Wien

Riesenhände gedenken homosexuellen Opfer der NS-Zeit

Mit einem Denkmal erinnert die Stadt an die Opfer der Homosexuellen-Verfolgung in der NS-Zeit. Heute wurde das Siegerprojekt präsentiert.

Louis Kraft
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    Der britische Künstler entwarf zwei Händepaare, die sich liebevoll übereinander legen. Die harten Schnittflächen an den Handgelenken symbolisieren die Verfolgung durch den Nationalsozialismus.
    Der britische Künstler entwarf zwei Händepaare, die sich liebevoll übereinander legen. Die harten Schnittflächen an den Handgelenken symbolisieren die Verfolgung durch den Nationalsozialismus.
    Rendering: Marc Quinn

    Anfang 2020 lobten die Kunst im öffentlichen Raum GmbH (KÖR) und die Wiener Antidiskriminierungsstelle (WASt) einen einstufigen, geladenen künstlerischen Realisierungswettbewerb aus, mit dem ein Entwurf für das neue geplante "Denkmal für Männer und Frauen, die Opfer der Homosexuellen-Verfolgung in der NS-Zeit wurden" im Resselpark (Wieden) gefunden werden sollte. Rund sechs Monate später ist es soweit: Heute präsentierten Antidiskriminierungs-Stadtrat Jürgen Czernohorszky, Kulturstadträtin Veronika Kaup-Hasler (beide SPÖ), Grünen-Gemeinderat Peter Kraus und Jury-Vorsitzender Hannes Sulzenbacher das Siegerprojekt vor. 

    Mit seinem Entwurf von vier Händen, deren Schnittflächen an den Handgelenken verspiegelt werden und so den Betrachter "hineinziehen" setzte sich der britische Künstler Marc Quinn gegen sieben Mitbewerber als Gewinner durch. Eine 16-köpfige Jury unter dem Vorsitz von Hannes Sulzenbacher (Zentrum QWIEN) hat das Projekt des Briten, der u.a. für die Skulptur Alison Lapper Pregnant verantwortlich zeichnet, ausgewählt.

    "Marc Quinns Skulptur bildet den Moment einfachster und elementarster zwischenmenschlicher Berührungen ab. Sein Entwurf zeigt zwei Paare zärtlich aufeinander liegender Hände - einerseits von zwei Männern, andererseits von zwei Frauen. Diese Händepaare scheinen an den Handgelenken wie abgehackt und vermitteln dadurch größte Brutalität im Augenblick liebevoller Berührung. Der Entwurf reflektiert diese Ambivalenz in ästhetischer Klarheit und beeindruckt sowohl auf intellektueller wie auch auf emotionaler Ebene. Durch die verspiegelten Schnittflächen der Handgelenke und der Tischplatte wird der Betrachter Teil des Kunstwerks und kommt nicht umhin, sich mit den dargestellten Thematiken der gleichgeschlechtlichen Liebe und ihrer Verfolgung auseinander zu setzen", begründet Sulzenbacher die Entscheidung.

    Sichtbarkeit für eine Opfergruppe, die "viel zu lange unsichtbar war" und Mahnung für heute

    "Es war mir von Beginn an ein großes Anliegen, dass wir dieses historisch so wichtige Denkmal im Dialog und mit breiter Beteiligung der Communities umsetzen (dem Wettbewerb ging ein großangelegter Beteiligungsprozess und fachlicher Diskurs unter breiter Beteiligung der LGBTIQ-Community, Gedenk- und Kunst-Communities voraus, Anm.). Wir schaffen mit dem Denkmal Sichtbarkeit für eine Opfergruppe, die viel zu lange unsichtbar war. Es ermöglicht ein würdevolles Erinnern und mahnt uns davor, das dunkelste Kapitel unserer Geschichte nicht mehr zu wiederholen", betonte Czernohorszky. 

    Als "wichtiges und notwendiges Zeichen" bezeichnete Kaup-Hasler das Denkmal. "Das Denkmal symbolisiert auch die Absage an jegliche Form von Homophobie und erinnert daran, für Menschenrechte einzustehen, wenn sie in Gefahr sind", so die Stadträtin. Gedenken und Erinnern heiße immer auch Mahnen für unsere gemeinsame Gegenwart und Zukunft. "Diesen Anspruch greift auch die Skulptur von Marc Quinn auf und setzt damit ein starkes Zeichen gegen Gewalt, Hass und Homophobie", ergänzte Kraus.

    Das Auftreten dagegen ist auch heute noch notwendig: Laut der 2020 veröffentlichten Studie "A long way to go for LGBTI equality. Sex, sexual orientation and gender" der Europäischen Grundrechteagentur FRA vermeiden 86 Prozent der gleichgeschlechtlichen Paare in Europa aus Angst vor Beleidigung, Bedrohung und Gewalt, im öffentlichen Raum Hand in Hand zu gehen. In Österreich vermeiden dies 78 Prozent.

    Mahnmal wird 2021 realisiert

    Das neue Denkmal für die NS-Opfer soll bei U-Bahnausgang zum Resselpark an einem prominenten Platz entstehen. Die Gesamtkosten (Wettbewerb und Realisierung) für das rund fünf Meter lange Kunstwerk aus Aluminiumbronze belaufen sich auf 300.000 Euro. Das Projekt wird von der Stadt Wien und dem Nationalfonds der Republik Österreich unterstützt. Fertiggestellt soll das Mahnmal im Laufe des nächsten Jahres werden. Alle weiteren Einreichungen können ab sofort auf der Homepage der WASt eingesehen werden.