische Positivität beobachten. "Wenn du aus dem Lockdown nicht mit einer neuen Fähigkeit, einer Businessidee oder mehr Wissen rauskommst, dann hat es dir nicht an Zeit, sondern an Disziplin gemangelt", schreibt etwa der 25-jährige Online-Marketing-Experte Jeremy Haynes. Und verurteilt mit seiner "toxic Positivity" all diejenigen Menschen, die der Pandemie und dem Lockdown nichts Gutes abgewinnen konnten.

Sie delegitimiert die berechtigten Sorgen einiger Menschen um ihre Gesundheit, das Wohlergehen ihrer Familie und Freunde oder ihre Jobsicherheit.

Auch in der Rassismusdebatte wurde auf Social Media auf Toxic Positivity aufmerksam gemacht.

Einer Person mit andere Hautfarbe die Last aufzubürden, "positiv zu bleiben", spielt ihre Erfahrungen herunter und ist ein Beispiel für die Selbstgefälligkeit all derjenigen, die von Rassismus nicht betroffen sind.

Wichtig für die Verarbeitung

"Toxic Positivity" kommt auch in alltäglichen Bemerkungen vor. "Alles wird gut", "Denk positiv" oder "Es könnte schlimmer sein" sind gut gemeinte Sätze, die man bei einer Trennung, Krankheit oder Kündigung hört. Doch ausschließlich solche Ratschläge zu hören, ist nicht hilfreich, sondern schlichtweg schädlich. Andauernder Optimismus führt nämlich nicht dazu, dass Probleme verschwinden.

Es gibt keinen Grund, negative Emotionen wie Wut, Trauer oder Frust zu verteufeln, denn sie helfen uns in gewissen Situationen. Ein mulmiges Gefühl nach einem Jobinterview kann uns einen Hinweis darauf geben, dass die Stelle nichts für uns ist. Nach einer Trennung verarbeiten wir mit unserer Traurigkeit die Veränderung in unserem Leben.

In herausfordernden Zeiten wie diesen ist es wichtig, dass wir uns besonders gut um uns selbst kümmern. Und das beinhaltet die Anerkennung aller Emotionen, die in uns herumschwirren.

Mehr zum Thema