Österreich

Niedrigere Pflegestufe: 300 € weniger für Demenzkranke

Elisabeth P. (58) leidet seit drei Jahren an Demenz, wird von ihrem Mann betreut. Erst erhielt sie Pflegestufe 3, nun fiel sie auf Stufe 1 hinunter.

Christine Ziechert
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Elisabeth P. (58) ist seit einigen Jahren demenzkrank.
Elisabeth P. (58) ist seit einigen Jahren demenzkrank.
ORF/Bürgeranwalt/Screenshot

Elisabeth P. kann keinen Reißverschluss mehr zumachen, beim Anziehen von Kleidungsstücken weiß sie die Reihenfolge nicht: Die 58-Jährige aus Rohrbach (OÖ) hat seit einigen Jahren präsenile Demenz – bei dieser Erkrankung treten die Symptome schon vor dem 65. Lebensjahr auf. Betroffen davon sind etwa 100 von 100.000 Menschen in der Altersgruppe der 45- bis 65-Jährigen.

Die Demenz ist unaufhaltsam, der Zustand der Betroffenen verschlechtert sich zusehends: "Man kann den Verlauf nicht stoppen, ihn nur verlangsamen", erklärt Karin Laschalt, Sozialarbeiterin bei der MAS-Alzheimerhilfe. Das Krankheitsbild bei der Oberösterreicherin trat vor drei Jahren nach einem Autounfall auf, wird in der TV-Sendung "Bürgeranwalt" berichtet. Seitdem hat sich der Zustand von Elisabeth P. laufend verschlechtert. Die 58-Jährige wird rund um die Uhr von ihrem Mann Hans betreut, einmal pro Woche kommt für drei Stunden eine Demenz-Trainerin ins Haus.

Zwei Pflegestufen hinunter, 300 Euro weniger

Mittlerweile benötigt die Oberösterreicherin etwa bei der Körperpflege, beim Klogang, beim An- und Ausziehen sowie anderen alltäglichen Handlungen Unterstützung. Im vergangenen Jahr wurde daher um Pflegegeld bei der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) angesucht, im April 2021 wurde schließlich nach einer Begutachtung durch eine Pflegefachkraft Stufe 3 bewilligt.

Doch im vergangenen Dezember erfolgte eine erneute Überprüfung der Pflegegeld-Einstufung – allerdings nicht durch einen Facharzt (Neurologe, Psychiater), sondern durch einen Allgemeinmediziner. Elisabeth P. fiel aufgrund des Gutachtens auf Stufe 1 zurück. Das bedeutet für das Ehepaar nun rund 300 Euro weniger pro Monat. 

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    Denise Auer, Helmut Graf
    "Für die Begutachtung werden oft keine Fachärzte für Psychiatrie oder Neurologie herangezogen, sondern Allgemeinmediziner" - Volksanwalt Bernhard Achitz

    "Oft entsprechen Pflegegeldeinstufungen von geistig oder psychisch schwer beeinträchtigten Menschen bei weitem nicht der zeitlichen und psychischen Belastung, die mit ihrer Betreuung verbunden ist. Zudem werden oft keine Fachärzte für Psychiatrie oder Neurologie herangezogen, sondern Allgemeinmediziner", meint Volksanwalt Bernhard Achitz.

    Ein weiterer Kritikpunkt: Um den Pflegebedarf richtig einzuschätzen, reicht es nicht, die von Demenz betroffenen Menschen selbst zu befragen. Denn die Betroffenen wollen ihre Defizite oft selbst nicht wahrhaben und beschönigen die Fakten: "Wenn man sie fragt, was sie noch selbst können, stellen sie sich in vielen Fällen besser dar, als es tatsächlich der Fall ist", erklärt Achitz.

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      Petra Zimmermann hilft ehrenamtlich bei der Betreuung von demenzkranken Spitals-Patienten aus.
      Petra Zimmermann hilft ehrenamtlich bei der Betreuung von demenzkranken Spitals-Patienten aus.
      Barmherzige Schwestern
      "Die Gutachter müssen auch die Angehörigen einbeziehen, um ein realistisches Bild zu bekommen" - Bernhard Achitz

      Im Fall von Elisabeth P. wurde bei der Überprüfung der Pflegegeld-Einstufung etwa nur sie selbst interviewt, ihr Mann wurde nur kurz zum Schluss in das Gespräch eingebunden. "Die Gutachter müssen auch die Angehörigen einbeziehen, um ein realistisches Bild zu bekommen." Im Idealfall wäre laut Achitz ein Vier-Augen-Gespräch: "Denn viele Angehörige nehmen auf die Gefühle der an Demenz Erkrankten Rücksicht und wollen ihnen nicht widersprechen, wenn sie ihre Fähigkeiten besser darstellen, als sie tatsächlich sind. Diese Schonung darf nicht zu einer schlechteren Pflegegeldeinstufung führen."

      "Die Volksanwaltschaft fordert, dass die Einstufungsverordnung überarbeitet wird. Bei den Gutachten müssen die Angehörigen besser eingebunden werden, und die Pensionsversicherung muss besser auf die Spezialisierung der Gutachter schauen", so Achitz abschließend.